Im richtigen Moment pausiert
Internationales Forschungsteam aus Konstanz und Paris entschlüsselt molekularen Mechanismus, der einen bedeutsamen Schritt bei der Reifeteilung von Eizellen steuert.
Die Zellteilung zur Erzeugung unserer Keimzellen – Eizelle und Spermium – birgt eine Besonderheit: Da bei der Befruchtung männliche und weibliche Keimzelle verschmelzen, muss bei ihrer Entstehung der normalerweise in doppelter Ausführung vorliegende Chromosomensatz unseres Erbguts zunächst halbiert werden. Ohne diese Halbierung würde jede Befruchtung zu einer Verdopplung der Chromosomen führen – mit schwerwiegenden Folgen für den Embryo. Diese besondere Form der Zellteilung bei Keimzellen wird auch Reifeteilung oder Meiose genannt und findet in zwei Schritten statt, Meiose I und Meiose II, in denen die Halbierung des Chromosomensatzes nach einem bestimmten Muster abläuft.
„Bei der Entwicklung von Eizellen ist der Vorgang sogar noch ein wenig komplexer als bei Spermien, denn die Reifeteilung muss insgesamt zweimal pausiert werden: einmal in Meiose I und einmal in Meiose II“, erklärt Thomas Mayer, Professor für Molekulare Genetik an der Universität Konstanz. Beide Pausen werden auf unterschiedliche Weise reguliert und unterscheiden sich in ihrer Funktion. Die Erste erlaubt der entstehenden Eizelle das Wachstum und die Aufnahme von Nährstoffen, während der zweiten Pause wartet die inzwischen gereifte Eizelle auf ihre Befruchtung. „Die zweite Pause verhindert so, dass sich der Embryo aus einer unbefruchteten Eizelle entwickelt. Sie ist deshalb von enormer Bedeutung für unsere Fortpflanzung und ihr richtiges Timing ist essentiell“, so Mayer. Wie genau diese zweite Pause gesteuert wird, insbesondere wie verhindert wird, dass sie bereits verfrüht in der ersten Reifeteilung eintritt, war bis dato nicht bekannt.
Schlüsselrolle eines bisher wenig erforschten Proteins
Gemeinsam mit KollegInnen der Sorbonne Université in Paris ist es Mayer und seinem Team nun gelungen, Licht ins Dunkel zu bringen. In ihrer aktuellen Veröffentlichung in Developmental Cell beschreiben sie erstmalig das Zusammenspiel der beiden Proteine „Cyclin B3“ und „Emi2“ bei der zeitlichen Steuerung des Vorgangs. Cyclin B3 kommt ausschließlich in Eizellen vor und hat in der Forschung bisher vergleichsweise wenig Beachtung gefunden. Von Emi2 war dagegen bereits bekannt, dass es direkt verantwortlich für die Pause in Meiose II ist: Liegt es in einer ausreichenden Menge vor, wird die Reifeteilung pausiert.
Am Beispiel der Eizellen von Fröschen und Mäusen konnten die Forschenden nun zeigen, dass Cyclin B3 während der ersten Reifeteilung die Verfügbarkeit von Emi2 unter diesem kritischen Schwellenwert hält, indem es in Verbindung mit einem weiteren Protein dessen Abbau bewirkt. So wird ein verfrühtes Eintreten der Pause verhindert. Am Ende von Meiose I wird Cyclin B3 dann selbst abgebaut. In Meiose II kann die Verfügbarkeit von Emi2 daher in der Abwesenheit von Cyclin B3 ansteigen, bis es in ausreichender Menge vorliegt, um die zweite Reifeteilung genau im richtigen Moment zu pausieren.
Tatsächlich führt der vollständige Verlust von Cyclin B3 sowohl in Frosch- als auch in Mäuseeizellen zu einer verfrühten, Emi2-vermittelten Pause in Meiose I, wie die Forschenden im Experiment nachweisen konnten. „Die Ähnlichkeit der Abläufe zwischen Fröschen und Mäusen deutet darauf hin, dass sich diese Funktion von Cyclin B3, die von großer Wichtigkeit für unsere Fortpflanzung ist, bereits früh in der Evolution der Wirbeltiere entwickelt hat und seitdem unverändert besteht“, schlussfolgert Mayer. Diese Vermutung wird durch die Tatsache untermauert, dass Frauen, welche eine Mutation im Cyclin B3 aufweisen, unter wiederkehrenden Fehlgeburten leiden.
Faktenübersicht:
- Originalpublikation: Bouftas et al. (2022) Cyclin B3 implements timely vertebrate oocyte arrest for fertilization. Developmental Cell; DOI: https://doi.org/10.1016/j.devcel.2022.09.005
- Studie zur molekularen Steuerung des zeitlichen Ablaufs der Reifeteilung von Wirbeltiereizellen
- Prof. Dr. Thomas Mayer leitete die Studie auf deutscher Seite. Mayer ist Professor für Molekulare Genetik am Fachbereich Biologie der Universität Konstanz. Auf französischer Seite waren Forschende der Sorbonne Université in Paris an dem Projekt beteiligt.
- Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), Fondation pour la Recherche sur le Cancer (ARC), Agence Nationale de la Recherche (ANR), Fondation de la Recherche Médicale (FRM), Sorbonne Université und Centre national de la recherche scientifique (CNRS)