Mundgesundheit und Psyche – Studie zeigt Zusammenhang für bessere Früherkennung

Die Psychologie-Professorin Cornelia Herbert von der Uni Ulm hat sich mit einem noch wenig untersuchtem Forschungsfeld gewidmet: dem Zusammenhang zwischen Mundgesundheit und dem Risiko für psychische Störungen. Erste Ergebnisse einer Pilotstudie zeigen, dass sich Zusammenhänge finden, bei denen auch psychophysiologischer Stress eine Rolle spielen könnte.

Kann die Mundgesundheit mit dem Risiko für psychische Störungen zusammenhängen? Psychologie-Professorin Cornelia Herbert von der Universität Ulm hat genau diese Frage in einer Studie untersucht. Erste Ergebnisse: Es zeigen sich Zusammenhänge, bei denen auch psychophysiologischer Stress eine Rolle spielen könnte. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Current Psychology“.

Ihr Interesse gilt einem noch wenig untersuchten Forschungsfeld, denn Professorin Cornelia Herbert, Leiterin der Abteilung Angewandte Emotions- und Motivationspsychologie, widmet sich dem Zusammenhang zwischen Mundgesundheit, Stress und dem Risiko für psychische Störungen bei jungen Erwachsenen. Zu diesen Störungen zählen zum Beispiel Essstörungen oder eine Depression. Deren Wechselwirkung hat die Psychologin nun erstmals in einer Online-Pilotstudie untersucht. „Bislang liegt der Fokus beim Thema Mundgesundheit vor allem auf älteren Patientinnen und Patienten. In dieser Bevölkerungsgruppe ist der Zusammenhang zwischen Erkrankungen der Zähne und des Zahnfleisches mit mentalen und körperlichen Einschränkungen, wie Demenz oder Herzkreislauferkrankungen, bereits sehr gut erforscht“, so Cornelia Herbert.

In der nun durchgeführten Studie wurde an gesunden jungen Erwachsenen untersucht, ob selbstberichtete depressive Symptome, Einstellungen zum Essen und zum Körper, wie sie im Rahmen einer Essstörung vorkommen können, bereits mit Beeinträchtigungen der Mundgesundheit einhergehen – und das, obwohl noch keine psychische Erkrankung vorliegt. Dazu füllten insgesamt 162 erwachsene Personen online und anonym standardisierte Fragebögen aus. Darin machten sie unter anderem Angaben zu erlebten, depressiven Symptomen, zum Essverhalten, zum Körperbewusstsein oder zum allgemeinen Gesundheitsverhalten. Auch die Mundgesundheit wurde über einen standardisierten Fragebogen erhoben. Darin wurden verschiedene Beeinträchtigungen abgefragt, so beispielsweise zur Funktion von Mund und Zähnen, zu Schmerzen, zur Ästhetik und ob sich subjektiv wahrgenommene Probleme im Mund-, Zahn- und Kieferbereich auf die soziale Interaktion der Personen auswirken.

Im Ergebnis zeigten sich signifikante Zusammenhänge zwischen Beeinträchtigungen in der Mundgesundheit, depressiven Symptomen, der Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und bulimischem Essverhalten. Interessant daran ist, dass psychophysiologische Stresssymptome zudem eine wichtige Rolle zu spielen scheinen. „Ein weiteres spannendes Ergebnis in der weiblichen Stichprobe war, dass Probleme mit der Mundgesundheit immer auch mit Befindlichkeitsstörungen, wie depressiven Symptomen oder Angst, einhergingen. Außerdem berichteten Personen, die mit dem eigenen Körper unzufrieden waren, im Trend auch von einer schlechteren Mundgesundheit“, erklärt Professorin Cornelia Herbert. Vor diesem Hintergrund spricht sie sich für eine bessere Aufklärung und Primärprävention der Mundgesundheit als wichtigen Aspekt von Gesundheit bei jungen Erwachsenen aus. Zudem weist die Psychologin auf die Bedeutung von psychischem Stress und seinen biopsychologischen Folgen hin. Sowohl auf die psychische und körperliche Gesundheit als auch auf die Mundgesundheit kann dieser Stress Auswirkungen haben.

Die Ergebnisse lassen Rückschlüsse auf das Auftreten von psychischen Störungen bei jungen Erwachsenen vermuten, die es weiter zu untersuchen gilt. Denn die nun veröffentlichte Studie ist nur der Auftakt für größere Forschungsprojekte, die gezielt psychologische Faktoren unter dem Titel „Mundgesundheit und Psyche – PSY-ORAL“ untersuchen. Eine Anschubfinanzierung für PSY-ORAL in Höhe von 30 000 Euro kommt aktuell vom Wissensforum Allgemeine Zahnmedizin. „In Laborexperimenten an Probandinnen und Probanden wollen wir die Faktoren von oraler, psychischer und physischer Gesundheit mit unterschiedlichen Methoden untersuchen. Dazu werden wir in einer ganzheitlichen Erhebung unter anderem die Kaufunktion und Bisskraft sowie die Geschmackswahrnehmung testen oder die Anzahl an Mundbakterien bestimmen. Aber auch die Herz- und Gehirnaktivität sowie das kognitive Leistungsniveau sollen zusammen mit der Mundgesundheit und verschiedenen psychologischen Faktoren wie dem Stresserleben untersucht werden, um daraus psychologische Präventionsprogramme zu entwickeln“, schildert Professorin Cornelia Herbert.
Die geplanten Studien werden in den Laboren von Herbert namens Sense-Lab und Brain-Lab durchgeführt. Diese werden in Zusammenarbeit mit der Wissenschaftlichen Werkstatt der Uni Ulm um Apparate ergänzt, die beispielsweise die Kau- und Bisskraft messen. Darüber hinaus sind weitere Studien unter anderem mit der Klinik für Zahnärztliche Prothetik am Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde des Universitätsklinikums in Vorbereitung. Mitte des Jahres werden die ersten Untersuchungen in den Laboren von Professorin Herbert in der Abteilung Angewandte Emotions- und Motivationspsychologie anlaufen.

Originalpublikation:

Herbert, C. Oral health and mental health in healthy adults, a topic of primary prevention and health care, empirical results from two online studies. Current Psychology (2023) https://doi.org/10.1007/s12144-022-04121-8