Enzymblockade fördert Knochenaufbau und drosselt Entstehung von Knochenmetastasen
In unseren Knochen sind spezialisierte Zellen, die Osteoblasten, für den Aufbau der Knochensubstanz zuständig. Ein Forscherteam unter der Federführung von Wissenschaftlerinnen vom DKFZ-Hector-Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim* und dem Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf identifizierte nun ein Enzym, das die Aktivität der Osteoblasten steuert. Ein Wirkstoff, der die Aktivität dieses Enzyms hemmt, reduzierte bei Mäusen den krebsbedingten Knochenabbau und die Anzahl der Knochenmetastasen beim Multiplen Myelom und in Lungen- und Brustkrebsmodellen.
Knochen erscheinen als beständig und solide. Doch der Schein trügt: Tatsächlich ist das Knochengewebe im stetigem Umbau. Knochenabbauende Osteoklasten und knochenaufbauende Osteoblasten sorgen im gesunden Organismus für ein fein austariertes Gleichgewicht.
Doch diese Balance ist gelegentlich gestört: Bei der Osteoporose nimmt der Knochenabbau überhand, so dass es zu Brüchen und Deformationen kommen kann. Auch bei der Entstehung von Knochenmetastasen, die im Verlauf vieler Krebserkrankungen auftreten, nehmen häufig knochenabbauende Prozesse überhand. Das gilt auch für das Multiple Myelom, das im Knochenmark entsteht und sich dort ausbreitet.
„Einmal in den Knochen vorgedrungen, sondern viele Krebszellen Substanzen ab, die den Knochenaufbau durch die Osteoblasten unterdrücken. Die Patienten leiden oft sehr unter den schmerzenden Knochenmetastasen und es kommt häufig zu Brüchen“, sagt Sonja Loges vom DKFZ-Hector-Krebsinstitut an der Universitätsmedizin Mannheim*.
Bislang stehen Medikamente zur Verfügung, die den Knochenabbau durch Osteoklasten hemmen. Loges und ihre Mitarbeiterin Isabel Ben Batalla halten aber auch Wirkstoffe, die den Knochenaufbau durch die Osteoblasten fördern, für medizinisch erforderlich. Um solche Substanzen zu identifizieren, mussten die Forscherinnen zunächst herausfinden, welche Signalwege die Aktivität der Osteoblasten steuern.
Bei dieser Untersuchung identifizierte das Team in Mäuse-Osteoblasten die beiden Enzyme MERTK und Typo3, so genannte Rezeptor-Tyrosinkinasen, die die Knochenproduktion regulieren. Die Funktion der beiden Enzyme wurde an Mäusen untersucht, in deren Osteoblasten entweder die eine oder die andere Rezeptor-Tyrosinkinase genetisch ausgeschaltet war. Das Ergebnis: War MERTK inaktiviert, so nahm die Knochenmasse der Tiere zu. Ohne Typo3 dagegen nahm sie ab.
Dieses Ergebnis war ein Hinweis darauf, dass die Aktivität von MERTK in Osteoblasten auch zur krebsbedingten Hemmung der Knochenbildung beitragen könnte.
MERTK-Inhibitor kurbelt Knochenbildung an
Der niedermolekulare Wirkstoff R992 hemmt die Aktivität von MERTK. „Damit hatten wir ein Werkzeug in der Hand um zu prüfen, ob eine Hemmung von MERTK den krebsbedingten Knochenabbau bremsen kann“, sagt Janik Engelmann, Erstautor der Studie vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und dem DKFZ-Hector Krebsinstitut. Wurden gesunde Mäuse mit R992 behandelt, so stieg die Zahl ihrer Osteoblasten und die Knochenmasse der Tiere nahm zu. Auch in Mausmodellen mit Myelom-, Lungenkrebs- und Brustkrebs-Zelllinien reduzierte die Behandlung mit R992 den Knochenschwund sowie die Anzahl der Knochenmetastasen.
Der Wirkstoff R992 ist nicht als Medikament zugelassen. Um die Effekte einer MERTK-Blockade möglicherweise auch an Patientinnen und Patienten untersuchen zu können, entwickelt das Team um Sonja Loges am Deutschen Krebsforschungszentrum derzeit einen Antikörper, der gezielt die Funktion von MERTK blockiert. „Knochenmetastasen betreffen sehr viele Krebspatienten. Die Osteoporose ist ebenfalls eine häufige Erkrankung. Ein Medikament, das dem unheilvollen Knochenschwund entgegenwirkt, könnte daher sehr vielen Erkrankten zugutekommen. Daher investieren wir in die weitere Erforschung der Rolle von MERTK als therapeutisches Ziel beim krankhaften Knochenabbau.“
* Das DKFZ-Hector-Krebszentrum an der Universitätsmedizin Mannheim ist eine Kooperation des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Mannheim.
Janik Engelmann, Jennifer Zarrer, Victoria Gensch, Kristoffer Riecken, Nikolaus Berenbrok, The Vinh Luu, Antonia Beitzen-Heineke, Maria Elena Vargas-Delgado, Klaus Pantel, Carsten Bokemeyer, Somasekhar Bhamidipati, Ihab S. Darwish, Esteban Masuda, Tal Burstyn-Cohen, Emily J. Alberto, Sourav Ghosh, Carla Rothlin, Eric Hesse, Hanna Taipaleenmäki, Isabel Ben-Batalla, Sonja Loges: Regulation of bone homeostasis by Mertk and TYRO3
Nature Communications 2022 Dec 12;13(1):7689., DOI: 10.1038/s41467-022-33938-x
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können.
Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs.
Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren