Antigen-Schnelltests auf SARS-CoV-2: vergleichende Sensitivitätsbewertung CE-gekennzeichneter Tests
Expertinnen und Experten des Paul-Ehrlich-Instituts haben im Verbund mit Forschenden anderer Institutionen insgesamt 122 COVID-19-Antigen-Schnelltests auf Sensitivität und damit auf ihre Fähigkeit untersucht, das SARS-CoV-2-Virus nachzuweisen. Das Ergebnis: Die Qualität der Tests war sehr unterschiedlich. 96 Antigen-Schnelltests erfüllten die geforderten Kriterien, teilweise mit sehr guten Ergebnissen, 26 Tests boten nicht die geforderte Sensitivität. Über die Ergebnisse berichtet Eurosurveillance in seiner Online-Ausgabe vom 04.11.2021.
Derzeit ist eine große Anzahl CE-gekennzeichneter SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests auf dem europäischen Markt verfügbar – sowohl für die Anwendung durch geschultes Personal als auch zur Anwendung als Selbsttests durch Laien. Diese Antigen-Schnelltests basieren auf der sogenannten Lateral-Flow-Immunchromatografie mit Antikörpern gegen SARS-CoV-2-Proteine (Antigene), die in Proben aus den Atemwegen nachgewiesen werden sollen, um eine akute SARS-CoV-2-Infektion zuverlässig festzustellen.
Zwar muss ein positiver Antigen-Schnelltest weiterhin durch einen PCR-Test (Polymerase-Chain-Reaction-Test) – den Goldstandard der SARS-CoV-2-Diagnostik – bestätigt werden. Dennoch scheint die Infektiosität durch Atemwegssekrete mit hohen Viruslasten (Virusmengen) in der frühen Phase der Infektion zu korrelieren, z. B. vor und bis zu zehn Tage nach dem ersten Auftreten von Symptomen. Und genau diese hohen Virusmengen lassen sich ebenfalls mit Antigen-Schnelltests nachweisen. Bei entsprechender Güte erlauben Antigen-Schnelltests daher eine zeitnahe Identifizierung akut infizierter und potenziell infektiöser Personen und ermöglichen unmittelbare Maßnahmen, um die Virusausbreitung einzudämmen. Zudem lassen sich mit den Antigen-Schnelltests die begrenzten Reagenzien der empfindlicheren Molekulardiagnostik einsparen, um andere diagnostische Anforderungen zu erfüllen, beispielsweise das Krankheitsmanagement oder die Bestätigung positiver Antigen-Schnelltests.
Allerdings können Tests nur dann zuverlässig zur Eindämmung des Pandemiegeschehens beitragen, wenn sie die Mindestkriterien für einen Nachweis von SARS-CoV-2 erfüllen. Gemäß der aktuellen EU-Richtlinie für In-vitro-Diagnostika (IVD), die derzeit die Marktzulassung für IVDs in Europa regelt, können die Hersteller allerdings die COVID-19-Tests als „IVD niedrigen Risikos“ noch selbst zertifizieren und auf eine unabhängige Überprüfung der Tests verzichten, bevor sie sie auf den Markt bringen. Ab Mai 2022 wird sich dies ändern: Dann müssen gemäß der IVD-Verordnung für deren Zertifzierung ein EU-Referenzlabor und eine Benannte Stelle hinzugezogen werden, da die COVID-19-Tests der höchsten Risikoklasse angehören werden. Zukünftig verlangt dies dann eine Laboruntersuchung der Tests sowie eine unabhängige Überprüfung der Daten. Das Paul-Ehrlich-Institut bereitet sich bereits darauf vor, sich als eines der dafür zuständigen EU-Referenzlabore zu bewerben. Bis dahin füllt das Paul-Ehrlich-Institut die derzeitige Lücke der fehlenden Bewertung dieser kritischen Tests mit einer vergleichenden Untersuchung dieser Tests.
122 in Deutschland angebotene CE-gekennzeichnete SARS-CoV-2 Antigen-Schnelltests bzw. Antigen-Selbsttests wurden von den Mitarbeitern des Paul-Ehrlich-Instituts um Dr. Heinrich Scheiblauer, Prüflabor für In-vitro-Diagnostika und PD Dr. Micha Nübling, Leiter der Abteilung G Grundsatzfragen, Koordination sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Robert Koch-Instituts, der Charité, des Instituts für Mikrobiologie der Bundeswehr, München, LADR GmbH, Geesthacht, dem Bernhard-Nocht-Institut, Hamburg und dem MVZ Labor 28, Berlin untersucht. So wird sichergestellt, dass nur solche Antigen-Schnelltests zum Einsatz kommen, die Mindestkriterien erfüllen. Eine wichtige Voraussetzung für die Zuverlässigkeit der Tests ist eine ausreichende Sensitivität (Empfindlichkeit) der Antigen-Schnelltests. Die Sensitivität drückt aus, wie gut der Test also in der Lage ist, das Virus nachzuweisen.
Die Sensitivität dieser Antigen-Schnelltests wurde mit Hilfe eines gemeinsamen Bewertungspanels untersucht, das vom Robert-Koch-Institut hergestellt wurde. Als minimal akzeptierte Sensitivität wurde ein Wert von 75 % festgelegt, bezogen auf einen Ct-Wert < 25. Der Ct-Wert (Cycle-threshold-Wert) ist ein Maß für die Virusmenge in der Probe: Der Wert gibt an, wie viel Vermehrungszyklen bei der PCR-Methode ablaufen müssen, bevor der Anstieg des viralen Erbguts exponentiell wird. Umso geringer diese Zahl, umso weniger Vermehrungszyklen waren nötig und umso höher ist die Viruskonzentration in der Probe.
Die Sensitivität der verschiedenen SARS-CoV-2-Antigen-Schnelltests variierte in einem weiten Bereich. Die geforderte Sensitivitätsgrenze von 75 % für CT <25 wurde von 96 der 122 ausgewerteten Tests erreicht; 26 Tests wiesen eine geringere Sensitivität auf. Einige Tests zeigten wiederum eine sehr hohe Sensitivität.
Die vergleichende Auswertung erlaubt es, weniger empfindliche von leistungsfähigen Antigen-Schnelltests zu unterscheiden. Die meisten der evaluierten Antigen-Schnelltests erfüllten die geforderten Bedingungen und sind für die schnelle Identifizierung von akuten Infektionen mit hoher Viruslast geeignet.
Eine Liste auf den Seiten des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte BfArM bietet einen Überblick über alle Antigen-Tests, die nach Herstellerangaben die Mindestkriterien erfüllen und die nach Coronavirus-Testverordnung (TestV) erstattungsfähig sind. Tests, die die Evaluierung bestanden haben, werden in der Liste „Vergleichende Evaluierung der Sensitivität von SARS-CoV-2-Antigenschnelltests“ des Paul-Ehrlich-Instituts aufgeführt. Erfüllt ein Test diese Evaluierung nicht, wird er aus der Liste des BfArM gestrichen.
Originalpublikation
Scheiblauer H, Filomena A, Nitsche A, Puyskens A, Corman VM, Drosten C, Zwirglmaier K, Lange C, Emmerich P, Müller M, Knauer O, Nübling CM (2021): Comparative sensitivity evaluation for 122 CE-marked rapid diagnostic tests for SARS-CoV-2 antigen, Germany, September 2020 to April 2021.
Eurosurveillance 26: 2100441.
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