Migräne

CGRP-Migräneantikörper für Menschen mit Raynaud-Risiko eventuell problematisch

Original Titel:
Calcitonin gene-related peptide-targeting drugs and Raynaud's phenomenon: a real-world potential safety signal from the WHO pharmacovigilance database

Kurz & fundiert

  • CGRP: Wichtig bei Migräne, aber auch starker Vasodilator
  • Starke Hemmung des Vasodilators CGRP durch Antikörper gegen Migräne
  • Analyse von Daten der WHO zu Problemen mit starker Vasokonstriktion (Raynaud-Phänomen/-Syndrom) bei Migränetherapie
  • Häufung von Raynaud-Phänomen-Fällen bei Antikörper-Migräneprophylaxe
  • Signifikant mehr Fälle als mit Triptanen oder Beta-Blockern
  • CGRP-Antikörper für Menschen mit Raynaud-Risiko eventuell problematisch

 

MedWiss – Die starke Hemmung eines Vasodilators geht mit der Möglichkeit für stärkere Vasokonstriktion, also engerwerdenden Blutgefäßen mit reduziertem Blutfluss, einher. Mangel am Vasodilator CGRP ist daher mit dem Raynaud-Syndrom assoziiert, bei dem bleiche, blutleere und schmerzende Finger auftreten. Eine Analyse von Meldungen in einer WHO-Datenbank fand nun eine Häufung solcher Fälle bei Behandlungen mit Migräne-Antikörpern. Bei Migränepatienten mit familiär oder aufgrund einer weiteren chronischen Erkrankung erhöhtem Risiko sollte diese mögliche Nebenwirkung bedacht werden.


Migräne ist eine stark beeinträchtigende, chronische Erkrankung, die eine enorme Last für Betroffene, Angehörige und aufgrund der immensen Zahl Betroffener auch für die Gesellschaft darstellt. Umso größer ist die Bedeutung der neuen Antikörper gegen das “Migräneeiweiß” CGRP (calcitonin gene-related peptide) oder seinen Rezeptor. CGRP ist ein starker Vasodilator und spielt eine Schlüsselrolle bei Migräneattacken. Allerdings geht die starke Hemmung eines Vasodilators mit der Möglichkeit für stärkere Vasokonstriktion, also engerwerdenden Blutgefäßen mit reduziertem Blutfluss, einher. CGRP-Mangel ist daher mit dem Raynaud-Phänomen oder Raynaud-Syndrom assoziiert, bei dem eine abnormale Vasokonstriktion an den Fingern auftritt. Dies tritt klassischerweise im Rahmen von Autoimmunerkrankungen wie der Systemischen Sklerose, rheumatoider Arthritis oder Lupus erythematodes auf, wird meist von Kälte getriggert und führt nicht nur zu frierenden, sondern blutleeren (blassen) und schmerzenden Fingern, die Schaden nehmen können, wenn der Blutfluss nicht wieder in Gang gebracht werden kann. Forscher untersuchten nun, ob es in Zusammenhang mit der Migräne-Antikörperprophylaxe eine Häufung von Fällen des Raynaud-Phänomen geben könnte.

Starke Hemmung des Vasodilators CGRP: Problematische Effekte der Migräneprophylaxe?

Dazu analysierten sie Daten der WHO (World Health Organization) aus der Echt-Welt-Behandlung. Alle Berichte zum Raynaud-Phänomen im Kontext einer Medikation, die auf CGRP abzielte, wurden ermittelt. Eine Häufung solcher Berichte wurde statistisch als Informations-Komponente bestimmt. Mit einem 95 %-Konfidenzintervall (95 % KI) wurde abgeschätzt, ob die jeweilige Medikation einen Einfluss auf die Häufigkeit des Raynaud-Phänomen hatte. Da Migränepatienten allgemein bereits eine Neigung zum Raynaud-Phänomen haben, berechneten die Forscher diese Werte auch für Akutmedikationen wie Triptane und Beta-Blocker, die ebenfalls zur Migräneprophylaxe eingesetzt werden.

Insgesamt 99 Berichte zum Raynaud-Phänomen wurden in der Datenbank der WHO im Kontext einer CGRP-Antikörpertherapie erfasst. Meist handelte es sich bei der eingesetzten Therapie um Erenumab, mit 56 Berichten (56,6 %). Die mediane Zeit bis zum Eintreten des Raynaud-Phänomens betrug 84 Tage. Es traten keine Todesfälle auf, jedoch entwickelte ein Patient Gangrene und Nekrosen an Extremitäten. Zusammen waren auf CGRP abzielende Antikörper signifikant mit dem Raynaud-Phänomen assoziiert, mit einer Informations-Komponente von 3,3 (95 % KI: 3,0 – 3,5). Es gab eine disproportionale Häufung von Raynaud-Phänomen-Berichten mit den Antikörpern gegen CGRP oder seinen Rezeptor im Vergleich zu Triptanen (Informations-Komponente: 0,4; 95 % KI: 0,1 – 0,6) und im Vergleich zu Beta-Blockern (Informations-Komponente: 0,5; 95 % KI: 0,2 – 0,7).

Häufung von Raynaud-Phänomen-Fällen bei Antikörpertherapie zur Migräneprophylaxe

Die Forscher fanden somit in den Datenbanken der WHO eine signifikante Häufung von Fällen übermäßiger Vasokonstriktion (Raynaud-Phänomen) im Rahmen einer Behandlung mit Antikörpern gegen CGRP oder seinen Rezeptor zur Migräneprophylaxe. Die Häufung blieb auch im Vergleich zu sonstigen Migränebehandlungen wie Triptanen oder Beta-Blockern bestehen. Die CGRP-Blockade ist somit einerseits eine wichtige Chance für Migränepatienten, die mit anderen Medikamenten keine ausreichende Besserung ihrer chronischen Erkrankung erreichen können. Andererseits kann diese Behandlung das physiologische Gleichgewicht der Blutgefäßkontrolle beeinflussen und so bei Patienten mit entsprechendem Risiko offenbar zu problematischen Gefäßverengungen führen. Dieser Faktor der Sicherheit von CGRP-Antikörpern sollte demnach weiter untersucht und bei der Behandlung von Migränepatienten, die familiär oder aufgrund einer weiteren chronischen Erkrankung ein erhöhtes Risiko haben, bedacht werden.

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