Infektionen mit SARS-CoV-2 können sehr unterschiedlich verlaufen – sie reichen von Erkältungssymptomen bis hin zu lebensbedrohlichen Zuständen. Deshalb ist es in der klinischen Versorgung von großer Bedeutung, einen potenziell schweren Verlauf zu einem möglichst frühen Zeitpunkt zu erkennen, um dann frühzeitig die richtigen therapeutischen Schritte einzuleiten. Die Immunologin Dr. Stefanie Kreutmair und ihr Team vom Institut für Experimentelle Immunologie der Universität Zürich haben hierzu einen wichtigen Beitrag geleistet.
In einer Studie stellten sie fest, dass bei Menschen, die einen schweren Verlauf von SARS-CoV-2 erleiden, von Beginn an eine bestimmte Gruppe von Killer-T-Zellen im Blut spezifisch erniedrigt ist. Damit haben sie einen potenziellen Biomarker identifiziert, der schon bei der Krankenhausaufnahme im Rahmen eines Bluttests Hinweise auf einen schweren Verlauf geben kann. Für ihre Arbeit erhält Stefanie Kreutmair in diesem Jahr den Theodor-Frerichs-Preis der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin e. V. (DGIM). Der hoch angesehene Preis ist mit 30 000 Euro dotiert.
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In ihrer Untersuchung hat das Team um Stefanie Kreutmair die an der Immunabwehr beteiligten Zellen von 121 COVID-19-Patienten genauer untersucht. Die Ergebnisse wurden verglichen mit den Daten von 21 gesunden Menschen und mit denen von 25 Patientinnen und Patienten, die an einer schweren, aber nicht durch SARS-CoV-2 verursachten Lungenentzündung erkrankt waren.
Menschen mit schwerer Pneumonie anderer Ursache zeigten in weiten Teilen ähnliche Erkrankungsabläufe und Immunreaktionen wie Patienten mit einer Infektion mit SARS-CoV-2: Alle Reserven des Immunsystems werden mobilisiert. Dazu gehört etwa die Alarmierung des Knochenmarks, wo neue Abwehrzellen gebildet werden, die sogenannte „Notfall-Myelopoese“. In beiden Patientengruppen zeigten sich bei schweren Verläufen zudem Zeichen einer Immunparalyse, also einer Hemmung des Immunsystems.
Welche Immunreaktion jedoch spezifisch für SARS-CoV-2 abläuft, war bisher nicht klar – das Wissen darum ist jedoch essenziell, um schwere COVID-19-Fälle auch frühzeitig spezifisch behandeln zu können.
Mit einem neuartigen Analyseverfahren konnten die Forscherin und ihr Team nun identifizieren, worin das Besondere in der Immunantwort bei einem schweren COVID-19-Verlauf liegt: Es ist der Mangel einer bestimmten Gruppe von Killer-T-Zellen im Blut schon bei der Aufnahme in die Klinik. Dies könnte ein wichtiges Frühwarnzeichen für einen schweren Verlauf der SARS-CoV-2-Infektion sein und sich als Indikatorwert eignen.
„Die Ergebnisse könnten unmittelbaren Einfluss auf die Behandlung von Patienten mit COVID-19 im Krankenhaus haben“, erklärt DGIM-Generalsekretär Professor Dr. med. Georg Ertl. „Der Bluttest könnte helfen, das Risiko für einen schweren Verlauf frühzeitig zu erkennen. Diese Patienten könnten dann engmaschiger überwacht und frühzeitig spezifisch gegen SARS-CoV-2 behandelt werden“, so Ertl. Professor Dr. med. Johannes Mann, Vorsitzender des Preiskomitees, erklärt: „Bei einem ausgezeichneten Bewerberfeld und 30 eingegangenen hochrangigen Arbeiten konnten wir uns einstimmig auf die von Dr. Stephanie Kreutmair eingereichte, ausgezeichnete Publikation einigen.“
Der Theodor-Frerichs-Preis der DGIM ist nach dem Internisten Friedrich Theodor von Frerichs benannt, dem Präsidenten des ersten Deutschen Kongresses für Innere Medizin im Jahr 1882. Mit dem Preis würdigt die DGIM die beste zur Bewerbung eingereichte, klinisch-experimentelle Arbeit auf dem Gebiet der Inneren Medizin im deutschsprachigen Raum. Die Fachgesellschaft verleiht die Auszeichnung jährlich im Rahmen der Festlichen Abendveranstaltung ihrer Jahrestagung.
Originalpublikation:
Stefanie Kreutmair et al.: Distinct immunological signatures discriminate severe COVID-19 from non-SARS-CoV-2-driven critical pneumonia. Immunity 2021; 54: 1578-1593.e5.
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