Darmkrebs bei jungen Erwachsenen vorbeugen
Darmkrebs tritt immer häufiger auch bei jüngeren Menschen auf. Ein von Wissenschaftlern des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) koordinierter interdisziplinärer Forschungsverbund will nun nach Faktoren suchen, die die Erkrankung im jungen Alter begünstigen, und Möglichkeiten der personalisierten Prävention identifizieren. Im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Vorhaben mit insgesamt 2,44 Mio. Euro für zunächst 4 Jahre.
Darmkrebs galt lange als typische Alterskrankheit. Erst ab dem 50. Lebensjahr steigen die Erkrankungsraten spürbar an. Doch etwa seit der Jahrtausendwende beobachten Wissenschaftler in vielen Ländern einen beunruhigenden Trend: Die Zahl der Darmkrebsneuerkrankungen bei jüngeren Erwachsenen nimmt kontinuierlich zu. Besonders ausgeprägt fällt der Anstieg bei den 20 bis 29-Jährigen aus mit einer jährlichen Steigerungsrate von fast acht Prozent. Die Wissenschaftler sorgen sich vor allem, dass ein bereits in jüngeren Jahren erhöhtes Darmkrebsrisiko das Erkrankungsrisiko in den späteren Lebensjahren noch weiter in die Höhe treibt.
„Verschiedene Lebensstilfaktoren werden zwar als Ursache diskutiert, doch tatsächlich liegen die Gründe für diesen Anstieg weitestgehend im Dunkeln“, sagt Hermann Brenner, Epidemiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum. „Wir müssen dringend herausfinden, welche Faktoren die Erkrankung in den jüngeren Generationen begünstigen – und wie man diese Erkrankungen weitestmöglich verhüten kann.“
Mit dem Ziel, diese Fragen zu klären, tritt der interdisziplinäre Forschungsverbund „PEARL“ an, der nun vom BMBF als Projekt der Nationalen Dekade gegen Krebs mit 2,44 Millionen Euro über zunächst vier Jahre und bis maximal acht Jahre gefördert wird. „Wir freuen uns, dass Forschung für eine verbesserte Krebsprävention im Rahmen der Nationalen Dekade gegen Krebs einen so hohen Stellenwert hat und mit erheblichen Summen unterstützt wird. Das wird dem großen Potenzial der Präventionsforschung gerecht, die erheblich dazu beitragen kann, die Krebsraten in Zukunft spürbar zu senken“, sagt Michael Baumann, Vorstandvorsitzender des DKFZ.
Leitender Wissenschaftler des PEARL-Verbunds ist Hermann Brenner. Die beteiligten Forscher können auf eine Vielzahl großer Kohortenstudien zur Darmkrebsprävention mit langer Nachbeobachtungszeit zugreifen, die in Brenners Abteilung über die letzten Jahrzehnte aufgebaut wurden. Außerdem können sie die damit verbundenen Daten- und Biobanken nutzen.
„Trotz der steigenden Inzidenzen ist Darmkrebs bei jungen Erwachsenen eine seltene Erkrankung. Nur etwa fünf Prozent aller Fälle treten vor dem 50. Lebensjahr auf“, erklärt Brenner. „Daher sind selbst Studien mit etwa 8000 Darmkrebspatienten und 8000 Kontrollen, wie unsere DACHS-Studie, nicht ausreichend, um gezielt Risikofaktoren oder die molekulare Heterogenität von Darmkrebs bei jungen Erwachsenen zu erforschen. Der PEARL-Verbund wird daher mit noch größeren Kohorten wie etwa der NaKo oder dem Schwedischen Familien-Krebsregister kooperieren und in Zusammenarbeit mit deutschen Darmkrebszentren eine neue, weltweit einzigartige Studie ganz speziell zu Darmkrebs bei jungen Erwachsenen durchführen.
„Bei Darmkrebs gibt es eine Vielzahl an molekularen Subtypen, die auf unterschiedliche Entstehungsweisen hinweisen. Wir vermuten, dass bei den Erkrankungen im jüngeren Alter bevorzugt bestimmte dieser Subtypen eine Rolle spielen“, sagt Michael Hoffmeister vom DKFZ, ebenfalls leitender Wissenschaftler im PEARL-Verbund. Mit einem Teilprojekt des Vorhabens wollen er und seine Kooperationspartner mit einer Kombination neuer molekularpathologischer Methoden und Ansätzen der künstlichen Intelligenz die Tumoren möglichst genau klassifizieren.
„Am Ende ist unser Ziel, Möglichkeiten der personalisierten Prävention zu identifizieren und damit zu verhindern, dass Menschen im jungen Alter mit der furchtbaren Diagnose Darmkrebs konfrontiert werden“, bringt Hermann Brenner die Intentionen des Forschungsverbunds auf den Punkt.
Am PEARL-Forschungsverbund sind außerdem Forscher der Universitäten Heidelberg, Mainz, Köln, Bonn und Aachen beteiligt.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.