Schwer klein zu kriegen
Hepatitis E-Virus trotzt alkoholischen Händedesinfektionsmitteln
Gemeinsame Pressemitteilung von TWINCORE, Medizinischer Hochschule Hannover und Ruhr-Universität Bochum
Das Hepatitis E-Virus (HEV) kann eine schwerwiegende Leberentzündung hervorrufen und ist weltweit die häufigste Ursache einer akuten virusvermittelten Hepatitis. Durch geeignete Hygienemaßnahmen lässt sich die Infektion verhindern. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom TWINCORE, Zentrum für Experimentelle und Klinische Infektionsforschung, der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) sowie der Ruhr-Universität Bochum (RUB) haben gemeinsam mit Partnern aus der Industrie und gefördert vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) die Wirksamkeit verschiedener gängiger Händedesinfektionsmittel gegen HEV untersucht. Sie konnten zeigen, dass die meisten Formulierungen das Virus nicht vollständig inaktivieren. Diese Ergebnisse veröffentlichen sie am 24. Januar 2022 im Journal of Hepatology.
Ansteckung an Schweinefleisch
In Deutschland und Europa hat HEV sein natürliches Reservoir in Schweinen. Von den Tieren kann die Infektion auf den Menschen übergehen, man spricht hier von einer Zoonose. Häufig geschieht dies durch nicht vollständig durcherhitzte oder rohe Fleischerzeugnisse wie beispielsweise Mett. In tropischen Regionen der Welt kommt es über verunreinigtes Wasser zu Infektionen mit teils größeren Ausbrüchen. „Manche dieser Ansteckungen ließen sich durch die richtigen Hygienemaßnahmen möglicherweise verhindern“, sagt Dr. Patrick Behrendt, Arzt in der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie der MHH und Leiter der Nachwuchsforschergruppe „Translationale Virologie“ am TWINCORE. Dazu zählt vor allem im klinischen Alltag im Umgang mit Hepatitis-E-Patienten sowie mit infizierten Tieren die korrekte hygienische Händedesinfektion.
Gemeinsam mit dem Team von Prof. Dr. Eike Steinmann, Leiter der Abteilung für Molekulare und Medizinische Virologie an der RUB, hat Behrendt untersucht, ob gängige Händedesinfektionsmittel das Virus unschädlich machen können. „Wir haben die Wirkung der Alkohole Ethanol und Propanol, sowohl einzeln als auch in den von der WHO empfohlenen Mischverhältnissen und außerdem kommerzielle Händedesinfektionsmittel getestet“, sagt Steinmann. „Wirksam war allerdings nur ein Produkt, das noch eine weitere Komponente enthielt.“
Normalerweise kommt HEV unbehüllt vor und ist wie alle unbehüllten Viren sehr widerstandsfähig gegen chemische Einflüsse. Im Blut von Patienten zirkulieren allerdings auch solche Viruspartikel, die von einer Lipidhülle umgeben sind. „Nicht alle Desinfektionsmittel sind gleichzeitig gegen behüllte und unbehüllte Viren wirksam“, sagt Steinmann. „Wir haben für unsere Prüfungen beide Formen von HEV verwendet.“
Alkohol allein wirkt nicht
Obwohl einige der geprüften Desinfektionsmittel für die Inaktivierung von behüllten und unbehüllten Viren zertifiziert waren, waren sie gegen HEV nicht ausreichend wirksam. „Die alkoholischen Komponenten lösen zwar die Lipidhülle auf, aber die entstehenden nackten Viren sind immer noch infektiös“, sagt Behrendt. HEV ist also sprichwörtlich schwer klein zu kriegen. Den entscheidenden Vorteil hatte ein Produkt, das neben Alkohol auch Phosphorsäure enthält. Damit wurden alle Viruspartikel ausreichend neutralisiert.
„Wir konnten zeigen, dass HEV den meisten gängigen Händedesinfektionsmitteln widerstehen kann“, sagt Behrendt. „Wir hoffen, dass diese Erkenntnisse zukünftig in Betracht gezogen werden, wenn Hygienemaßnahmen im Umgang mit kontaminierten Fleischprodukten und HEV-Ausbrüchen empfohlen werden.“
Originalveröffentlichung:
Patrick Behrendt, Martina Friesland, Jan-Erik Wißmann, Volker Kinast, Yannick Stahl, Dimas Praditya, Lucas Hueffner, Pia Maria Nörenberg, Birgit Bremer, Benjamin Maasoumy, Jochen Steinmann, Britta Becker, Dajana Paulmann, Florian H.H. Brill, Joerg Steinmann, Rainer G. Ulrich, Yannick Brüggemann, Heiner Wedemeyer, Daniel Todt, Eike Steinmann
Hepatitis E virus is highly resistant to alcohol-based disinfectants
Journal of Hepatology, 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/j.jhep.2022.01.006