Wie gut ist die Wirkung von Nutrazeutika bei der Multiplen Sklerose belegt?
Original Titel:
Dietary Supplements on Controlling Multiple Sclerosis Symptoms and Relapses: Current Clinical Evidence and Future Perspectives.
- Wirken Nutrazeutika als ergänzende Therapie bei der Multiplen Sklerose?
- Kritischer Review über 40 klinische Studien
- Behandlungsstudien zu 9 Substanzgruppen zeigen verschiedene mögliche Effekte der Nahrungsergänzungsmittel
- Schwache Studienlage: keine klar überzeugende klinische Indikation
MedWiss – Wie gut ist eine Wirkung von Nutrazeutika bei der Multiplen Sklerose (MS) belegt? Nahrungsergänzungsmittel bei MS könnten eine wichtige Rolle als ergänzende Behandlung spielen, ihre Effekte auf die Erkrankung und ihre Folgen sind aber häufig kaum belegt. Griechische Forscher fassten nun die Studienlage zu Nahrungsergänzungsmitteln bei MS zusammen und beschreiben, in welchen Bereichen weitere Forschung wünschenswert und vielversprechend sein könnte.
Bei der Multiplen Sklerose (MS) können sich durch eine fortschreitende Schädigung von Nerven Probleme in verschiedensten Bereichen des Körpers entwickeln. Um dem entgegen zu wirken und die Lebensqualität zu verbessern, werden neben medikamentösen Therapien auch häufig Nahrungsergänzungsmittel bei MS eingesetzt. Deren Wirksamkeit ist aber häufig noch unklar und wurde daher nun in einem kritischen Review der bisherigen klinischen Studien dazu unter die Lupe genommen.
Wirken Nutrazeutika bei der Multiplen Sklerose?
Der Fokus lag dabei auf den möglichen Vorteilen einer Nahrungsergänzung für die Symptomkontrolle und Verzögerung eines Krankheitsschubs. Griechische Forscher durchsuchten die medizin-wissenschaftliche Datenbank PubMed nach klinischen Studien, die Effekte einer Nahrungsergänzung auf Symptome und Krankheitsfortschritt der MS untersuchten.
Studienlage zu Nahrungsergänzungsmitteln bei MS
40 klinische Studien wurden gefunden. Der Ernährungszustand von Patienten mit MS sowie der Ausgleich möglicher Mangelzustände mit einer Nahrungsergänzung wurden darin als Faktoren beschrieben, die einen Krankheitsfortschritt beeinflussen können. Mehrere Studien dokumentierten einen häufigen Mangel an Vitamin A, B12 und D3 bei Menschen mit MS. Aus den klinischen Daten ging besonders ein möglicher antioxidativer und entzündungshemmender Effekt der meisten Nahrungsergänzungsmittel hervor. Solche Effekte sollen nach den bisherigen Studien eventuell besonders depressive Symptome lindern und die allgemeine Lebensqualität verbessern.
Die Forscher betrachteten Behandlungsstudien im Detail gruppiert nach 9 Substanzen oder Extrakten, zu denen Daten aus kontrollierten, randomisierten Studien vorlagen. Mit Omega-6-Fettsäuren (Linolsäure vs. Ölsäure als Kontrolle, 1 Studie, 116 Patienten) fand sich ein sehr schwacher Effekt auf die Dauer und den Schweregrad der Erkrankung, der sich aber nicht im Behinderungsgrad zeigte. Mit Omega-3-Fettsäuren (3 Studien, 153 Patienten) wurden Verbesserung in der Fatigue und eine Stabilisierung der Erkrankung gefunden – eine Studie zeigte aber nur schwache Effekte im Vergleich zum Placebo.
Essenzielle Omega-3-Fettsäuren könnten zur Linderung von Fatigue beitragen
Vitamin B7 (Biotin, 2 Studien, 177 Patienten) schien den Behinderungsgrad in beiden Studien zu verbessern und könnte den Krankheitsfortschritt verzögern. Dies sollte in größeren Studien nun bestätigt werden. Vitamin D sowie Alfacalcidol (eine Form des Vitamin D, 2 Studien, 694 Patienten) schienen sich positiv auf Entzündungsmarker im Blut, Zahl der Rückfälle und die Lebensqualität der Betroffenen auszuwirken.
Antientzündlich und klinisch vielversprechend: Biotin und Vitamin D
Mit Vitamin A (2 Studien, 202 Patienten) wurde eine Linderung von Fatigue und Depression gefunden, ein verlangsamter Krankheitsfortschritt und bessere Denkleistung – eventuell aufgrund antientzündlicher Effekte. Allerdings kann die langfristige Einnahme dieser fettlöslichen Substanz unerwünschte Effekte bewirken. Wirkung und Nebenwirkung müssen demnach weiter in Studien analysiert werden.
Coenzym Q10 (3 Studien, 144 Patienten) schien sich positiv auf den oxidativen Stress (gemessen anhand von Blutwerten) auszuwirken – mögliche klinische Auswirkungen dieses Effekts sind aber bisher unbekannt und müssen in Studien gezielt untersucht werden. Zitronenverbene (Eisenkraut, 1 Studie, 30 Patienten) schien sich auf Entzündungsmarker im Blut auszuwirken. Klinische Effekte dieser ergänzenden Behandlung wurden aber bisher nicht untersucht. Acetyl-L-Carnitin (ALC, 1 Studie, 60 Patienten) verbesserte im Vergleich zur Kontrollsubstanz Amantadin oder Placebo nicht die Fatigue der Patienten. Die Pilotstudie deutete also nicht auf Vorteile dieser Nahrungsergänzung bei der MS.
Nahrungsergänzungsmittel bei MS: Häufig schwache Datenlage, aber vielversprechende Ergebnisse
Die Datenlage deutet somit auf verschiedene mögliche Effekte der Nahrungsergänzungsmittel bei MS. Häufig kommt die antioxidative Wirkung der Substanzen zur Sprache: Eine reduzierte entzündliche Aktivität könnte eventuell Effekte auf die Fatigue, eine verbesserte Lebensqualität sowie eine höhere Lebenserwartung bewirken. Die Studienlage ist allerdings noch sehr schwach, da nur wenige Untersuchungen mit geringer Teilnehmerzahl zu einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln vorliegen. Aktuell gibt es daher keine klar überzeugende klinische Indikation für den ergänzenden Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln zur Linderung der MS-Symptome.
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