In „Nature“: Wechselwirkungen mit Darmbakterien schwächen Wirksamkeit von Medikamenten

Eine neue in „Nature“ veröffentlichte Studie zeigt: Die Anreicherung von Medikamenten in Bakterien der Darmflora kann deren Wirksamkeit beeinträchtigen. Ko-Autor ist Prof. Dr. Janosch Hennig. Am 1. Oktober 2021 wird er aus Heidelberg nach Bayreuth kommen und hier die Leitung des Lehrstuhls Biochemie IV – Biophysical Chemistry and DNA übernehmen. 

Derzeit ist Prof. Dr. Janosch Hennig noch am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg tätig. Hier hat er sich bisher intensiv mit Strukturen und Funktionen von Ribonukleinsäuren – und zwar sowohl der Boten-RNA als auch der nicht-kodierenden RNA – befasst, die insbesondere für die ständige Versorgung des Organismus mit lebenswichtigen Proteinen eine zentrale Rolle spielen. Diese Forschungsarbeiten wird er an der Universität Bayreuth weiterführen und dabei, wie schon am EMBL, eine Vielzahl strukturbiologischer Forschungstechniken miteinander verknüpfen: NMR-Spektroskopie, Röntgenkristallographie, Kryo-Elektronenmikroskopie und Kleinwinkelstreuung.

Die NMR-Spektoskopie hat einen entscheidenden Anteil an neuen Forschungsergebnissen, die ein deutsch-britisches Forschungsteam mit Prof. Dr. Janosch Hennig jetzt in „Nature“ veröffentlicht hat. Die Wissenschaftler*innen des EMBL und der Universität Cambridge haben die Auswirkungen von Medikamenten auf Bakterien in der menschlichen Darmflora untersucht. Ein zentrales Ergebnis der Studie lautet: Wenn sich medizinische Wirkstoffe in den Bakterien anreichern, können sie deren Funktionen und Aktivitäten verändern. Vor allem aber wirken sie sich auf das Mikrobiom der Darmflora aus, die viele Billionen Bakterien unterschiedlicher Arten enthält. Dadurch können sie die Wirksamkeit von Medikamenten beeinträchtigen – sei es dass weniger Wirkstoffe für den Organismus zur Verfügung stehen; sei es, dass sich Änderungen des Mikrobioms nachteilig auf den Transport der Wirkstoffe oder auf deren Aufnahme in den Zellen auswirken.

Für ihre Studie haben die Wissenschaftler*innen 25 Arten von Darmbakterien im Labor gezüchtet und deren Wechselwirkungen mit 15 oral verabreichten Medikamenten untersucht. Bei der Auswahl der Medikamente haben sie darauf geachtet, dass sie verschiedene handelsübliche und oftmals verordnete Arzneimittel repräsentieren. Bei den insgesamt 375 Tests wurden 70 Arten von Wechselwirkungen zwischen Bakterien und Medikamenten gefunden; 29 davon waren in der wissenschaftlichen Literatur zuvor noch nicht beschrieben worden.

Eines der Medikamente, dessen Auswirkungen auf die Darmflora untersucht wurde, ist das Antidepressivum Duloxetin. Wie sich herausstellte, führt seine Anreicherung zu einer signifikanten Änderung der Artenzusammensetzung einer vergleichsweise kleinen Bakteriengemeinschaft in der Darmflora. Die Bakterien, in denen sich Duloxetin anreichert, produzieren veränderte Moleküle, die anderen Bakterien als willkommene Nahrung dienen. Diese Bakterien vermehren sich plötzlich sehr viel rascher, so dass die ursprünglich stabil ausbalancierte Artenzusammensetzung verlorengeht.

Die Forschungsvorhaben von Prof. Dr. Janosch Hennig werden auch in Bayreuth an den Schnittstellen von Biochemie, Biophysik und Biomedizin angesiedelt sein. „Ich freue mich schon auf die wissenschaftliche Zusammenarbeit und den Austausch mit den Arbeitsgruppen an meinem künftigen Lehrstuhl. Gemeinsam wollen wir die Erforschung grundlegender biochemischer Strukturen und Prozesse weiter vorantreiben. Die in Nature veröffentlichte Studie zeigt beispielhaft, dass daraus überraschende Erkenntnisse hervorgehen können, die für das Verständnis medizinischer Wirkstoffe und ihrer Folgen von großer Bedeutung sein können.“

Veröffentlichung:

M. Klünemann et al.: Bioaccumulation of therapeutic drugs by human gut bacteria. Nature (2021), DOI: https://doi.org/10.1038/s41586-021-03891-8