Wie kann Geruch Verhalten steuern?
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft fördert die Forschungsgruppe um Professorin Dr. Veronica Egger von der Universität Regensburg im Forschungsprojekt „Modulation der Olfaktion: Wie rekurrente Schaltkreise zustandsabhängiges Verhalten bestimmen“ mit rund 4,2 Millionen Euro.
Hunger und Fortpflanzung gehören zu den wichtigsten Einflussfaktoren für das Verhalten von Tieren. Würmer, Insekten, Säugetiere – die meisten Arten verlassen sich stark auf den Geruchssinn, wenn es darum geht, Nahrung und Fortpflanzungspartner:innen zu finden. Umgekehrt modulieren Stoffwechsel und Libido die Geruchswahrnehmung. Die Forschungsgruppe um Professorin Dr. Veronica Egger von der Universität Regensburg verfolgt dabei einen besonderen Ansatz: Die Mitglieder der Gruppe untersuchen schwerpunktmäßig die vielfältigen und bislang weitgehend unverstandenen Mechanismen der Rückkopplung in vernetzten Schaltkreisen des Nervensystems, welche die Geruchswahrnehmung und Geruchsverarbeitung in Abhängigkeit von verhaltensrelevanten Zuständen steuern. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat in ihrer Jahresversammlung am 28. Juni 2022 entschieden, die Forschungsgruppe um Veronica Egger im Forschungsprojekt „Modulation der Olfaktion: Wie rekurrente Schaltkreise zustandsabhängiges Verhalten bestimmen“ mit rund 4,2 Millionen Euro zu fördern.
Die Funktionsweise des Geruchssinns ist bei allen Arten ähnlich und ein Paradebeispiel für konvergente Evolution, das heißt für gleichartige aber unabhängig voneinander entwickelte Merkmale nicht näher verwandter Arten. Wirbeltiere nehmen Gerüche über eine Nase auf, Insekten über Antennen. Der Weg des Geruchs ins Gehirn und was anschließend passiert, ist aber vergleichbar: Sowohl bei Wirbeltieren als auch bei Insekten hat jede olfaktorische Nervenzelle nur eine von vielen Subtypen olfaktorischer Rezeptoren. Alle Nervenzellen mit dem gleichen Rezeptor münden bei beiden in sogenannten Glomeruli, kugelförmige Strukturen, die dann in höhere Bereiche projizieren, wo Signale von verschiedenen glomerulären Kanälen kombiniert werden. „Über die konvergenten Merkmale dieses ‚Bottom-up-Sinneswegs‘ hinaus gibt es auch auffällige Ähnlichkeiten auf höheren Verarbeitungsebenen, nämlich in den rekurrenten, das heißt rückgekoppelten Schaltkreisen des Riechsystems,“ erklärt die Wissenschaftlerin, deren Team zwölf Arbeitsgruppen an Universitäten und Forschungseinrichtungen in verschiedenen deutschen Städten plus London umfasst. „Veronica Egger leitet mit dieser Forschungsgruppe ein Konsortium, das national und international sichtbar ist. Ich freue mich sehr, dass die DFG ihren spannenden Forschungsansatz würdigt und gratuliere herzlich zu diesem großartigen Erfolg“, freut sich der Vizepräsident für Forschung und Nachwuchsförderung der Universität Regensburg, Professor Dr. Ernst Tamm.
Geschmack wird von der olfaktorischen Wahrnehmung dominiert. Ein Schluck Kaffee, ein Stück Roquefort – der Geruch des Lebensmittels wird über die Nase ausgeatmet und erzeugt Geschmack. Wir erinnern uns: Schnupfen? Dann schmecken die Dinge eher fad. Hunger? Da riecht manches doppelt gut… Jeder Zustand moduliert den Geruchssinn. Essensgerüche können von attraktiv zu unangenehm wechseln oder plötzlich viel attraktiver und leichter wahrnehmbar werden. Aber das ist nicht alles, sagt Veronica Egger: „Eine solche zustandsabhängige Modulation findet auch in anderen Kontexten statt, die – zumindest teilweise – vom Geruchssinn bestimmt werden. Etwa bei sozialen Interaktionen, einschließlich der Paarung, aber auch während der Navigation.“ Navigation ist oft mit der Nahrungssuche verbunden, etwa bei Nagetieren. Oder bei Insekten mit der Suche nach dem optimalen Ort für die Eiablage. Solche Modulationen in den neuronalen Netzen können auch durch Vorerfahrungen und entsprechende Lernprozesse geprägt sein. So werden bestimmte Gerüche in bestimmten Umgebungen bereits erwartet, und die Sensibilität dafür wird erhöht. Nachweise dafür will Veronica Egger in den kommenden Jahren finden und zeigen, dass die neuronalen Netze der Riechsysteme von Nagetieren und Insekten konvergente rekurrente Verschaltungen aufweisen.
Weitere Informationen:
https://www.uni-regensburg.de/biologie-vorklinische-medizin/neurophysiologie/startseite/index.html
https://www.dfg.de/index.jsp