Blutgefässbildung: Wie Gefässzellen den Druck des Blutes aushalten
Unsere Blutgefässe müssen komplett dicht sein, damit das durch sie hindurch strömende Blut nicht entweicht. Wenn sich die Gefässe bilden, verstärkt ein Protein besonders solche Verbindungen zwischen den Gefässzellen, die einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Darüber berichten Forschende der Universität Basel.
Unser Körper ist von einem dichten, weitverzweigten Netz von Blutgefässen durchzogen. Die Länge, so schätzt man, beträgt etwa 150’000 Kilometer. Die Adern bringen das Blut zu den entferntesten Regionen im Körper, versorgen die Zellen mit Nährstoffen und Sauerstoff und entfernen Abbauprodukte. Schon ganz früh in der Entwicklung beginnt im Embryo das Herz zu schlagen und erste Gefässe bilden sich. Die Crux ist, dass die Blutgefässe wachsen müssen, während in ihnen das Blut fliesst und sie dabei kein Leck bekommen dürfen.
Bei dieser Bildung der Blutgefässe formen die Gefässzellen einen Hohlraum, in den das Blut hineinströmt. Dadurch wird der Innenraum langsam erweitert. Um diesem Druck standzuhalten, muss die Naht zwischen den Zellen gut verklebt und stabil sein.
Gemeinsam mit Forschenden am Amsterdam University Medical Centers (UMC) hat das Team von Prof. Dr. Markus Affolter am Biozentrum der Universität Basel die Gefässbildung beim Modellorganismus Zebrafisch untersucht. Die Forschenden berichten im Fachjournal «Cell Reports», dass das Protein Vinculin einzelne Nahtstellen mit hoher Druckbelastung punktuell verstärkt und sie gerade in der Anfangsphase der Gefässbildung vor Rissen schützt.
Stark beanspruchte Kontaktstellen bilden «Finger»
Zu Beginn der Gefässneubildung sind die Zellen zunächst hintereinander aufgereiht. Dann schieben sie sich allmählich aneinander vorbei und arrangieren sich schliesslich so, dass im Inneren eine Röhre entsteht. Der Kontakt zu den Nachbarzellen darf sich dabei nicht lösen.
Während die Gefässzellen den Hohlraum formen, übt das hineindrängende Blut auf einige Kontaktstellen einen hohen Druck aus. An diesen Orten bilden sich winzige «Finger», die diese Zellverbindungen stärken und widerstandsfähiger machen.
Bildung der «Finger» mithilfe von Protein Vinculin
«An den beanspruchten Zellkontakten, die durch den Druck des Blutes extrem gespannt sind, sammelt sich das Protein Vinculin an», erklärt Studienleiter Dr. Heinz-Georg Belting. «Es festigt und stabilisiert die Kontaktstelle, indem es die Zellmembran einstülpt und diese typische Fingerstruktur ausbildet. Vinculin ist die treibende Kraft bei der Verstärkung der Kontaktstelle. Wenn es fehlt, entstehen trotz eines hohen Druckes keine solche Finger.»
Sobald sich die Röhre im Innenraum komplett öffnet und das Blut ohne Widerstand hindurchströmen kann, sinkt auch der Druck auf die einzelnen Kontaktstellen. Die Finger bilden sich vollständig zurück.
Physikalische Kräfte beeinflussen Gefässbildung
Welche Rolle der Blutdruck und -fluss oder auch Reibungskräfte insbesondere bei der Entstehung von Blutgefässen spielen, ist immer noch nicht bis ins Detail geklärt. «Wir haben hier nun ein neues System, mit dem wir schauen können, wie die Zellen mit den verschiedenen physikalischen Kräften, die während der Blutgefässbildung auf sie einwirken, umgehen», so Belting.
Um die Blutgefässbildung weiter aufzuklären, wollen die Forschenden in einem nächsten Schritt untersuchen, wie gross die Kräfte an den Zellkontakten sind, wie sich die Kraftverteilung generell verhält und welche weiteren Einflüsse die Bildung der Finger anregen.
Originalpublikation
Maria P. Kotini et al.
Vinculin controls endothelial cell junction dynamics during vascular lumen formation.
Cell Reports (2021), doi: 10.1016/j.celrep.2022.110658
Links
- Forschungsgruppe «Entwicklung von Blutgefässen und komplexen Organen» (Englisch)
Tierexperimentelle Forschung an der Universität Basel