Belastung durch mehrere chronische Erkrankungen im fortgeschrittenen Alter stellt ein größeres Risiko für die Eigenständigkeit dar
Original Titel:
Trajectories of functional decline in older adults with neuropsychiatric and cardiovascular multimorbidity: A Swedish cohort study
MedWiss – Diese schwedische Studie fand heraus, dass neuropsychiatrische Erkrankungen wie Demenzen ein Risikofaktor für den allmählichen Verlust der Alltagsfunktionalität im Alter darstellen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellten im Gegensatz dazu eher ein Problem für die Mobilität dar. Treten solche Erkrankungen aber gemeinsam auf, steigert sich der Einfluss auf die Unabhängigkeit noch weiter. Generell sollten demnach sowohl Patienten als auch Ärzte, gerade bei gleichzeitigem Auftreten mehrerer Erkrankungen, ein Auge auf mögliche Einschränkungen der Eigenständigkeit haben. Je früher erste Einschränkungen erkannt werden, desto eher kann unterstützt, gefördert und so einem weiteren Abbau vorgebeugt werden.
Sogenannte Multimorbidität, also eine Belastung durch mehrere chronische Erkrankungen, wird mit zunehmendem Alter häufiger. Dadurch werden natürlich nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Lebensqualität negativ beeinflusst. Vor allem Herz-Kreislauf-Erkrankungen und neuropsychiatrische Erkrankungen sind weit verbreitet und treten häufig gemeinsam bei den Betroffenen auf. Als neuropsychiatrisch gelten beispielsweise Demenzerkrankungen. Wie funktional ein Mensch in fortgeschrittenem Alter ist, also ob man für sich selbst sorgen, eigenständig planen und handeln kann, ist auch stark mit der Gesundheit des Menschen verbunden. Chronische Erkrankungen belasten die Funktionalität und damit die Eigenständigkeit der Patienten. In welchen Lebensbereichen Menschen aber an Fitness und Funktion verlieren, unterscheidet sich sehr stark von Mensch zu Mensch. Forscher fragten nun, ob sich diese besonders betroffenen Lebensbereiche vielleicht weniger individuell, sondern mehr krankheitsbedingt unterscheiden. Dazu untersuchten Wissenschaftler rund um den Alterungsforscher Dr. Vetrano vom schwedischen Karolinska Institut und der Universität Stockholm die funktionellen Unterschiede zwischen älteren Menschen und verglichen sie mit den jeweils vorliegenden Herz-Kreislauf- oder neuropsychiatrischen Erkrankungen. Ein solch verbessertes Verständnis zwischen Krankheiten und ihren Folgen auf das Leben der Menschen könnte dazu beitragen, Menschen mit höherem Risiko, also schlechterer Prognose, früher zu erkennen und entsprechend besser zu unterstützen.
Wie wirken sich Herz-Kreislauf-Krankheiten und neuropsychiatrische Krankheiten, allein und gemeinsam, auf die Unabhängigkeit im Alter aus?
Im Rahmen einer größeren schwedischen Studie zu Alterung und Pflege untersuchten die Forscher Gesundheit und Funktionalität von 2385 Menschen über 60 Jahren (zwischen 60 und 101 Jahren). Die Teilnehmer wurden zu Beginn der Studie (zwischen 2001 und 2004) klinisch untersucht. Anschließend fanden alle 3 oder 6 Jahre für bis zu 9 Jahre eine Nachuntersuchung statt. Ein eventueller Abbau der Funktionalität wurde über den Zeitraum von 9 Jahren anhand der gemessenen Mobilität (Gehgeschwindigkeit in m/s) und Unabhängigkeit (Fähigkeit, mindestens sechs Alltagsaktivitäten durchzuführen, ADL vom engl. activities of daily living) ermittelt.
Messung von Gehgeschwindigkeit und Alltagsfähigkeiten über einen Zeitraum von 9 Jahren
Tatsächlich bauten ältere Menschen mit mindestens einer neuropsychiatrischen Erkrankung schneller funktionell ab als Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Wenn diese beiden Erkrankungsarten allerdings gemeinsam auftraten, steigerten sie den Verlust an Funktionalität noch weiter. Im Verlauf der 9 Jahre dauernden Nachsorge wurde deutlich, dass eine Kombinationen der Krankheiten (im Vergleich zu gesunden Kontrollpersonen) zu den größten Verlusten in Gehgeschwindigkeit (bis zu 0,7 m/s) und Alltagsfähigkeiten (bis zu drei zusätzliche Funktionseinbußen im standardisierten ADL-Test) führten. Die Menschen wurden also weniger mobil und waren stärker auf Hilfe von außen angewiesen. Herz-Kreislauf-Krankheiten allein betrachtet schränkten vor allem die Mobilität der Betroffenen zunehmend ein (gemessen anhand der Gehgeschwindigkeit). Neuropsychiatrische Erkrankungen dagegen betrafen typischerweise sowohl die Mobilität als auch die Alltagsfunktionen und -unabhängigkeit.
Multimorbidität im Blick: Früherkennung möglicher Einschränkungen der Eigenständigkeit
Zusammenfassend zeigte sich damit, dass neuropsychiatrische Erkrankungen wie Demenzen ein Risikofaktor für den allmählichen Verlust der Alltagsfunktionalität im Alter darstellen. Herz-Kreislauf-Erkrankungen stellten im Gegensatz dazu eher ein Problem für die Mobilität dar. Generell sollten demnach sowohl Patienten als auch Ärzte, gerade bei einer Multimorbidität, ein Auge auf mögliche Einschränkungen der Eigenständigkeit haben. Je früher erste Einschränkungen erkannt werden, desto eher kann unterstützt, gefördert und so einem weiteren Abbau vorgebeugt werden.
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