Bevor SARS-CoV-2 über sein Spike-Protein an Proteine (ACE2-Rezeptoren) auf der Oberfläche der Wirtszellen andocken kann, müssen Teile des Spike-Proteins durch Enzyme der Wirtszellen – Proteasen – abgespalten werden. 2020 konnte ein Wissenschaftsteam um Prof. Jindrich Cinatl von der Goethe-Universität und Prof. Martin Michaelis sowie Prof. Mark Wass von der britischen University of Kent in Zellkultur-Experimenten zeigen, dass der Protease-Inhibitor Aprotinin in der Lage ist, die für das Eindringen der SARS-CoV-2-Viren nötige Proteasen zu hemmen und die Vermehrung des Erregers zu stoppen.
In einer weiteren Studie wies das Wissenschaftsteam ebenfalls anhand von Zellkultur-Experimenten nach, dass Aprotinin auch gegen die Delta- und Omikron-Variante von SARS-CoV-2 wirkt.
Jetzt hat eine klinische Phase-III-Studie eines spanischen Forschungsteams unter anderem gezeigt, dass ein Aprotinin-Aerosol die durchschnittliche Verweildauer von COVID-19-Patient:innen im Krankenhaus um fünf Tage verkürzen kann.
Prof. Jindrich Cinatl meint: „Dies zeigt, wie wissenschaftliche Kooperationen auch ohne direkte Verbindungen zwischen Forschungsteams funktionieren. Ich freue mich sehr, dass unsere Zellkulturstudie diese erfolgreiche klinische Studie angestoßen hat.“
Prof. Martin Michaelis sagt: „Die Ergebnisse unserer Zellkulturstudien waren bereits sehr vielversprechend. Es ist toll, dass sich Aprotinin nun auch bei Patientinnen und Patienten als wirksam gegen COVID-19 erwiesen hat.“
Spanische Studie: Francisco Javier Redondo-Calvo et. al.: Aprotinin treatment against SARS-CoV-2: A randomized phase III study to evaluate the safety and efficacy of a pan-protease inhibitor for moderate COVID-19. Eur. J. Clin. Invest. (2022) https://doi.org/10.1111/eci.13776