Gerinnungshemmer gegen MS: innovative Forschung findet neuen Ansatz für Off-Label-Therapie

Original Titel:
Rivaroxaban ameliorates disease course in an animal model of multiple sclerosis.

MedWissForschung an Mäusen zeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen bestimmten Molekülen, die für die Blutgerinnung zuständig sind, und Entzündungen im Gehirn und Rückenmark bei MS zu geben scheint. Forscher hoffen hier einen neuen Ansatz zu Behandlung von Multipler Sklerose gefunden zu haben. Ein besonderer Vorteil der Gerinnungshemmer gegen MS: Sie sind bereits zugelassen.


Im Jahr 2016 erhielt Frau Dr. Göbel, Wissenschaftlerin am Neurologischen Institut der Universität Münster, den Forschungspreis der Eva-und-Helmer-Lehmann-Stiftung von dem Kompetenznetz Multiple Sklerose und der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Prämiert wurden ihre innovativen Studien zu den Zusammenhängen von Nervenentzündungen und Blutgerinnung. Dabei zeigte sie, dass bestimmte Gerinnungsfaktoren, Prothrombin, Faktor X und Faktor XII, vor allem bei Patienten mit schubförmiger oder sekundär progressiver Multipler Sklerose, gehäuft im Blut zu finden waren. Die Hemmung eines dieser Faktoren verbesserte das Krankheitsbild im Tiermodell der Multiplen Sklerose. Nun untersuchte sie mit ihren Kollegen, ob Rivaroxaban, das speziell den Gerinnungsfaktor X hemmt, im Tiermodell gegen die Entzündung der Nervenzellen helfen kann.

Im Tiermodell zeigte sich mögliche Wirkung von Gerinnungshemmer bei MS

Die der Multiplen Sklerose ähnliche Erkrankung, die experimentelle Autoimmunencephalomyelitis (EAE), wird in der Medikamentenforschung durch Injektion verschiedener Substanzen in Tieren ausgelöst. Interessanterweise erkrankten bei Rivaroxaban-Behandlung weniger Tiere oder zeigten weniger ausgeprägte Symptome als ohne das Medikament. Gleichzeitig fanden die Forscher weniger Immunzellen, die in das zentrale Nervensystem einwanderten. Auch die wichtigste Abwehr im Nervensystem, die Microglia, die sehr empfindlich gegenüber kleinen Auffälligkeiten im Gehirn reagieren, waren weniger aktiv bei den Tieren, die mit Rivaroxaban behandelt worden waren. Das Mittel wirkt also möglicherweise dadurch, dass es das Einwandern der Immunabwehr durch die Bluthirnschranke in das zentrale Nervensystem verhindert.

Weitere Untersuchungen nötig – Vorteil könnte bereits erfolgte Zulassung im eigentlichen Therapiefeld sein

Die Studie zeigte damit, dass der Gerinnungsfaktor X ein mögliches Therapieziel bei entzündlichen Erkrankungen des menschlichen Nervensystems sein kann. Die Hemmung des Faktor X durch den Gerinnungshemmer Rivaroxaban verbesserte das Krankheitsbild bei den an der Maus-Multiplen Sklerose erkrankten Tieren. Ein positiver Nebeneffekt einer solchen Behandlung beim Menschen wäre, dass Rivaroxaban nicht immunsuppressiv ist. Ein großer Nachteil der üblichen Autoimmun-Therapie wäre damit verschwunden. Noch spannender allerdings ist, dass das Medikament bereits als Gerinnungshemmer zugelassen ist. Seine Verträglichkeit und das Nebenwirkungs- und Risikoprofil sind also gut bekannt. Damit wäre Rivaroxaban nicht nur ein völlig neuer Ansatz in der Behandlung der Multiplen Sklerose, sondern auch schneller als mögliches Multiple Sklerose-Medikament erreichbar als derzeitige Neuentwicklungen.

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