Vorhofflimmern ist eine wichtige Ursache für den sogenannten embolischen Schlaganfall unbestimmter Ursache

Neue Studie des LMU Klinikums München zeigt, dass Herzrhythmusüberwachung bei Schlaganfall-Patient:innen wichtig für eine effektive Sekundärprävention sein kann

Embolische Schlaganfälle unbestimmter Ursache (ESUS) machen bis zu 20 Prozent aller Schlaganfälle aus. Unerkanntes Vorhofflimmern – eine der häufigsten Herzrhythmusstörungen – gilt als eine wichtige Ursache. Allerdings fehlten bisher etablierte Ansätze, um die ESUS-Patient:innen zu identifizieren, die von einem intensiveren Vorhofflimmern-Screening und einer darauf abgestimmten sekundären Schlaganfallprävention profitieren. Eine gemeinsame Studie der Kliniken für Kardiologie und Neurologie am LMU Klinikum zeigt nun, wie durch eine nicht-invasive, EKG-basierte Risikobewertung ESUS-Patient:innen mit einem hohen Risiko für Vorhofflimmern erkannt werden können. Prof. Dr. Lars Kellert und PD Dr. Moritz Sinner, Oberärzte an der Neurologischen Klinik und der Kardiologischen Klinik des LMU Klinikums, geben einen Einblick in die Studie:

Welche Frage wurde in dieser Studie behandelt?

Prof. Dr. Lars Kellert: Wir haben untersucht, wie wir ESUS-Patient:innen erkennen können, die ein besonders hohes Risiko dafür haben, dass ihr Schlaganfall durch Vorhofflimmern ausgelöst wurde.

Was trägt Ihre Studie zum bestehenden Wissen bei?

Prof. Dr. Lars Kellert: In dieser Beobachtungsstudie haben wir knapp 300 Patienten analysiert, die einen embolischen Schlaganfall ungeklärter Ursache hatten und zwischen 2018 und 2019 am LMU Klinikum behandelt wurden. Dabei spielt der sogenannte „Rhythm Irregularity Burden“ eine wichtige Rolle, der die Unregelmäßigkeit des Herzschlags erfasst. Diesen können wir in unserer automatisierten Herzrhythmusüberwachung in der Stroke-Unit im LMU Klinikum in Großhadern beobachten. Anhand des „Rhythm Irregularity Burden“ können wir sehr genau zwischen Patient:innen mit sehr hohem und sehr niedrigem Risiko für Vorhofflimmern unterscheiden. Meldet das System ein erhöhtes Risiko für Vorhofflimmern, dann können wir tatsächlich im Verlauf der nächsten 15 Monate bei etwa 25 Prozent dieser Patient:innen auch Vorhofflimmern nachweisen. Unser Ergebnis konnten wir in einer unabhängigen Gruppe von ESUS-Patient:innen der Universitätsklinik Tübingen bestätigen.

Wie könnte sich dies auf die Praxis der Neurologie und Kardiologie auswirken?

PD Dr. Moritz Sinner: Auf Basis unserer individuellen Risikobewertung für Vorhofflimmern bei ESUS-Patient:innen können wir beispielsweise entscheiden, ob wir bereits auf der Schlaganfallstation intensiv mit Blick auf Herzrhythmusstörungen überwachen müssen. Auch in der ambulanten kardiologischen Nachsorge können wir aufgrund der neuen Risikoeinschätzung ein individuelles Konzept für die Herzrhythmusüberwachung erarbeiten. Bei einigen Patient:innen kann zum Beispiel ein intensiveres Monitoring mit wiederholten Langzeit-EKGs oder sogar implantierbaren Ereignisrekordern erforderlich sein, während dies bei Patient:innen mit niedrigem Risiko nicht erforderlich erscheint. Ein großer Vorteil unseres neuen EKG-basierten Risiko-Scores liegt darin, dass er nicht-invasiv ist und wir ihn damit besonders einfach bei allen Schlaganfall-Patient:innen anwenden können. Denn wenn Vorhofflimmern erkannt wird, können wir unsere ESUS-Patient:innen durch entsprechende Medikamente effektiv vor einem erneuten Schlaganfall schützen.

Publikation:

Atrial Fibrillation Risk Assessment after Embolic Stroke of Undetermined Source
Aenne S von Falkenhausen, Katharina Feil, Moritz F Sinner, Sonja Schönecker, Johanna Müller, Johannes Wischmann, Elodie Eiffener, Sebastian Clauss, Sven Poli, Khouloud Poli, Christine S Zuern, Ulf Ziemann, Jörg Berrouschot, Alkisti Kitsiou, Wolf-Rüdiger Schäbitz, Marianne Dieterich, Steffen Massberg, Stefan Kääb, Lars Kellert
Annals of Neurology. 2022 Nov 13
DOI: 10.1002/ana.26545