Neuartiges Gerät hilft bei Früherkennung von Hirnerkrankungen
Dominic Senn mag die Herausforderung, auf der grünen Wiese zu starten und etwas Neues zu schaffen. Zusammen mit Mathias Abegg und drei weiteren Kollegen und Kolleginnen hat er machineMD gegründet. Das Spin-Off der Universität Bern will durch eine Kombination von Virtual Reality und Artificial Intelligence Gehirnerkrankungen früher und besser erkennen und zuverlässige Diagnosedaten überall auf der Welt zugänglich machen.
In welchem Bereich ist machineMD tätig?
Wir entwickeln ein neuartiges diagnostisches Gerät, das Neurophthalmoscope, welches eine vollständige, standardisierte und instrumenten-basierte Untersuchung der Verarbeitung der visuellen Information und der Steuerung der Augenbewegungen ermöglicht. Das Gerät basiert auf langjähriger Forschung im Labor von Prof. Dr. Mathias Abegg am Inselspital Bern. Es richtet sich an Augenärztinnen, Neurologen und Orthoptistinnen – diese befassen sich unter anderem mit Schielen oder Augenmuskelstörungen.
Können Sie erklären, wie das Neurophthalmoscope genau funktioniert?
Das Gerät misst Augen- und Pupillenbewegungen, die durch visuelle Reize ausgelöst werden. Acht neuro-ophthalmologische Untersuchungen, einschliesslich Pupillenfunktion und Gesichtsfeldmessungen, sind in einem Mehrzweckgerät vereint. Damit kann eine solide neuro-ophthalmologische Basisuntersuchung durchgeführt werden. Diese spezialisierte Untersuchung steht allen Nutzerinnen und Nutzern zur Verfügung, nicht nur Leuten mit jahrelanger Zusatzausbildung. Die Untersuchung ist immer vollständig und quantitativ, zudem geht sie schnell und kann durch eine medizinische Praxisassistenz durchgeführt werden. Das hat den Vorteil, dass alle Nutzerinnen und Nutzer mit dem gleichen Standard untersucht werden, die Resultate vergleichbarer sind und die Effizienz in der Praxis verbessert wird.
Wie hat Sie die Universität Bern befähigt, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Die Universität Bern hat durch die Forschung im Labor von Prof. Dr. Mathias Abegg die wissenschaftlichen und klinischen Grundlagen für das Neurophthalmoscope gelegt. Weiter unterstützt die Universität Bern machineMD durch gemeinsame Auftritte bei Konferenzen und durch Beratung bezüglich nationalen und internationalen Innovationsförderinstrumenten.
Was hat Sie an der Selbstständigkeit gereizt?
Mich reizt die Möglichkeit, auf grüner Wiese zu starten und etwas Neues zu schaffen. Das ist teilweise anstrengend, gleichzeitig geht ein Raum für Veränderung auf, für einen selbst und für die Art und Weise wie im Team, mit Partnerinnen und Kunden zusammengearbeitet wird. Mich fasziniert auch das Kennenlernen neuer Technologien, Märkten und Geschäftsmodellen.
Nach dem Studium habe ich zuerst zwei, drei Jahre gearbeitet, bevor ich an der ETH ein Doktoratsstudium begann. Das war mir aber zu theoretisch. In der Hälfte bin ich ausgestiegen und habe mit zwei Freunden zusammen mein erstes Startup gegründet. Darauf folgten zwei weitere Startups – das letzte war TWINT – bevor ich bei machineMD eingestiegen bin.
Was ist Ihre Vision?
Unser Ziel ist es, mit dem Neurophthalmoscope jeder Ärztin, jedem Optometristen und jeder Augenoptikerin überall auf der Welt dieselbe diagnostische Qualität zur Verfügung zu stellen, wie wenn sie von hochqualifizierten Spezialistinnen oder Spezialistin käme. Damit wollen wir auch Patientinnen und Patienten erreichen, die heute keinen Zugang zu Fachpersonen haben. Damit ermöglichen wir es, Krankheiten wie MS oder Hirntumore früh zu erkennen. Weiter wollen wir durch die Sammlung standardisierter Daten die diagnostischen Möglichkeiten für die Früherkennung von Hirnerkrankungen ausbauen.
Was raten Sie Studierenden, die den Schritt in die Selbstständigkeit erwägen?
Ich habe in keiner Ausbildung so viel gelernt wie in meinem ersten Startup. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich wünsche allen Studierenden, die Lust auf ein eigenes Startup verspüren, dass sie sich nicht von irgendwelchen Ängsten bremsen lassen – Angst gehört dazu. Für Entscheidungen, die einen nicht umbringen, ist sie aber ein schlechter Ratgeber.
Welchen Rat würden Sie Ihrem studentischen Ich aus heutiger Perspektive geben?
Sei mutig, wage etwas, mach einen guten Job und geniess die Freiheiten, die ein Leben in unseren Breitengraden bieten kann.
SPIN-OFF UNTERNEHMEN
Unter einem Spin-off wird die Abspaltung einer Geschäftseinheit eines Unternehmens und die darauffolgende Gründung eines eigenständigen Unternehmens mit dieser Geschäftseinheit verstanden. Im Universitätsumfeld versteht man unter Spin-offs Firmen, die von Universitätsangehörigen gegründet wurden und auf den Forschungen aufbauen, die an der Universität geleistet wurden.
UNIAKTUELL-REIHE SPIN-OFFS
UNIAKTUELL-REIHE SPIN-OFFS In einer losen Reihe porträtiert das Online-Magazin «uniaktuell» aus der Universität Bern hervorgegangene Spin-offs. Damit soll aufgezeigt werden, wie der Wissenstransfer von der Universität in die Praxis geschaffen wird. Haben auch Sie an der Universität Bern Forschungsergebnisse realisiert und mit einer entsprechenden Spin-off-Gründung den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt? Melden Sie sich bei uniaktuell@unibe.ch, damit wir auch Ihr Unternehmen vorstellen können.
ÜBER MACHINE MD
machineMD ist ein 2019 gegründetes Schweizer Medizintechnikunternehmen, das innovative Lösungen entwickelt, um die Früherkennung von Hirnerkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose und Hirntumoren radikal zu verbessern. Das Unternehmen kombiniert Virtual Reality und künstliche Intelligenz, um Neurologen und Augenärztinnen zuverlässige Diagnosedaten zur Verfügung zu stellen.
ÜBER DOMINIC SENN
Der Berner Dominic Senn studierte Nationalökonomie, Politologie und internationales Recht in Zürich und Madrid. Nach einigen Jahren Forschungs- und Lehrtätigkeit an der Universität, ETH und Fachhochschule entschloss er sich, Unternehmer zu werden und wurde Co-Founder und CEO seines ersten Startups basisnote Ltd. Nach dem Verkauf an Bertelsmann AG wandte sich Dominic Senn seinem nächsten Projekt zu und stieg als Co-Founder und CEO bei Optor AG ein, einem Startup im Bereich B2B Software Development. Optor AG entwickelte sich in den folgenden Jahren sehr gut und ist heute einer der führenden Anbieter von Lösungen für die automatisierte Personaleinsatzplanung. Nach vier Jahren als CEO war Dominic Senn bis 2019 Präsident des Verwaltungsrats. 2015 begann Dominic Senn als Head of Business Development bei TWINT AG zu arbeiten. TWINT wurde in den folgenden Jahren zum erfolgreichsten Anbieter von mobilen Zahlungslösungen in der Schweiz. 2020 wurde Dominic Senn Co-Founder und CEO von machineMD, einem Spin-off der Universität Bern.