Alkoholkonsum reduzieren – Darmkrebsrisiko senken
Übermäßiger Alkoholgenuss steigert das Darmkrebsrisiko – und zwar unabhängig von möglichen genetischen Risikofaktoren. Das zeigten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) mit Hilfe statistischer Analyseverfahren anhand von Daten einer in Südwestdeutschland laufenden Fall-Kontrollstudie. Menschen, die wenig Alkohol trinken, erkranken seltener und später als Personen, die viel alkoholische Getränke konsumieren.
Darmkrebs ist in seltenen Fällen direkt erblich bedingt. Daneben können aber auch eine Vielzahl häufigerer genetischer Varianten das Risiko für Darmkrebs steigern. Das Ausmaß dieses genetischen Risikos kann mit Hilfe eines sogenannten polygenen Risikoscores bestimmt werden. Er gilt als ein möglicher Ansatzpunkt auf dem Weg zu personalisierten, risikoadaptierten Darmkrebs-Vorsorgestrategien.
Neben der genetischen Veranlagung haben aber auch die Lebensgewohnheiten einen großen Einfluss auf das Darmkrebsrisiko, speziell auch auf das Risiko einer besonders frühen Erkrankung.
Heidelberger Wissenschaftler untersuchten nun das Darmkrebsrisiko in Abhängigkeit von der genetischen Ausstattung einer Person und deren Alkoholkonsum. Die Forscher analysierten Daten von 5104 Darmkrebspatienten und 4131 Kontrollpersonen der DACHS-Studie (Darmkrebs: Chancen der Verhütung durch Screening), einer seit 2003 laufenden Fall-Kontroll-Studie zu Darmkrebs in Südwestdeutschland. Im Rahmen der Studie wurden genetische Daten der Teilnehmer erhoben. Außerdem wurden sie zu ihren Lebensgewohnheiten befragt. Unter anderem wurde ermittelt, wie viel Bier, Wein und Schnaps sie in verschiedenen Lebensphasen bis zum Zeitpunkt der Befragung (Kontrollpersonen) oder der Krebsdiagnose (Darmkrebspatienten) durchschnittlich konsumiert haben. Für jede Lebensdekade sollen die Probanden ihren Alkoholkonsum einschätzen.
Aus den Angaben der Studienteilnehmer berechneten die Heidelberger Wissenschaftler mithilfe statistischer Methoden die Wahrscheinlichkeit, an Darmkrebs zu erkranken, und zwar über verschiedene Stufen des genetischen Risikos hinweg. Die Analysen ergaben, dass Personen, die durchschnittliche oder überdurchschnittliche Mengen Alkohol (z. B. zwei oder mehr Gläser Bier pro Tag) konsumierten, deutlich häufiger an Darmkrebs erkrankten als Personen, die nur wenig Alkohol* tranken.
„Wir konnten zeigen, dass hoher Alkoholkonsum besonders stark mit dem Risiko einer bereits in jüngeren Jahren auftretenden Darmkrebserkrankung assoziiert ist. Dieses Risiko multipliziert sich mit dem gemessenen genetischen Risiko“, sagt der Epidemiologe Herrmann Brenner vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „Das heißt umgekehrt, dass das Darmkrebsrisiko, gerade auch bei einem relativ hohen genetischen Risikoprofil, durch einen gesunden Lebensstil ohne übermäßigen Alkoholkonsum deutlich vermindert werden kann.“
Die Reduktion des Alkoholkonsums könnte das Risiko für Darmkrebs, insbesondere für Darmkrebs in relativ jungen Jahren, in einem Maße verringern, das einem viel niedrigeren genetisch bedingten Risiko entsprechen würde. Ähnliches hatten die Forscher zuvor auch bereits für den Verzicht auf das Rauchen gezeigt. „Das verdeutlicht das große Potenzial der Prävention“, so Brenner. „Darmkrebs ist in den allermeisten Fällen kein genetisch vorbestimmtes Schicksal. Durch einen gesunden Lebensstil und die Nutzung der Darmkrebsvorsorge kann jeder selbst dazu beitragen, dass das Risiko an diesem Krebs zu erkranken, sehr gering bleibt.“
Chen X, LI H, Guo F, Hoffmeister M, Brenner H. Alcohol Consumption, Polygenic Risk Score, and Early- and Late-Onset Colorectal Cancer Risk. eClinicalMedicine 2022, DOI: https://doi.org/10.1016/j.eclinm.2022.101460
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs. Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.