Tübinger Studie deckt Zusammenhang zwischen Zucker und Hirnerkrankungen auf
Aktuell in Fachzeitschrift PNAS publiziert
Einem Tübinger Forschungsteam des Instituts für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik ist es gelungen, die Bedeutung spezieller Zuckersignale im Körper zu entschlüsseln. Mithilfe der Studienergebnisse können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun neue Ansätze zur Therapie bei Hirnerkrankungen erforschen. Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America) publiziert.
Dass zu viel Zucker ungesund ist, predigen Ernährungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler bereits seit Jahrzehnten. Als wichtiger Energielieferant für den Körper kommt der Mensch jedoch nicht ganz ohne das Lebensmittel aus. Ob als Energiereserve, zum Muskelerhalt oder zur Förderung der Verdauung – die vielen verschiedenen Kohlehydrate übernehmen im Körper eine Reihe lebenswichtiger Aufgaben.
Ein Internationales Forschungsteam um Dr. Thorsten Schmidt vom Institut für Medizinische Genetik und Angewandte Genomik des Universitätsklinikums Tübingen konnte nun zeigen, dass zu viel Zucker auch in einem ganz anderen Zusammenhang negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben kann. Denn Zucker ist nicht gleich Zucker. So versehen Zellen z. B. Eiweiße mit speziellen Zuckermolekülen, um ihre Löslichkeit zu verbessern oder ihre Aktivität zu steuern.
Im Rahmen einer Studie analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen dem zellulären Mechanismus, durch den Zuckermoleküle an Eiweiß gekoppelt werden und dem Verlauf einer Hirnerkrankung, der sogenannten Spinozerebellaren Ataxie Typ 3. Dr. Thorsten Schmidt, der Leiter der Studie erklärt: „Wir konnten nachweisen, dass diese Zuckersignale in direktem Zusammenhang mit Erkrankungsprozessen im Gehirn stehen, indem wir das dafür verantwortliche Enzym im Körper direkt beeinflussten.“ Dieses Enzym namens O-GlcNAc Transferase (OGT) spielt bei Hirnerkrankungen eine wichtige Rolle: Wurde seine Aktivität vermindert, reduzierten sich auch die Krankheitsfolgen.
Aufgrund dieser Ergebnisse könnte das Enzym OGT ein wichtiger Ansatzpunkt bei der Behandlung von neurologischen Erkrankungen wie Parkinson oder Alzheimer darstellen. „Diese Zuckersignale können tatsächlich als ‚bittersüß‘ bezeichnet werden“, so Dr. Schmidt. „Im Prinzip sind unsere Nervenzellen dringend auf dieses Enzym angewiesen, doch zu viel davon scheint Erkrankungen des Gehirns zu begünstigen.“ Inwieweit die individuelle Ernährung oder geeignete Wirkstoffe diese Zuckersignale und damit auch Hirnerkrankungen beeinflussen können, wird nun in weiteren Studien untersucht.
Originaltitel der Publikation:
Priscila Pereira Sena et al. (2021) Pathophysiological interplay between O-GlcNAc transferase and the Machado-Joseph disease protein ataxin-3. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America; doi: https://doi.org/10.1073/pnas.2025810118