Wunden beim Typ-2-Diabetes: welche Rolle die Ernährung spielt

Chronische Wunden sind eine der vielen Folgeerkrankungen des Typ-2-Diabetes, die für die Patientinnen und Patienten mit einem hohen Leidensdruck verbunden sind. Wie groß das Risiko für die Entstehung schlecht heilender Wunden ist, hängt – wie bei vielen Diabetesfolgen – auch von der Ernährung ab. Welchen Einfluss aber hat die Ernährung auf bereits bestehende Wunden und worauf sollten Wundpatienten achten? Diese und andere Fragen rund um die chronische Wunde bei Diabetes mellitus werden auf der Vorab-Pressekonferenz zur 16. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA) beleuchtet. Die Pressekonferenz findet am 16. November 2022 online statt.

Hauptziel der Diabetesbehandlung ist eine gute Stoffwechselkontrolle. Wenn der Blutzucker durch das Zusammenspiel von Ernährung, Bewegung und eventuellen Medikamenten optimal eingestellt ist, vermindert das nicht nur das Gefäßrisiko, sondern es sorgt auch dafür, dass die Nervenfunktion erhalten bleibt. „Beide Faktoren, die Schädigung von Nerven und von Blutgefäßen, tragen entscheidend zur Entstehung chronischer Wunden bei“, sagt Professor Dr. med. Thomas Skurk, Leiter des Forschungsschwerpunkts Humanstudien am Institute for Food & Health (ZIEL) der Technischen Universität München (TUM). Die verminderte Sensibilität in den Füßen, die mit der zuckerbedingten Nervenschädigung einhergeht, steigert das Risiko für Verletzungen und sorgt dafür, dass diese nicht sofort von Betroffenen bemerkt werden. Eingeschränkte Gefäßfunktion und Mangeldurchblutung wiederum führen dazu, dass Geschwüre entstehen, die nicht oder nur schwer verheilen.

Wenn bereits eine chronische Wunde besteht, ist die Rolle der Ernährung nicht mehr so leicht zu fassen. Denn auch wenn viele Diabetes-Typ-2-Betroffene übergewichtig sind, weisen etliche zugleich eine Mangelernährung auf. „Viele Patienten sind mit bestimmten Nährstoffen unterversorgt, die für die Immunabwehr und für die Wundheilung wichtig sind“, betont Skurk. Das gelte nicht nur für geriatrische Patienten, wenngleich das Risiko bei diesen besonders hoch sei. Um den Mangel nicht zu verschärfen, eine ausreichende Energiezufuhr zu sichern und den Allgemeinzustand zu erhalten, sei nicht immer eine rasche Gewichtsreduktion möglich.

Gerade bei großflächigen Wunden kommen noch andere Probleme hinzu, die sich unmittelbar auf die Ernährung auswirken. „Hier kann es durch Wundsekrete zu einem ausgeprägten Flüssigkeits- und Eiweißverlust kommen, der ausgeglichen werden muss“, sagt Skurk. Bei der Erhöhung der Trinkmenge sowie bei einer proteinreichen Ernährung müssten jedoch zugleich auch andere häufige Diabetes-Komplikationen wie Herz- oder Nierenerkrankungen im Blick behalten werden. Versuche, die Wundheilung mithilfe bestimmter Aminosäuren, Vitamine oder Mineralstoffe zu verbessern, hätten bislang nicht zum Durchbruch geführt, so der Münchener Experte weiter. Ein nachgewiesener Nährstoffmangel sollte jedoch in jedem Fall ausgeglichen werden.

Ob und wie sich die Heilung bereits bestehender Wunden durch solche Ernährungsinterventionen fördern lässt, ist noch unklar, denn Studien zu diesem Thema sind rar. „Lokale Maßnahmen wie Wundsäuberung, Wundabdeckung und Infektionskontrolle sind für den Heilungsprozess sicher entscheidender“, so Skurk. Das größere Potenzial für einen Ernährungseffekt liege vorwiegend in der Prävention. Alles, was dabei helfe, einen Typ-2-Diabetes gar nicht erst entstehen zu lassen – also eine gesunde, ausgewogene Ernährung und ausreichende Bewegung –, trage auch dazu bei, chronische Wunden zu verhindern, auch und vor allem wenn bereits ein Typ-2-Diabetes bestehe.

Was zu einem gesunden Lebensstil gehört, ist den meisten Menschen bekannt. Dennoch fällt es vielen Menschen nicht leicht, Sport oder regelmäßige Spaziergänge in den Alltag zu integrieren und auf hochkalorische Snacks zu verzichten. „Hier ist auch die Politik gefragt, den Menschen die Entscheidung für gesunde und gegen ungesunde Verhaltensweisen zu erleichtern“, sagt PD Dr. med. Kilian Rittig, niedergelassener Diabetologe in Teltow bei Berlin und Tagungspräsident der DDG. Zu den konkreten Maßnahmen, die die DDG im Rahmen der Nationalen Diabetesstrategie fordert, zählen die Einführung einer „gesunden Mehrwertsteuer“ – mit steuerlicher Entlastung für gesunde sowie Steuererhöhungen auf ungesunde Lebensmittel – sowie eine verpflichtende Kennzeichnung mit dem Nutri-Score für alle Lebensmittel. „Weil die Weichen für einen gesunden Lebensstil bereits im Kindesalter gestellt werden, sollte besonderes Augenmerk zudem auf Kita und Schule liegen“, betont Rittig. So empfiehlt die DDG etwa, verbindliche Standards für eine gesunde Kita- und Schulverpflegung zu formulieren, täglich eine Stunde Bewegung in die Stundenpläne einzubauen und ungesunde Lebensmittel für Kinder mit einem umfassenden Werbeverbot zu belegen.

Weitere Informationen:

https://www.ddg.info/presse/breites-buendnis-um-starkoch-jamie-oliver-fordert-umfassenden-schutz-von-kindern-gegen-junkfood-werbung-rund-40-organisationen-machen-druck-auf-die-ampel-koalition

Terminhinweise:

16. Diabetes Herbsttagung der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA)
Termin: 24. bis 26. November 2022
Ort: RheinMain CongressCenter Wiesbaden oder online unter www.herbsttagung-ddg.de
Vorab-Pressekonferenz
Termin: Mittwoch, 16. November 2022, 11.00 bis 12.00 Uhr
Link: https://attendee.gotowebinar.com/register/559143870287872780

Ihre Themen und Referierenden:

Versorgungslandschaft in Deutschland
Professor Dr. med. Baptist Gallwitz
Pressesprecher der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG); Stellvertretender Direktor, Medizinische Klinik IV, Universitätsklinikum Tübingen

Angiologie und Diabetologie: warum sich die Doppelausbildung lohnt
PD Dr. med. Kilian Rittig
Tagungspräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Chefarzt der Klinik für Angiologie und Diabetologie am Klinikum Frankfurt (Oder)

Mit Diabetes beim Hausarzt: Wann müssen Patientinnen und Patienten zum Gefäß-Check?
Dr. med. Berthold Amann
Tagungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Krankenhaus Berlin

Diabetisches Fußsyndrom: Betreuung von Betroffenen in Fußnetzen
Dr. med. Dirk Hochlenert
Amb. Zentrum für Diabetologie, Endoskopie und Wundheilung Köln

Ernährung und Wunde: was Betroffene beachten müssen und was politisch noch passieren muss
Professor Dr. med. Thomas Skurk
Leiter des Forschungsschwerpunkts Humanstudien am Institute for Food & Health (ZIEL) der Technischen Universität München (TUM)

Kongress-Pressekonferenz
Termin: Freitag, 25. November 2022, 12.30 bis 13.30 Uhr
Ort: RMCC Wiesbaden oder online

Ihre Themen und Referierenden:

Interdisziplinäre Versorgung: Was funktioniert und was nicht?
PD Dr. med. Kilian Rittig
Tagungspräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Chefarzt der Klinik für Angiologie und Diabetologie am Klinikum Frankfurt (Oder)

Diabetes-Subtypen und deren kardiovaskuläre Bedeutungen
Professor Dr. med. Robert Wagner
Leitender Oberarzt an der Klinik für Endokrinologie und Diabetologie am Universitätsklinikum Düsseldorf und Leiter des Klinischen Studienzentrums am Deutschen Diabetes Zentrum (DDZ), Düsseldorf

Innovationen in der Wundbehandlung: Stammzellen, Kaltplasma, Vampirtherapie und Co.
Dr. med. Berthold Amann
Tagungspräsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Franziskus-Krankenhaus Berlin

Keine Amputation dank Stammzellentherapie: ein Erfahrungsbericht
Patient

Revaskularisation bei Menschen mit Diabetes
Dr. med. Dipl. oec. med. Michael Lichtenberg, FESC
Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Angiologie (DGA), Chefarzt der Klinik Angiologie am Klinikum Hochsauerland der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Amputation – nein danke! Unnötige Eingriffe durch Zweitmeinung vermeiden
Dr. med. Michael Eckhard
Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Diabetischer Fuß der DDG, Ärztlicher Leiter des Univ. Diabeteszentrum Mittelhessen am Universitätsklinikum Gießen/Marburg