Schwangerschaft auch mit angeborenem Herzfehler möglich
Frühzeitige Planung und Beratung ist wichtig. Expertin der Herzstiftung erklärt, worauf Patientinnen mit Herzfehler achten sollten
Der Fortschritt in der Medizin macht es möglich: Die meisten Frauen mit angeborenem Herzfehler (AHF) können heute Kinder bekommen. Doch bei Patientinnen mit Kinderwunsch ergeben sich viele Fragen: Wie groß ist das Risiko für Mutter und Kind? Bei welchen angeborenen Herzfehlern ist von einer Schwangerschaft abzuraten? Kann der Herzfehler vererbt werden? „Wichtig ist, dass Frauen mit angeborenem Herzfehler ihre Schwangerschaft frühzeitig planen und sich von einem erfahrenen EMAH-Spezialisten betreuen lassen”, erklärt Prof. Dr. med. Tanja Rädle-Hurst, Kardiologin an der Klinik für Pädiatrische Kardiologie am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg mit Zusatzqualifikation für Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH); derzeit leben bis zu 330.000 EMAH in Deutschland. Die EMAH-Stiftungsprofessorin der Deutschen Herzstiftung betont zugleich, dass Hochrisikopatientinnen nicht nur während der Schwangerschaft und Geburt, sondern auch nach der Entbindung besonders engmaschig betreut werden müssten. Wie sich das Risiko für Komplikationen abschätzen lässt, welche Schwierigkeiten auftreten können und worauf Patientinnen achten sollten, erklärt Rädle-Hurst in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift der Deutschen Herzstiftung und ihrer Kinderherzstiftung „herzblatt“. Ein Probeexemplar dieser herzblatt-Ausgabe 4/2021 kann kostenfrei bei der Herzstiftung angefordert werden unter Tel. 069 955128-400 (Mail: bestellung@herzstiftung.de). Infos für EMAH sind abrufbar unter: www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler/jemah-und-emah
Schon vor der Schwangerschaft beraten lassen
Im Idealfall sollten sich Frauen mit AHF bereits vor Planung der Schwangerschaft von ihrem EMAH-Spezialisten beraten lassen. „Es gibt eine Reihe von Medikamenten, die der Entwicklung des Embryos schaden können“, erläutert Rädle-Hurst. Beispielsweise gelten bestimmte Gerinnungshemmer oder ACE-Hemmer in der Schwangerschaft als ungünstig. Daher sollten zunächst die regelmäßig einzunehmenden Medikamente überprüft und gegebenenfalls ersetzt werden. Weiterhin sollte der Arzt in dem Gespräch über verschiedene Risiken aufklären, über notwendige Kontrollen informieren und über geeignete Möglichkeiten der Entbindung beraten. Die folgende Checkliste hilft beim Gespräch mit dem/der EMAH-Spezialisten/in:
– Überprüfung der Medikamente
– Aufklärung über mütterliches Komplikationsrisiko
– Aufklärung über kindliches Komplikationsrisiko
– Aufklärung über Vererbbarkeit des Herzfehlers
– Beratung zu Geburtszeitpunkt und -modus
Risiko abschätzen, Komplikationen vermeiden
Wie groß das Risiko einer Komplikation während der Schwangerschaft oder Geburt ist, hängt von der Art und der Schwere des angeborenen Herzfehlers ab. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat dazu verschiedene Risikoklassen (mWHO I bis IV) erstellt, die eine Abschätzung möglicher Komplikationen für Mutter und Kind ermöglicht. So ist das Risiko für Schwangere der mWHO-Klasse I – hierzu zählen beispielsweise Frauen mit einer leichten Pulmonalstenose oder nach Verschluss eines Septumdefekts – mit 2,5 bis 5 Prozent nur gering. Hingegen wird Frauen mit schwerer Aorten- oder Mitralklappenstenose (mWHO IV) wegen des hohen Risikos in der Regel von einer Schwangerschaft abgeraten. „Eine gute Pumpfunktion der Hauptherzkammer ohne Hinweis auf eine Herzschwäche ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für einen optimalen Schwangerschafts- und Geburtsverlauf“, betont Rädle-Hurst. Mögliche Komplikationen bei Frauen mit AHF seien beispielsweise das Auftreten von Herzrhythmusstörungen oder sichtbare Zeichen einer Herzschwäche. Das Risiko für Komplikationen beim Kind steigt ebenfalls mit der Schwere der mütterlichen Herzerkrankung. Hier sind insbesondere eine vorzeitige Geburt und ein niedriges Geburtsgewicht zu nennen.
Engmaschige Überwachung auch nach der Geburt
Generell sollten alle Patientinnen mit angeborenem Herzfehler während der Schwangerschaft überwacht werden. Für Schwangere der Risikoklassen mWHO I und II ist jeweils eine kardiale Untersuchung pro Schwangerschaftsdrittel ausreichend. Patientinnen der Risikoklasse mWHO III haben ein deutlich erhöhtes Risiko für Komplikationen, sowohl bei der Mutter als auch beim Kind. EMAH-Patientinnen, die zu dieser Hochrisikogruppe mWHO III zählen, haben komplexe AHF wie eine Transposition der großen Gefäße (TGA), einen systemischen rechten Ventrikel oder nur eine funktionierende Herzkammer (Fontan-Zirkulation). „Sie sollten am Ende der Schwangerschaft und zusätzlich in den ersten zwei Wochen nach der Entbindung besonders engmaschig überwacht werden“, betont die EMAH-Spezialistin Rädle-Hurst. Aufgrund der hormonellen Umstellung nach der Geburt können der Druck und Widerstand in der Lungenstrombahn ansteigen. Da zudem mehr Blutvolumen aus der Peripherie in Richtung Herz verlagert wird, kann dies zu einer Überlastung der rechten Herzkammer mit Zeichen einer Rechtsherzschwäche führen.
Fazit: Die meisten EMAH-Patientinnen können ihr Kind auf normalem Weg zur Welt bringen. Eine Periduralanästhesie (PDA) kann die Belastung während der Geburt verringern. Bei Schwangeren mit komplexen Herzfehlern (mWHO-Klasse III und IV) kann ein geplanter Kaiserschnitt sinnvoll oder sogar notwendig sein.
Wachsende Patientengruppe: Erwachsene mit angeborenem Herzfehler (EMAH)
In Deutschland leben derzeit bis zu 330.000 Erwachsene mit angeborenem Herzfehler. Ihre Zahl steigt durch die Fortschritte in der Medizin und die besseren Überlebenschancen stetig. Um den speziellen medizinischen Belangen von EMAH gerecht zu werden, gibt es deutschlandweit inzwischen mehr als 20 überregionale EMAH-Zentren sowie mehrere Hundert Ärzte, die sich auf die Behandlung von EMAH-Patienten spezialisiert haben.
(CME)
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Das Magazin für ein Leben mit angeborenem Herzfehler „herzblatt“ erscheint viermal im Jahr. Mit ihrer Publikation „herzblatt“ richtet sich die Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung gezielt an die betroffenen Kinder, Jugendlichen und deren Eltern sowie an Erwachsene mit angeborenem Herzfehler. Weitere Infos rund um die Schwangerschaft mit angeborenem Herzfehler und viele weitere Themen bietet die Ausgabe 4/2021 von „herzblatt“. Ein kostenfreies Probeexemplar ist unter Tel. 069 955128-400 oder per E-Mail unter bestellung@herzstiftung.de erhältlich.
EMAH-Ratgeber jetzt kostenfrei anfordern!
Der EMAH-Ratgeber „Leben mit angeborenem Herzfehler im Erwachsenenalter. Ein Leitfaden“ (138 S.) kann kostenfrei unter www.herzstiftung.de/emah-ratgeber oder per Tel. unter 069 955128-400 (E-Mail: bestellung@herzstiftung.de) angefordert werden. Leicht verständlich informieren Herzspezialistinnen und Herzspezialisten auf dem Gebiet der Angeborenen Herzfehler über Versorgungsstruktur, Diagnostik- und Therapiemöglichkeiten, Leben mit angeborenem Herzfehler (Sport, Ernährung, Stress, Reha) und andere Themen wie Impfungen, sozialrechtliche Beratung.
Daten und Fakten zu angeborenen Herzfehlern
Etwa 40 verschiedene angeborene Herzfehler (AHF), viele davon noch mit weiteren Untergruppen, sind bekannt: Das können Veränderungen an den Herzkammern, an den Herzklappen oder an den Trennwänden zwischen den Herzkammern (Loch in der Herzscheidewand) sein. Viele dieser Veränderungen treten sogar kombiniert auf.
Dass die Patientengruppe der EMAH stetig wächst, verdankt sich den Errungenschaften der modernen Medizin, insbesondere der Kinderkardiologie, Kardiologie, Herzchirurgie und Intensivmedizin.
Wenn auch die meisten AHF heutzutage gut behandelbar sind und ein Überleben ins Erwachsenenalter fast gesichert ist, so sind all diese Patienten nicht völlig gesund – der Herzfehler ist in den meisten Fällen zwar „repariert“, aber nicht vollständig „korrigiert“. Selbst bei einfachen, nach Operation häufig als harmlos eingestuften Herzfehlern können sich mit zunehmendem Alter schwerwiegende Probleme einstellen, mit denen man bislang zu wenig gerechnet hat.
Zu den ernsthaftesten Komplikationen gehören ein Versagen des Herzmuskels, Herzrhythmusstörungen, ein Lungenhochdruck, Erkrankungen der Hauptschlagader oder eine Entzündung der Herzklappen und Herzinnenhäute. Leider kann es auch zu Störungen anderer Organe kommen, zum Beispiel der Leber, der Niere oder des Zentralnervensystems.
Auch EMAH können im Verlauf ihres Lebens zusätzliche Herzerkrankungen erwerben, die jeder andere Mensch auch entwickeln kann, beispielsweise die koronare Herzkrankheit (Durchblutungsstörungen des Herzmuskels, die zum Herzinfarkt führen können), Fettstoffwechselstörungen, Diabetes, Schilddrüsenerkrankungen, und andere Organerkrankungen. Solche Zusatzerkrankungen können durchaus den Langzeitverlauf des AHF ungünstig beeinflussen, auch wenn er erfolgreich behandelt wurde.
EMAH: Stetig wachsende Patientengruppe
In Deutschland leben nach Expertenschätzungen bis zu 330.000 EMAH. Diese Patientengruppe wächst jährlich um ca. 6.500.
In jedem Fall lebenswichtig: Der EMAH-Check
Die große Mehrheit der AHF kann heute operativ – einfachere Herzfehlbildungen zum Teil ohne Operation per Kathetereingriff – so gut behandelt werden, dass die meisten Betroffenen ein fast normales Leben mit Beruf und Familie führen. Da die meisten EMAH jedoch nicht geheilt sind, ist eine lebenslange, regelmäßige Nachsorge des Herzfehlers durch einen EMAH-Spezialisten (in der Regel 1- bis 2-mal pro Jahr) unerlässlich. Spätkomplikationen können auch erst viele Jahre nach einer erfolgreichen Behandlung des Herzfehlers eintreten und werden von den Betroffenen nicht immer frühzeitig bemerkt.
Originalpublikation:
Rädle-Hurst, T., Schwangerschaft mit angeborenem Herzfehlerher, in: Deutsche Herzstiftung e. V./Kinderherzstiftung (Hg.), herzblatt. Leben mit angeborenem Herzfehler – Zeitschrift der Kinderherzstiftung der Deutschen Herzstiftung (Ausg. 4/2021), Frankfurt a. M. Dez. 2021.
Weitere Informationen:
http://www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler/jemah-und-emah
http://www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler/jemah-und-emah/emah-…