Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund: wie eine kultursensible Betreuung gelingen kann

Die Zahl der Migrantinnen und Migranten in Deutschland nimmt stetig zu. Jeder vierte hier lebende Mensch hat einen Migrationshintergrund. Schätzungen zufolge sind etwa 600 000 von ihnen an Diabetes mellitus erkrankt. Kulturelle, sprachliche sowie häufig auch bildungsbedingte Barrieren können das Management der Stoffwechselerkrankung Diabetes im Alltag erschweren. Behandelnde Ärztinnen und Ärzte sowie das Diabetes-Schulungspersonal müssen bei der Diagnose, Therapie, Beratung und Schulung von Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund auf ihre sprachlichen und kulturellen Unterschiede eingehen. Wie eine solche kultursensible Betreuung gelingen kann, erläutern Experten auf einer Online-Pressekonferenz im Vorfeld der Diabetes Herbsttagung am 27. Oktober. Die Tagung findet vom 5. bis 6. November als Hybrid-Veranstaltung – in Wiesbaden sowie online – statt.

Zahlreiche Studien bestätigen, dass Menschen mit Migrationshintergrund je nach Herkunftsregion deutlich häufiger, früher und stärker von Typ-2-Diabetes betroffen sind als die restliche Bevölkerung. Viele der Migranten hierzulande stammen aus der Türkei, Polen, Russland oder aus Nordafrika – Regionen, bei denen in den nächsten Jahren mit einer besonders hohen Zunahme der Inzidenz an Diabetes gerechnet wird. „Da die kulturelle Vielfalt auch in den meisten Fällen eine Herausforderung bei der medizinischen Versorgung mit sich bringt, ist es umso wichtiger, sich mit den Besonderheiten bei der Diabetes- und Adipositasbehandlung von Migranten hinreichend auszukennen“, sagt Professor Dr. med. Werner Kern, Tagungspräsident der DDG.

Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund sind häufig unzureichend versorgt. „Aus Angst durch Krankschreibungen oder andere medizinische Maßnahmen den Arbeitsplatz zu verlieren, werden Arztbesuche und Vorsorgeuntersuchungen von den Betroffenen oft nicht wahrgenommen“, so der Ärztliche Leiter des endokrinologikum Ulm. Diabetes aber auch Adipositas und die damit verbundenen Risikofaktoren wie Bluthochdruck oder erhöhte Blutfettwerte bleiben daher häufig lange Zeit unentdeckt und unbehandelt.

Rein medizinisch gesehen, gibt es bei der Behandlung des Diabetes keinen Unterschied zwischen Migranten und in Deutschland geborenen Patientinnen oder Patienten. Es gibt aber kulturspezifische Besonderheiten, die im Sinne einer optimalen Therapie beachtet werden sollten. „So wird in manchen Kulturen eine Krankheit als Schicksal, Sühne oder Prüfung Gottes gesehen, die geduldig ertragen werden muss. Die Patienten haben Skrupel zu verändern, was Gott ihnen gegeben hat“, so Kern. Auch religiöse Einflüsse spielen eine wichtige Rolle. „So kann beispielsweise der Fastenmonat Ramadan für das Diabetes-Team und die Patientin oder den Patienten eine echte Herausforderung darstellen – vor allem, wenn Insulin und blutzuckersenkende Medikamente verwendet werden, die ein hohes Risiko für Unterzuckerungen bergen.“ Sprachbarrieren können ebenso ein großes Problem darstellen. „Häufig sprechen Patienten Probleme aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht an. Manchmal kommt es auch dazu, dass Angehörige oder Dolmetscherinnen oder Dolmetscher komplexe medizinische Zusammenhänge nicht richtig übersetzen können und dadurch Informationen verloren gehen“, ergänzt der Experte.

Auf der Online-Pressekonferenz im Vorfeld der Diabetes Herbsttagung am 27. Oktober erklärt Kern, worauf Ärzte und das Diabetes-Behandlungsteam bei der Beratung, Schulung und Therapie von Menschen mit Diabetes und Migrationshintergrund achten müssen. In verschiedenen Symposien und Workshops der Diabetes Herbsttagung erhalten Teilnehmende der Tagung zudem zahlreiche Hilfestellungen und Tipps für den kultursensitiven Umgang. Die diesjährige Diabetes Herbsttagung wird als Hybrid-Veranstaltung – in Wiesbaden sowie online – stattfinden. Der Besuch der Workshops ist jedoch nur in Wiesbaden möglich. Das Tagungsprogramm ist im Internet unter www.herbsttagung-ddg.de abrufbar.