In-vitro-Modell bei Lungenfibrose: Echtzeit-Messung der Zellmechanik und Medikamenten-Test möglich

Neue Veröffentlichung von Ali Doryab und Otmar Schmid (Schmid Lab, LHI) in Advanced Materials

Die Lungenfibrose oder “ Lungenvernarbung “ ist eine chronische Erkrankung, die durch übermäßige Fibroblastenproliferation, abnorme Ablagerung von extrazellulärer Matrix, Versteifung des alveolären Lungengewebes und letztlich durch den Verlust der Lungenfunktion gekennzeichnet ist. Das Fehlen heilender Therapien für die Lungenfibrose führt nicht nur zu einer hohen Krankheitslast in der Bevölkerung, sondern ist auch mit erheblichen sozioökonomischen Kosten verbunden.

Forschende am Institut für Lungengesundheit und Immunität (LHI, Helmholtz München) unter der Leitung von Ali Doryab und Otmar Schmid haben nun – gemeinsam mit dem Lehrstuhl für Funktionswerkstoffe für die Medizin und die Zahnheilkunde (Universität Würzburg) – ein organ- und krankheitsspezifisches in vitro Mini-Lungenfibrosemodell entwickelt. Dieses Modell ist außerdem mit einer nicht-invasiven Echtzeit-Überwachung der Zell-/Gewebesteifigkeit ausgestattet, das der direkten, klinisch relevanten Diagnose des Fortschreitens der Fibrose bei medikamentöser Behandlung dient. Dies ermöglicht die gleichzeitige longitudinale Überwachung der Arzneimittelwirksamkeit (Pharmakodynamik) und der Arzneimittelkonzentration im Blut (Pharmakokinetik).

Nachahmung der Prozesse in der Lunge während der Inhalationstherapie

Das humane Dreifach-Kokultur-Fibrosemodell, das Epithel- und Endothelzelllinien in Kombination mit primären Fibroblasten von Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) umfasst, wurde in ein millifluidisches Bioreaktorsystem (CIVIC) integriert.

Dieses Mini-Lungenfibrosemodell ahmt die Mikro-Umgebung der Alveolarzellen während der Inhalationstherapie bei Patienten genau nach durch:

  • Ein zyklisches In-Vitro-Zell-Stretch-System (CIVIC) zur Kultivierung von Zellen an der Luft-Flüssigkeits-Grenzfläche (ALI) mit Medium („Blut“) Perfusion und zyklischer mechanischer Dehnung („Atmung“)
  • Eine neuartige ultradünne, hochdurchlässige und sehr elastische BETA-Membran, die eine direkte Interaktion zwischen Zellen auf beiden Seiten der Membran ermöglicht
  • Eine neuartige nicht-invasive Methode zur Überwachung der Zellmechanik (Gewebesteifigkeit) während therapeutischer Eingriffe

Warum ist das Modell ein wichtiger Durchbruch?

Die derzeitigen präklinischen Modelle der Lungenfibrose sind entweder zu vereinfacht (In-vitro-Modelle) oder werden durch die Unterschiede zwischen Tier und Mensch behindert (In-vivo-Modelle). Eine der größten Herausforderungen für die derzeitigen In-vitro-Modelle ist das Fehlen von Scaffolds (Basalmembranen), die die Bedingungen in der Lunge genau genug nachahmen. Die ultradünne, elastische und filigrane Architektur des Alveolargewebes muss einer kontinuierlichen mechano-elastischen Belastung durch die zyklische Dehnung bei der Atmung standhalten.

Die Gruppe entwickelte eine artifizielle Basalmembran, die diese Herausforderungen meistert, besiedelte sie mit drei wichtigen Effektorzellen der Lungenfibrose und zeigte ihre klinische Relevanz, indem sie vorhersagte, dass das oral verabreichte Fibrosemedikament Nintedanib als Inhalationstherapie wirksamer sein würde. Dieses Ergebnis stimmt mit präklinischen In-vivo-Daten überein, wurde aber noch nicht durch klinische Studien bestätigt. Es wird erwartet, dass dieses Modell die Vorhersagefähigkeit präklinischer Modelle verbessern und die Entwicklung zugelassener Therapien für Lungenfibrose erleichtern wird.

Publikation:

Doryab, Ali et al (2022): Mechanics as a Clinically Relevant Readout of an In Vitro Lung Fibrosis Model Established on a Bioinspired Basement Membrane. Advanced Materials. DOI: https://doi.org/10.1002/adma.202205083