Entzündungsfaktoren helfen bei der Einschätzung des Lungenkrebsrisikos

Das Lungenkrebsrisiko von starken Rauchern lässt sich möglicherweise präziser vorhersagen, wenn die gängige Risikoberechnung auf Basis des Zigarettenkonsums mit einer Analyse von Entzündungsmarkern im Blut kombiniert wird. Das zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum. Die Forscher suchen nach Wegen, Hochrisikopersonen besser zu identifizieren, die besonders von einer CT-basierten Früherkennungsuntersuchung profitieren könnten.

Ob Lungenkrebs frühzeitig entdeckt wird, ist entscheidend für die Überlebenschance der Betroffenen: Während 55 Prozent der Patienten mit einem Lungenkarzinom im Stadium I die ersten fünf Jahre nach der Diagnose überleben, sind es unter den Erkrankten mit Tumoren im fortgeschrittenen Stadium IV weniger als fünf Prozent.

Besonders starke Raucher haben ein sehr hohes Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken. Zahlreiche Studien haben bereits belegt, dass eine Mehrschicht-Computertomographie (CT) mit geringer Strahlendosis geeignet ist, Karzinome in der Lunge in sehr frühen Stadien zu entdecken und damit bei starken Rauchern mit hohem Risiko die Lungenkrebs-Sterblichkeit um bis zu 30 Prozent zu senken.

„Doch solche Untersuchungen können auch schädliche Nebenwirkungen haben, etwa durch die psychische Belastung bei falsch positiven Befunden oder durch die Strahlenexposition“, erklärt Hermann Brenner, Epidemiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und am Nationalen Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg. „Deshalb wäre es sehr wünschenswert, die CT als Früherkennung noch gezielter bei den Personengruppen mit hohem Risiko einsetzen zu können, die ganz besonders davon profitieren könnten.“

Chronische Entzündungen fördern sowohl die Entstehung bösartiger Tumoren als auch das Fortschreiten von Krebserkrankungen. Ein Team um die Erstautorin Megha Bardwaj aus Brenners Abteilung prüfte nun, ob Entzündungsmarker, die sich im Blut messen lassen, die Vorhersagegenauigkeit des Lungenkrebsrisikos verbessern können. Dazu wählten die Forscherinnen und Forscher ein Panel von 92 Biomarkern, die Entzündungen signalisieren, darunter zahlreiche Zytokine und Interleukine. Neue Analyseverfahren, die es erlauben, alle 92 Marker in einem winzigen Probevolumen von nur einem Mikroliter Blut zu bestimmen, erleichterten die Untersuchung.

Das Team nutzte für die aktuelle Arbeit Blutproben der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ESTHER*-Studie. Diese von Brenner geleitete und gemeinsam mit dem Saarländischen Krebsregister durchgeführte Kohortenstudie läuft bereits seit dem Jahr 2000. Für die aktuelle Studie berücksichtigte das Forscherteam die Blutproben von 172 ESTHER-Probanden mit einer Lungenkrebsdiagnose sowie von 285 weiteren Studienteilnehmern, Raucher oder ehemalige Raucher, die nicht an Lungenkrebs erkrankt waren.

Die Forscherinnen und Forscher kombinierten die Entzündungsmarker-Analyse mit einer Vielzahl verschiedener gebräuchlicher Risikoberechnungen, die auf den bekannten Risikofaktoren für Lungenkrebs basieren. In allen Fällen kam der kombinierte Ansatz zu präziseren Vorhersagen. Die Berechnungen der Wissenschaftler zeigten, dass die Bestimmung der Entzündungsmarker die Lungenkrebs-Risikovorhersage deutlich verbessern kann.

„Weitere Untersuchungen zur Bestätigung unserer Ergebnisse stehen noch aus, und es sollten zusätzliche Blutmarker einbezogen werden, um die Risikoeinschätzung noch weiter zu verbessern“, erklärt Brenner und ergänzt: „Wir wollen mit dieser Forschung einen Beitrag dazu leisten, die Früherkennung einer der häufigsten und tödlichsten Krebserkrankungen zu verbessern. Dabei könnten kombinierte Analysen von Blut-Biomarkern und lebensstilbedingten Risikofaktoren eine wichtige Rolle spielen.“

Megha Bhardwaj, Ben Schöttker, Bernd Holleczek, Axel Benner, Petra Schrotz-King and Hermann Brenner: Potential of Inflammatory Protein Signatures for Enhanced Selection of People for Lung Cancer Screening
Cancers 2022, DOI: 10.3390/cancers14092146

* ESTHER: Epidemiologische Studie zu Chancen der Verhütung, Früherkennung und optimierten Therapie chronischer Erkrankungen in der älteren Bevölkerung
ESTHER-Studie