Mehrfachstrukturen behindern klinische Studien
- Vergleichsweise wenige Corona-Studien in Deutschland
- Bei klinischen Studien sind andere Länder besser
- Harmonisierung beim Datenschutz nötig
- Beantragungsprozesse zu komplex
Berlin (vfa). Im Vergleich zur Erfolgsstory der präklinischen Forschung zu mRNA-Impfstoffen in Deutschland fällt auf, dass die Anzahl der klinischen Studien zu Corona-Arzneimitteln und -Impfstoffen im internationalen Vergleich eher gering war. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Analyse eines internationalen Forscherteams auf Basis von Studienregistern, die als Preprint zugänglich ist. Die Aussage der Analyse fügt sich leider in einen grundlegenden Trend ein: Die klinische Forschung zu Medikamenten hierzulande schwächelt. Und das schon länger.
Dazu sagt vfa-Präsident Han Steutel: „Am Einsatz der beteiligten Behörden und Einrichtungen liegt es nicht. Sie geben alles, gerade auch während der Corona-Pandemie. Es liegt an den Strukturen, besser gesagt den Mehrfachstrukturen! Die Vielzahl der nötigen Genehmigungen und Zustimmungen macht alles sehr bürokratisch und oft auch langsam. Auch die administrativen Prozesse für die Firmen werden dadurch immer komplexer. Was wir in Deutschland jetzt brauchen, ist eine durchgängige Harmonisierung bei Genehmigungen, Zustimmungen und Überwachung über alle Ebenen. Dazu zählt z. B. eine zwischen allen Datenschutzbehörden der Länder harmonisierte Auslegung der deutschen Datenschutzbestimmungen hinsichtlich klinischer Studien.“
In Deutschland gibt es beispielsweise 52 Ethikkommissionen, 17 Datenschutzbehörden und 29 Überwachungsbehörden der Länder, die klinischen Studien zustimmen müssen bzw. sie überwachen.
Steutel mit Blick auf die Zukunft: „Fachkräfte an Kliniken und im niedergelassenen Bereich können sich durch Teilnahme an klinischen Studien schon heute mit der Medizin von morgen vertraut machen. Patientinnen und Patienten erhalten durch sie – gerade bei bislang schlecht behandelbaren Erkrankungen – eine Chance auf wirksamere Behandlung. So haben Industrie, Gesundheitswesen und Patienten ein gemeinsames Interesse, dass Deutschland wieder Europameister bei klinischen Studien wird.“
Hintergrund:
Die aktuellste vollständige Auswertung zur Mitwirkung medizinischer Einrichtungen an von Unternehmen veranlassten klinischen Arzneimittelstudien ist für das Jahr 2019 verfügbar. In diesem Jahr lag Deutschland mit 550 solcher Studien im internationalen Ranking vor Kanada (495), aber hinter den USA (2.376), China (634), UK (567) und Spanien (554) auf dem 5. Platz. Damit zeigt sich Deutschland zwar weiterhin als Land, das für forschende Pharma-Unternehmen einen hohen Stellenwert als Studienstandort hat. Von seiner bis 2016 gehaltenen Position als Europameister und weltweiten Nr. 2 ist es aber mittlerweile ein gutes Stück entfernt. Auch für 2020 zeichnet sich keine Steigerung der Zahl klinischer Studien am Standort Deutschland ab.
Mehr unter:
- J Hirt, A Rasadurai, M Briel et al. Clinical trial research on COVID-19 in Germany – a systematic analysis (Preprint, awaiting peer review: https://f1000research.com/articles/10-913
- Der vfa zum Studienstandorts Deutschland: https://www.vfa.de/klinische-studien-deutschland.html
Der vfa ist der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen in Deutschland. Er vertritt die Interessen von 45 weltweit führenden Herstellern und ihren über 100 Tochter- und Schwesterfirmen in der Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftspolitik. Die Mitglieder des vfa repräsentieren rund zwei Drittel des gesamten deutschen Arzneimittelmarktes und beschäftigen in Deutschland ca. 80.000 Mitarbeiter. Mehr als 19.000 davon arbeiten in Forschung und Entwicklung. Folgen Sie uns auf Twitter: www.twitter.com/vfapharma