Individualisierte Medikamente mittels 3D-Druck
Forschungskonsortium entwickelt neues Verfahren
3D-gedruckte Medikamente können sehr genau auf das jeweilige Krankheitsbild zugeschnitten werden, was die Wirkung verbessert und Nebenwirkungen verringert. Um die Technologie praxistauglicher zu machen, haben die TH Köln und die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU) im Projekt HME 3D ein neues Druckverfahren entwickelt. Durch dieses können mehr Wirkstoffe und Trägermaterialien verdruckt werden.
Bei der meistverwendeten 3D-Drucktechnologie wird Kunststoff geschmolzen und zu langen Fäden geformt, den sogenannten Filamenten. Der 3D-Drucker schmilzt diese erneut auf und formt daraus das Endprodukt. „Wenn in einem solchen Prozess pharmazeutische Polymere verwendet und zweimal erhitzt werden, schadet das den darin enthaltenen medizinischen Wirkstoffen. Zudem sind Filamente aus pharmazeutischem Polymer häufig zu weich oder zu spröde und lassen sich nicht zuverlässig drucken. Daher haben wir einen Prozess entwickelt, bei dem der Kunststoff direkt verdruckt wird, ohne dass vorher ein Filament erzeugt wird“, erläutert Ines Haase vom Institut für Produktentwicklung und Konstruktionstechnik der TH Köln.
„Unser Anwendungsgebiet ist vor allem die Pädiatrie. Aufgrund des schnellen Wachstums von Kleinkindern und Kindern müssten die Medikamentendosen eigentlich in sehr kleinen Schritten angepasst werden. Dies ist auf dem Markt so nicht abgebildet. Wenn die behandelnden Ärztinnen oder Ärzte die benötigte Dosis berechnen, könnten wir das Medikament auf Rezept exakt drucken“, ergänzt Prof. Dr. Julian Quodbach, der das Projekt am Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der HHU geleitet hat und jetzt Professor an der Universität Utrecht ist. Auch in der Präzisionsmedizin, die Arzneistoffe patientengenau dosiert, kann das Verfahren Anwendung finden. Möglich sind Chargengrößen zwischen einer und mehreren Tausend Tabletten.
Neues Druckverfahren
Ein Team des Labors für Fertigungssysteme der TH Köln entwickelt dafür ein neuartiges Druckverfahren. Den Ausgangspunkt bildet ein Schmelzextruder, der Polymere und Wirkstoffe schmilzt und mischt. Dieses Material wird in den Druckkopf transportiert und zu Tabletten geformt. „Die Schmelzextrusion ist ein kontinuierlicher Prozess – es kommt also immer die gleiche Menge Material aus der Maschine. Der 3D-Druck hingegen ist ein diskontinuierlicher Prozess, denn nach jeder Tablette muss der Druck unterbrochen werden“, so Haase. Um dieses Problem zu lösen, ergänzte das Team einen zusätzlichen Pufferspeicher, der sich im Laufe des Prozesses mit dem überschüssigen Material füllt.
Eine weitere Herausforderung: Die Schmelzextrusion erfolgt horizontal; gedruckt wird aber vertikal. Daher muss die geschmolzene Masse umgeleitet werden. „Die verwendeten pharmazeutischen Materialien sind sehr empfindlich. Wir mussten dafür sorgen, dass die Umlenkung keinen negativen Effekt auf die Qualität der Schmelze hat. Trotzdem muss die verwendete Technik einfach gehalten sein, da sie nach den Vorgaben der ‚Good Manufacturing Practice‘ für Anlagen in der pharmazeutischen Produktion nach jedem Extrusionsprozess einfach zu demontieren und zu reinigen sein muss“, sagt Haase. Im Laufe des Projekts entstand ein Prototyp, der an der HHU getestet wurde.
Neue Materialien
Die HHU-Pharmazeuten hatten sich parallel mit der Entwicklung der zu verdruckenden Materialien beschäftigt. „Die neue Technologie hat es uns ermöglicht, über eine deutlich breitere Palette an Trägermaterialien und Wirkstoffen nachzudenken. Denn der schonendere Umgang mit dem Material lässt zu, dass auch empfindlichere Wirkstoffe verarbeitet werden können. Zudem ist es möglich, auch Lipide, also Fettstoffe, als Trägermaterial zu verwenden. Damit weiten wir das Feld der möglichen Arzneistoffe noch einmal deutlich, denn eine ganze Reihe von interessanten Wirkstoffkandidaten lässt sich nicht in Polymeren verarbeiten“, so Arne Schulzen, Doktorand am Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der HHU.
Um Polymere und Lipide mit den benötigten Eigenschaften herzustellen, unternahm das Team der HHU umfangreiche Entwicklungs- und Testreihen. „Die Anforderungen an die Stoffe sind ausgesprochen umfangreich: Denn auf der einen Seite müssen sich die medizinischen Wirkstoffe gut in ihnen verteilen. Auf der anderen Seite müssen sie im Druckprozess gut funktionieren, damit wir eine gleichmäßige Förderung erhalten. Dazu sind Parameter wie die Temperatur im Extruder zu beachten“, so Quodbach. In einem nächsten Schritt kann auch der Druck von Wachsen erprobt werden, um noch mehr Möglichkeiten in der Herstellung zu erhalten.
Das Projekt „HME 3D – 3D-Druck pharmazeutischer Darreichungsformen mittels Schmelzextrusion“ wurde über das Programm „Industrielle Gemeinschaftsforschung“ (IGF) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Mit dem Programm unterstützt das Ministerium unter anderem Grundlagenforschung mit Fokus auf industrielle oder kommerzielle Anwendungsbereiche.