Brust raus! Behandlungsmöglichkeiten bei Trichterbrust
Eine Trichterbrust passt nicht zum derzeitigen gesellschaftlichen Diktat eines möglichst perfekten Körpers. Welche Therapieoptionen es für diese häufigste angeborene Brustkorbdeformität des Kindes- und Jugendalters gibt, schildert Prof. Dr. Thomas Meyer, der Leiter der Abteilung für Kinderchirurgie – Kinderurologie und Kindertraumatologie der Chirurgischen Klinik I am Uniklinikum Würzburg.
Prof. Meyer, was sind die Kennzeichen einer Trichterbrust und wie viele Kinder und Jugendliche sind davon betroffen?
Thomas Meyer: Bei der Trichterbrust – fachsprachlich Pectus excavatum – ist der vordere Brustkorb durch eine trichterförmige Eindellung des Brustbeins verformt. Ursache ist eine Wachstumsstörung der Knorpelverbindungen zwischen Brustbein und Rippen. Eines von 400 Kindern ist von der angeborenen Störung betroffen, Jungen dreimal häufiger als Mädchen.
Welche Gründe sprechen für eine Therapie der Fehlbildung?
Thomas Meyer: Sehr selten kann es zu Beeinträchtigungen der Herz- oder Lungenfunktion kommen. Im Vordergrund stehen jedoch psychische Aspekte. Viele Betroffene entwickeln mit Einsetzten der Pubertät eine intensive Körperwahrnehmung und empfinden die bis dahin kaum beachtete Trichterbrust als Makel. Die Auswirkungen auf das Selbstbewusstsein können so stark sein, dass die Jugendlichen in allen Situationen vermeiden, den Oberkörper zu zeigen – zum Beispiel beim Sport oder Baden. Sie reduzieren soziale Kontakte, bei denen sie keine kaschierende Kleidung tragen können, auf ein Minimum.
Welche Behandlungsangebote können Sie den jungen Patientinnen und Patienten machen?
Thomas Meyer: Nach einer ausführlichen Anamnese und Diagnostik bietet die Abteilung für Kinderchirurgie, Kinderurologie und Kindertraumatologie der Würzburger Chirurgischen Universitätsklinik seit über zehn Jahren sowohl die konservative Therapie mittels einer Saugglocke, als auch das minimal-invasive Verfahren nach Nuss an. Beim nicht-operativen Vorgehen setzen die Betroffenen etwa drei Mal täglich und für jeweils bis zu drei Stunden eine Saugglocke aus orthopädischem Silikon auf der Brust auf und erzeugen mit einem Saugballs ein Unterdruck, der den Brustkorb anhebt. Das Verfahren kann mit dem Tragen einer Zahnspange verglichen werden – es modelliert den Brustkorb vergleichsweise langsam innerhalb von etwa 18 Monaten. Die Methode ist vor allem bei milden und mittelgradigen Formen der Trichterbrust geeignet. Wir therapieren jährlich etwa 20 Patientinnen und Patienten auf diese Weise.
Wie sieht die operative Alternative aus?
Thomas Meyer: Bei einer massiver ausgeprägten Trichterbrust oder dem Wunsch nach einer schnellen Korrektur ist die minimal-invasive MIRPE- oder auch Nuss-OP das heute gängige Verfahren. Am Uniklinikum Würzburg führen wir diese seit über zehn Jahren erfolgreich durch. Dabei wird unter Allgemeinnarkose und unter thorakoskopischer Kontrolle über einen kleinen Schnitt an der seitlichen Brustwand ein individueller Bügel aus Titan eingebracht. Dieser wird zwischen Herz und Lunge einerseits sowie den Rippen und dem Brustbein andererseits von einer zur anderen Seite durchgeschoben. Der Bügel hebt das Brustbein von innen an und bringt es in Normalstellung. Nach drei Jahren wird der Bügel wieder entfernt.
Welche Risiken bestehen bei diesem Eingriff? Wie sieht es mit Schmerzen und Narben aus?
Thomas Meyer: Dank der minimal-invasiven Technik sind keine großen Schnitte mit auffälligen Narben notwendig. Dies ist nicht nur aus kosmetischer Sicht vorteilhaft, sondern auch im Hinblick auf die postoperativen Schmerzen. Dennoch kann vor allem anfangs eine Schmerztherapie erforderlich sein, da das Brustbein zurück in seine ursprüngliche Lage strebt, woran es der Bügel hindert. Außerdem ist der Brustkorb durch die Atembewegung kontinuierlich in Bewegung, so dass zu Beginn der Bügel gegen die Knochenhaut des Brustbeins reibt. Die Schmerzen nehmen allerdings meist innerhalb von Tagen bis Wochen kontinuierlich ab.
Wie sind die Erfolgsaussichten?
Thomas Meyer: Mit beiden Verfahren können kosmetisch sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Entscheidend dabei ist, dass sich die Jugendlichen nicht mehr aufgrund der Thoraxdeformität verstecken oder einschränken müssen und somit ein physisch und psychisch uneingeschränktes Leben führen können.
Abschließend: Gibt es eine Altersobergrenze, bei der die Verfahren eingesetzt werden können?
Thomas Meyer: Beide Verfahren können aus unserer Sicht sowohl bei Jugendlichen als auch „jungen“ Erwachsenen mit sehr guten Erfolgsaussichten angewendet werden. Auch für den „älteren“ Erwachsenen finden sich in der Literatur Fallbeschreibungen, bei denen beide hier aufgeführte Methoden – zum Teil modifiziert – Anwendung finden. Letztendlich bleibt es aber immer eine individuelle Entscheidung, wann und mit welchem Verfahren die Thoraxwand-Deformität therapiert wird.