Schlechte Datenlage zum Nutzen der Feldenkrais-Methode bei Störungen der Beweglichkeit
Vorläufiger HTA-Bericht beauftragter Expertinnen und Experten zeigt eine schlechte Evidenzlage. Bei Parkinson und chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich finden sich Anhaltspunkte für einen Nutzen. Bitte um Stellungnahmen.
Im Auftrag des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) untersuchen derzeit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter der Federführung der medizinischen Hochschule Hannover (MHH) die Frage, ob die Feldenkrais-Methode bei Störungen der Beweglichkeit helfen kann.
Vorläufiges Ergebnis: Wegen der schlechten Evidenzlage konnten die Expertinnen und Experten nur bei Betroffenen der Parkinsonkrankheit sowie bei Patientinnen und Patienten mit chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich eine Nutzenaussage ableiten. Hier findet sich jeweils ein Anhaltspunkt für einen Nutzen der Feldenkrais-Methode im Vergleich zur betreffenden Vergleichstherapie.
Aufgrund der schlechten Datenlage sehen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen weiteren Forschungsbedarf.
Zu diesem vorläufigen HTA-Bericht bittet das IQWiG nun bis zum 23.02.2022 um Stellungnahmen. Es handelt sich dabei um eine Gesundheitstechnologie-Bewertung (engl. Health Technology Assessment = HTA) im Rahmen des IQWiG-Verfahrens ThemenCheck Medizin. Die Fragestellungen dieser HTA-Berichte gehen stets auf Vorschläge von Bürgerinnen und Bürgern zurück.
Anfrage einer Bürgerin als Ausgangspunkt des Berichts
Der jetzt vorliegende vorläufige HTA-Bericht geht auf den Vorschlag einer Bürgerin zurück. Sie hatte die Erfahrung gemacht, dass Rückenschmerzen oft mit Medikamenten behandelt werden, manchmal sogar Operationen empfohlen werden. Vor diesem Hintergrund fragte sie das IQWiG, ob Feldenkrais eine Methode sein könnte, die gegebenenfalls eine medikamentöse oder operative Therapie überflüssig machen könnte.
Mit der Feldenkrais-Methode soll durch eine bewusstere Körperwahrnehmung die Koordination von Bewegungsabläufen optimiert werden. Sie geht auf den Physiker und Neurophysiologen Moshé Feldenkrais zurück. Da die Feldenkrais-Methode formal nicht als Heilmittel gelistet ist, übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Behandlungskosten nur in Ausnahmefällen.
Sechs randomisierte kontrollierte Studien für fünf Indikationen
Die vom IQWiG beauftragten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler konnten bei ihrer Recherche zum Nutzen der Feldenkrais-Methode sechs randomisierte kontrollierte Studien für fünf unterschiedliche Indikationen identifizieren. Keine dieser sechs Studien wurde in Deutschland durchgeführt, alle Studien wiesen ein hohes Verzerrungspotenzial auf. Anhaltspunkte für einen (höheren) Nutzen konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur bei zwei Indikationen ermitteln:
- Bei Betroffenen mit Morbus Parkinson gibt es nach Auffassung der beauftragten externen Sachverständigen einen Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen der Feldenkrais-Methode gegenüber Bildungsprogrammen in Form von Vorträgen (= passive Strategie). Dies betrifft die Verbesserung der Beweglichkeit und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität am Therapieende.
- Die Evidenzlage bei Betroffenen mit chronischen Schmerzen im unteren Rückenbereich ist im Vergleich mit aktiven Strategien uneinheitlich. Gegenüber einem Training mit Übungen für die Rumpfstabilität gibt es in einer Studie einen Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen der Feldenkrais-Methode am Ende der fünfwöchigen Therapie wegen besserer Beweglichkeit und besserer gesundheitsbezogener Lebensqualität. Gegenüber der Teilnahme an einer mehrmonatigen Rückenschule gibt es in einer weiteren Studie zwar einen Anhaltspunkt für einen höheren Nutzen der Feldenkrais-Methode hinsichtlich Schmerzverringerung, aber gleichzeitig auch einen Anhaltspunkt für einen geringeren Nutzen dieser Methode in Bezug auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität. Unmittelbar am Ende der Therapie wurden aber keine Unterschiede in den Effekten der beiden Verfahren festgestellt.
Die Expertinnen und Experten konnten keinen Anhaltspunkt für einen Nutzen bei weiteren Indikationen oder für einen langfristigen Nutzen der Feldenkrais-Methode finden. Allerdings konnten sie auch keinen Anhaltspunkt für einen Schaden der Feldenkrais-Methode finden, wobei Angaben zu Todesfällen und zu unerwünschten Ereignissen in den Studien fehlen. Die Frage nach dem Nutzen der Feldenkrais-Methode im Vergleich zu aktiven Strategien wie einer Physiotherapie bleibt grundsätzlich noch offen.
Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen erkennen daher weiteren Forschungsbedarf – vor allem zu langfristigen Effekten der Feldenkrais-Methode, ihrer Anwendung bei verschiedenen Indikationen und gegenüber anderen, üblicherweise in der Praxis angewendeten aktiven Vergleichstherapien wie etwa der etablierten Physiotherapie.
Das IQWiG bittet um Stellungnahmen
Zu dem nun vorliegenden vorläufigen HTA-Bericht bittet das IQWiG bis zum 23.02.2022 um Stellungnahmen. Alle interessierten Personen, Institutionen und (Fach-)Gesellschaften können Stellungnahmen abgeben. Gegebenenfalls führt das IQWiG eine wissenschaftliche Erörterung zur Klärung von weitergehenden Fragen aus den schriftlichen Stellungnahmen durch. Die Ergebnisse aus der Anhörung können zu Änderungen und/oder Ergänzungen des vorläufigen HTA-Berichts führen.
Die HTA-Berichte im Rahmen des ThemenCheck Medizin werden nicht vom IQWiG selbst verfasst, sondern von externen Sachverständigen. Deren Bewertung wird gemeinsam mit einer allgemein verständlichen Kurzfassung (HTA kompakt) und einem IQWiG-Herausgeberkommentar veröffentlicht.
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