Am 29. Oktober ist Welt-Schlaganfalltag: Immer mehr jüngere Menschen betroffen!

Eine neue GBD-Studie (Global Burden of Diseases) [1] zeigt weltweit eine dramatisch ansteigende Schlaganfall-bedingte Krankheitslast. Bemerkenswert ist vor allem der relative Anstieg in jüngeren Altersgruppen unter 70 Jahren. Generell gehen 87% der Schlaganfälle zu Lasten definierter Risikofaktoren, von denen die meisten als modifizierbar gelten – so z. B. auch eine zu kochsalzreiche Ernährung. Reduzierter Salzkonsum kann dagegen die Schlaganfallrate senken [3]. Zur Kontrolle persönlicher Risikofaktoren in der Primär- und Sekundärprävention könnten künftig immer mehr digitale Angebote an Bedeutung erlangen wie das innovative Konzept aus Deutschland, der „PostStroke-Manager“ [4].

Seit 30 Jahren nimmt die Krankheitslast durch Schlaganfälle weltweit stark zu: Die Zahl akuter Schlaganfälle stieg seit 1990 um ungefähr 70%, die Zahl Schlaganfall-bedingter Todesfälle um 43%. Etwa 85% mehr Menschen leben mit den Folgen eines Schlaganfalls (Prävalenz). In absoluten Zahlen gab es im Jahr 2019 (GBD-Daten aus 204 Ländern) [1] 12,2 Millionen neue Schlaganfälle und 101 Millionen Betroffene. Diese hohe Zahl ist auch dem demographischen Wandel geschuldet, da es zum einen mehr Menschen gibt (die Weltbevölkerung stieg von 5,32 Mrd. im Jahr 1990 auf 7,79 Mrd. in 2020 [2]), und auch mehr ältere Menschen, da die Lebenserwartung steigt. Die Krankheitslast beinhaltet neben Inzidenz, Prävalenz und Sterblichkeit die durch Behinderung verlorenen Lebensjahre (DALYs/„disability-adjusted life-years“: die Maßzahl addiert die durch Todesfälle verlorenen Lebensjahre und Jahre mit krankheitsbedingt verminderter Lebensqualität). Für 2019 errechnete man 143 Millionen Schlaganfall-bedingte DALYs und 6,55 Millionen Todesfälle. Damit sind Schlaganfälle auch global die zweithäufigste Todesursache (11,6% aller Todesfälle gehen auf das Konto von Schlaganfällen).

Besorgniserregend sind der Anstieg der Schlaganfallrate in Niedriglohnländern und der überproportionale Anstieg der Neuerkrankungsrate (Inzidenz) und Krankheitshäufigkeit (Prävalenz) in der Gruppe der unter 70-jährigen Menschen. Während bei den Älteren die relative Neuerkrankungsrate sogar um 17% zurückgegangen war, wurde bei den unter-70-Jährigen ein Anstieg um 15% verzeichnet. Die „Verjüngung“ der Betroffenen könnte der weltweiten Zunahme der Risikofaktoren geschuldet sein.

Insgesamt werden in der Erhebung 19 Risikofaktoren für das Auftreten von Schlaganfällen benannt und gewichtet. Hauptrisikofaktor ist der Bluthochdruck, auf dessen Konto eine Gesamtzahl von 80 Millionen DALYs bzw. 55,5 % aller DALYs gehen. Es folgen BMI/Übergewicht (24,3% aller Schlaganfall-bedingten DALYs), Diabetes mellitus (20,2 %), Umwelt- bzw. Luftverschmutzung (20,1%) und Rauchen (17,6 %). An sechster Stelle steht ein hoher Kochsalzkonsum als relativ unbekannter Risikofaktor mit einem Anteil von 12,3%. „Dass eine salzreiche Ernährung den Blutdruck erhöhen kann, ist nicht neu, auch nicht, dass dadurch die Schlaganfallrate steigt“, erklärt DGN-Präsident, Prof. Dr. Christian Gerloff, UKE Hamburg. „Eine aktuelle Studie zeigt aber nun eindrucksvoll, dass Menschen mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko durch Salzverzicht effektiv gegensteuern können.“

Senkung der Kochsalzzufuhr reduziert das Schlaganfallrisiko

Eine große prospektive, randomisierte Studie [3] untersuchte an einer Population von Hochrisikopatienten den Effekt einer alimentären Kochsalzreduktion auf die Schlaganfallhäufigkeit. Die Open-Label-Studie umfasste 20.995 Personen aus 600 Ortschaften im ländlichen China. Die Teilnehmenden hatten entweder bereits einen Schlaganfall erlitten oder waren mindestens 60 Jahre alt und hatten eine Hypertonie. Die Kohorte wurde nach Wohnorten zu gleichen Teilen randomisiert. In der Interventionsgruppe verwendeten die Einwohner Kochsalzsubstitute bzw. Salz-Ersatzprodukte (Mineralsalzmischung aus 75% Natriumchlorid und 25% Kaliumchlorid), in der Kontrollgruppe wurde weiterhin das übliche Kochsalz benutzt (100% Natriumchlorid). Primärer Endpunkt war die Schlaganfallinzidenz. Bezüglich der klinischen Sicherheit des Kochsalzsubstitutes wurden Kalium-assoziierte Ereignisse ausgewertet. Die Teilnehmenden (49,5 % weiblich) waren im Mittel 65,4 Jahre alt, 88,4% litten an Bluthochdruck und 72,6 % hatten bereits einen Schlaganfall in der Vorgeschichte. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 4,74 Jahre. Im Ergebnis war die Schlaganfallrate in der Interventionsgruppe 14% niedriger als in der Kontrollgruppe (RR 0,86; 29,14 versus 33,65 Ereignisse pro 1.000 Personenjahre; p=0,006). Ebenso die Gesamttodesfälle (alle Ursachen: 39,28 versus 44,61 Ereignisse; RR 0,88; p<0,001). „Jeder und jede hat es also in der Hand, proaktiv das eigene Schlaganfallrisiko zu reduzieren“, so der DGN-Präsident. Doch neben der Prävention sei auch eine bestmögliche Versorgung und Nachsorge wichtig und diese werde in Deutschland stetig verbessert. „Viel tut sich hier im Bereich der Rehabilitation und Langzeitnachsorge“.

 „PostStroke-Manager“ – ein digitales Konzept aus Deutschland

In einem von der Universität Leipzig initiierten Projekt wurde der mobile, digitale „PostStroke-Manager“ entwickelt [4], der die Patientinnen und Patienten bei der Schlaganfallnachsorge an die Hand nehmen soll. Das innovative Konzept kombiniert über eine serverbasierte Plattform Digitalsupport und persönliche Betreuung. Über mobile Geräte (Tablet, Smartwatch) und eine Patienten-App mit zehn Komponenten soll die Versorgung individuell koordiniert werden. Mittels Sensortechnologie werden Parameter wie Blutdruck, EKG und physische Aktivität aufgezeichnet. Verschiedene Kommunikationstools (Textmessenger, Audio- und Videotelefonie) ermöglichen den direkten bzw. wechselseitigen Kontakt zu einem „Stroke Pilot“ und allen eingebundenen Behandlern. In einer Machbarkeitsanalyse sollen nun 90 ambulante Schlaganfall-Patientinnen und Patienten über ein Jahr lang prospektiv beobachtet werden.

„Schlaganfall ist eine chronische Erkrankung mit akutem Beginn. Für Schlaganfall-Betroffene ist wichtig, auch nach einer optimalen Rehabilitation, ihre neue Situation wie eine chronische Erkrankung anzusehen und lebenslang an einer individuell angepassten Sekundärprävention festzuhalten. Strukturierte, digitale Angebote mit Feedback-Systemen, individuellen Datenanalysen zur Therapieplanung und -anpassung sind zukunftsweisend“, betont Prof. Gerloff.

Literatur

[1] Feigin VL, Stark BA, Johnson CO et al. (GBD 2019 Stroke Collaborators) Global, regional, and national burden of stroke and its risk factors, 1990-2019: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2019. Lancet Neurol 2021 Oct; 20 (10): 795-820  doi: 10.1016/S1474-4422(21)00252-0. Epub 2021 Sep 3.

[2] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1716/umfrage/entwicklung-der-weltbevoelkerung/

[3] Neal B, Wu Y, Feng X et al. Effect of Salt Substitution on Cardiovascular Events and Death. N Engl J Med 2021 Sep 16; 385 (12): 1067-1077 doi: 10.1056/NEJMoa2105675. Epub 2021 Aug 29.

[4] Michalski D, Prost A, Handel T et al. The PostStroke-Manager – combining mobile, digital and sensor-based technology with personal assistance: protocol of the feasibility study. Neurol Res Pract 2021 Sep 9; 3 (1): 53 doi: 10.1186/s42466-021-00137-w.