Brustkrebsrisiko: Online-Entscheidungshilfe für Frauen mit erblicher BRCA-Mutation
Erste evidenzbasierte Entscheidungshilfe für gesunde Frauen mit BRCA1/2-Mutation in Deutschland
Im Dezember 2022 wird die erste strukturiert entwickelte, evidenzbasierte und auf ihre Wirksamkeit getestete Entscheidungshilfe für gesunde Frauen mit einer Veränderung (Mutation) im BRCA1- oder BRCA2-Gen an der Uniklinik Köln als Online-Version frei geschaltet. Damit geht die erste von zwei neu entwickelten Entscheidungshilfen für BRCA1/2-Mutationsträgerinnen in die Standardversorgung.
Frauen mit BRCA1- oder BRCA2-Mutation haben ein hohes Risiko, an Brust- und Eierstockkrebs zu erkranken. Sie stehen vor allem vor der schwierigen Entscheidung, ob sie sich die Brüste und/oder die Eierstöcke vorsorglich entfernen lassen wollen, um ihrem Krebsrisiko zu begegnen. Nicht selten fühlen sich die Frauen zuerst unsicher. Manche schwanken und sind sich über ihre eigene Sicht unklar, erleben Entscheidungskonflikte oder wünschen sich mehr Informationen und Unterstützung. Die neue Entscheidungshilfe, welche die ärztliche Beratung nach dem Genbefund ergänzt, informiert ratsuchende Frauen ausführlich, verständlich und nicht-direktiv über alle relevanten Fragen zu ihrer Mutation, ihren Erkrankungsrisiken und präventiven Optionen mit Vor- und Nachteilen. Mit zusätzlichen Arbeitsblättern zum Beispiel zur Klärung ihrer eigenen Werte und Präferenzen, sollen sie ebenfalls bei ihrer Entscheidungsfindung unterstützt werden.
Die Entwicklung folgte einem sechsstufigen Arbeitsprozess nach anerkannten Qualitätskriterien der International Patient Decision Aid Standards Collaboration. Um die Perspektive der Betroffenen zu stärken, wurden unabhängige Betroffene in mehreren Projektphasen eingebunden. Mittels Reviewverfahren durch Selbsthilfeangehörende und externe Expertinnen und Experten wurde ein hohes fachliches Qualitätsniveau sichergestellt.
Zur Evaluation wurde eine randomisiert kontrollierte Studie durchgeführt. Sie untersuchte im Vergleich mit der Standardversorgung (ohne Entscheidungshilfe), welchen Einfluss die Entscheidungshilfen auf den Entscheidungsprozess (Entscheidungskonflikte, Entscheidungsbedauern, Entscheidungsstatus, Wissen und psychische Symptome) haben und wie gut sie von den Frauen akzeptiert und als nützlich für ihre Entscheidungsfindung empfunden werden. „Die vorläufigen Ergebnisse sind sehr ermutigend“, sagt Univ.-Prof. Dr. Stephanie Stock. „Denn wir sehen, dass die Entscheidungshilfen den Entscheidungskonflikt tatsächlich signifikant senken, die Frauen besser informiert sind und die Entscheidungshilfen auch subjektiv als sehr nützlich wahrnehmen.“
Wertvolle Ergänzung: Kurzform der Entscheidungshilfe als BRCA-Cube
Als Ergänzung zur Entscheidungshilfe wird betroffenen Frauen jetzt auch der BRCA-Cube angeboten. Der BRCA-Cube ist ein interaktiver, ebenfalls online anwendbarer Würfel, der in Kooperation mit dem Deutschen Netzwerk Gesundheitskompetenz DNGK entstand. Er gibt die Inhalte der Entscheidungshilfe in komprimierter Form wieder. Das Besondere an dem BRCA-Cube ist, dass Nutzerinnen – wie bei einem Wahl-O-Mat – die Aspekte der Entscheidung einzeln bewerten können, woraus dann ein Gesamtergebnis ermittelt wird. „Wir hoffen, mit dem BRCA-Cube noch mehr Frauen noch besser erreichen zu können, als mit der Entscheidungshilfe alleine“, sagt Dr. Christian Weymayr vom DNGK.
Im ersten Schritt wird die Entscheidungshilfe in das bestehende spezialisierte Beratungsangebot am Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Köln integriert. Später sollen sie allen deutschen Zentren Familiärer Brust- und Eierstockkrebs sowie den angeschlossenen Brustzentren zur Verfügung gestellt werden. „Wir sehen es als eine wertvolle Ergänzung der Patientenorientierung, dass die erste Entscheidungshilfe und der daraus entwickelte BRCA-Cube ihren Weg in die klinische Versorgung für Ratsuchende genommen haben“, lobt Univ.-Prof. Rita Schmutzler vom Zentrum Familiärer Brust und Eierstockkrebs.
„Die Entscheidungshilfe ist das Ergebnis eines umfangreichen Forschungs-Projektes zur Entwicklung, Pilotierung und Evaluation von Entscheidungshilfen für Frauen mit BRCA1/2-Mutation“, erklärt Univ.-Prof. Dr. Stephanie Stock vom Institut für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie (IGKE) der Uniklinik Köln. Sie leitete das Projekt zusammen mit Dr. Sibylle Kautz-Freimuth vom IGKE. Realisiert wurde das Vorhaben in enger Kooperation mit dem Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs der Uniklinik Köln (Direktorin: Univ.-Prof. Dr. Rita Schmutzler; leitende Oberärztin: Prof. Dr. Kerstin Rhiem). Gefördert wurde es vom Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen (LZG.NRW).
Links:
Zur Entscheidungshilfe: https://webstatic.uk-koeln.de/im/dwn/pboxx-pixelboxx-248282/
Zum BRCA-Cube Brust: https://www.decisioncube.de/brca-cube-brust
Originalarbeiten:
Kautz-Freimuth S, Redaèlli M, Rhiem K, Vodermaier A, Krassuski L, Nicolai K, Schnepper M, Kuboth V, Dick J, Vennedey V, Wiedemann R, Schmutzler R, Stock S. Development of decision aids for female BRCA1 and BRCA2 mutation carriers in Germany to support preference-sensitive decision-making. BMC Medical Informatics and Decision Making 2021; 21(1):180. doi:10.1186/s12911-021-01528-4
Kautz-Freimuth S, Redaèlli M, Isselhard A, Shukri A, Vodermaier A, Rhiem K, Schmutzler R, Stock S. Evaluation of two evidence-based decision aids for female BRCA1/2 mutation carriers in Germany: Study protocol for a randomised controlled parallel-group trial. Trials 2022; 23:157. doi:10.1186/s13063-022-06081-7