Depression
Behandlungsresistente Depression und Therapienebenwirkungen
Original Titel:
Occurrence of Side Effects in Treatment-Resistant Depression: Role of Clinical, Socio-Demographic and Environmental Characteristics
Kurz & fundiert
- Behandlungsresistente Depression viel zu häufig
- Nebenwirkungen von Antidepressiva können zu vorzeitigem Therapieabbruch führen
- Querschnitts-Studie in Frankreich zu Parametern im Zusammenhang mit Nebenwirkungen
- 108 Patienten mit behandlungsresistenter Depression
- Stärker individuell zugeschnittene Therapie nötig, um Nebenwirkungen zu vermeiden und antidepressive Therapieerfolge zu ermöglichen
Behandlungsresistente Depression wird bei Therapieversagen mit mindestens zwei verschiedenen Antidepressiva diagnostiziert. Etwa 60 % der Patienten mit Depression erreichen keine Symptomfreiheit mit einer antidepressiven Behandlung in Erstlinie, 30 % werden als behandlungsresistent eingestuft. Um eine Behandlungsresistenz als gesichert anzusehen, muss jedoch feststehen, dass die Diagnose korrekt ist, die Behandlung in einer korrekten Dosierung verabreicht wurde und die Dauer der Behandlung ausreichend lang war. Bei manchen Antidepressiva scheint eine gewisse Mindestdauer der Behandlung notwendig zu sein, bis eine Unwirksamkeit festgestellt werden kann. Manche Medikamente müssen eine spezifische Plasma-Konzentration für die therapeutische Wirkung erreichen. Da Nebenwirkungen einen wesentlichen Faktor bei vorzeitigen Behandlungsabbrüchen darstellen, können sie zu einer scheinbaren Behandlungsresistenz führen: Therapien, die an bei ausreichender Therapiedauer und Konzentration wirksam sein könnten, werden aufgrund adverser Ereignisse zu früh aufgegeben.
Nebenwirkungen bei Antidepressiva, vorzeitiger Therapieabbruch und Behandlungsresistenz
Ziel der vorliegenden Studie war es, die Parameter zu ermitteln, die mit dem Auftreten von Nebenwirkungen bei Antidepressiva in einer Gruppe von Patienten mit behandlungsresistenter Depression assoziiert waren. Die beobachtende Querschnitts-Studie wurde in mehreren Behandlungszentren in Frankreich durchgeführt, unter Nutzung von Daten des französischen Expertenzentrums für behandlungsresistente Depression. Die Analyse der Patientendaten fokussiert auf die Häufigkeit und Art von Nebenwirkungen bei der antidepressiven Therapie bei unipolar depressiven Patienten. Das Profil der Therapie-Nebenwirkungen wurde in 9 Kategorien (gastrointestinal, kardiovaskulär, Haut, Nervensystem, sensorisch, urogenital, Schlaf, sexuelle Funktion und weitere wie Ängste, Gewichtszunahme oder Agitation) und insgesamt 32 Unterpunkten (PRISE-M-Skala) analysiert.Querschnitts-Studie in Frankreich zum Auftretren von Nebenwirkungen
108 Patienten mit behandlungsresistenter Depression, mindestens einer Antidepressiva-Behandlung und einer Einschätzung der Nebenwirkungen in der ersten Visite konnten untersucht werden. Die Patienten waren meist Frauen und im Durchschnitt 53,1 Jahre alt. Vor der aktuellen depressiven Episode hatten die Studienteilnehmer im Schnitt bereits 4 depressive Episoden erlebt, von denen die erste im durchschnittlichen Alter von 40,6 Jahren diagnostiziert wurde. Nur 1,52 Episoden sprachen im Schnitt nicht auf zwei aufeinanderfolgend verabreichte Antidepressiva an. Zur ersten Studien-Visite erhielten 1 von 4 Patienten ein SNRI (Duloxetin, Milnacipran oder Venlafaxin), 20,4 % ein SSRI (Citalopram, Escitalopram, Fluoxetin, , Sertralin oder Fluvoxamin), 17,6 % ein TCA (Amitriptylin, Amoxapin, Clomipramin, Dosulepin (Dothiepin), Doxepin, Imipramin oder Maprotilin), 5,6 % ein NASSA (Mianserin oder Mirtazapin), 3,7 % einen MAOI (Moclobemid, Iproniazid, Phenelzin oder Tranylcypromin) und 2,8 % ein anderes Antidepressivum (Agomelatin, Bupropion, Vortioxetin oder Tianeptin). Die übrigen 24,1 % erhielten eine Kombination von mindestens zwei unterschiedlichen Antidepressiva. Die Hälfte der Patienten erhielt zudem ein weiteres Medikament: Antipsychotika der zweiten Generation (27,8 %), einen Stimmungsstabilisator oder Antiepileptikum (9,3 %), Lithium (7,4 %) oder andere (1,9 %). Die übrigen 4,6 % erhielten eine Kombination von mindestens zwei Therapien, die verstärkend auf die antidepressive Therapie wirken könnten. Zusätzliche symptomatische Behandlungen erhielten 55,6 % der Patienten (z. B. Benzodiazepine oder Antipsychotika). Im Mittel erreichten die 108 Teilnehmer einen durchschnittlichen Nebenwirkungs-Score auf der Nebenwirkungsskala von 13,3 Punkten (zwischen 0 und 31). 4 der 32 Nebenwirkungen traten bei 80 % der Patienten auf, 7 der Nebenwirkungen wurden von 60 % der Patienten angegeben. Die häufigsten Nebenwirkungen waren Konzentrationsstörungen, Asthenia (Kraftlosigkeit), empfundener Energiemangel, Ängste, allgemeines Krankheitsgefühl, Xerostomie (Mundtrockenheit) sowie reduziertes sexuelles Interesse und erektile Dysfunktion. Das Auftreten von Nebenwirkungen unterschied sich nicht zwischen den Wirkstoffgruppen (SSRI, SNRI, TCA, NASSA, MAOI, andere oder kombinierte Antidepressiva), bis auf häufigere Berichte von Tremor bei Patienten mit einer Kombination von Antidepressiva im Vergleich zu Patienten mit serotonerger Behandlung (p = 0,014). Patienten zwischen 40 und 60 Jahren erreichten einen höheren Nebenwirkungs-Score als ältere Patienten (p = 0,001). Mit Blick auf die 32 einzelnen Nebenwirkungen wurden jedoch nur Kopfschmerzen signifikant häufiger in der Gruppe der Personen zwischen 40 und 60 Jahren im Vergleich zu älteren Personen berichtet (p = 0,001). Sexuelle Funktionsstörungen wurden häufiger von Männern berichtet. Darüber hinaus schien das Geschlecht der Patienten keinen Einfluss auf die Häufigkeit von Nebenwirkungen zu haben. Nebenwirkungen waren mit der Stärke von Ängsten, depressiver und suizidaler Symptome assoziiert. Ebenso trugen offenbar Kindheitstraumata und geringeres Selbstwertgefühl zu häufigerem Auftreten von Nebenwirkungen bei. Das Auftreten von Nebenwirkungen bei einer antidepressiven Therapie steht somit in Zusammenhang mit verschiedenen Parametern der Erkrankung. Eine stärker individuell zugeschnittene Therapie sollte auf solche Faktoren gezielter eingehen und damit die Behandlungstreue fördern, um das Risiko therapeutischen Scheiterns bei der medikamentösen Behandlung der Depression zu minimieren.© Alle Rechte: HealthCom