Die Marathonläufer der Immunabwehr

Bei chronischen Infektionen und Krebs spielt ein bestimmter Typ Immunzellen eine zentrale Rolle für die Abwehr. Forschende der Universität Basel zeigen, was diesen Immunzellen den langen Atem verleiht, den Marathonlauf gegen einen chronischen Infekt zu bewältigen. Ihre Ergebnisse schaffen die Grundlage für wirksamere Therapien und Impfstrategien.

Infizierte und entartete Körperzellen müssen weg. Und das möglichst schnell, bevor grösserer Schaden entsteht. Das ist die Aufgabe der sogenannten zytotoxischen T-Zellen. Wie diese Zellen chronische Infektionen abwehren, erforscht das Team um Prof. Dr. Daniel Pinschewer am Departement Biomedizin der Universität Basel in Zusammenarbeit mit nationalen und internationalen Forschungsgruppen.

«Diese T-Zellen können sich in zweierlei Weise spezialisieren, nämlich zu einer Art Sprinter oder zu Marathonläufern», erklärt Pinschewer. «Letztere können aber jederzeit auch zu Sprintern werden, um eine Infektion auszumerzen.»

Bei chronischen Infektionen ist die Situation speziell: Die T-Zellen werden aktiviert und gleichzeitig entsteht eine starke Entzündungsreaktion. «Dadurch neigen die T-Zellen dazu, sich zu ‘erschrecken’ und sich zu Sprintern zu entwickeln, die nur kurzfristig effektiv eingreifen und infizierte Zellen entfernen können», so der Virologe. «Wenn sich alle T-Zellen so verhielten, würde die Immunabwehr nach kurzer Zeit zusammenbrechen.»

Signalstoff gegen den «Schreck»

In einer Studie, die sie nun im Fachjournal «Immunity» vorstellen, haben die Forschenden untersucht, wie das Immunsystem trotzdem genug T-Zellen für den Ausdauerlauf gegen chronische Infekte bereitstellen kann. Den Ergebnissen zufolge spielt ein Signalstoff namens Interleukin-33 (IL-33) eine Schlüsselrolle. Es erlaubt den T-Zellen, im Zustand der Marathonläufer zu bleiben. «IL-33 nimmt den T-Zellen quasi den Schrecken der Entzündung», erklärt Dr. Anna-Friederike Marx, Erstautorin der Studie.

Zudem bringt der Signalstoff die Marathon-T-Zellen dazu, sich zu vermehren, sodass mehr Ausdauerläufer gegen die Infektion zur Verfügung stehen. «Dank IL-33 sind langfristig genug zytotoxische T-Zellen da, die nach ihrem Marathonlauf noch einen Schlusssprint hinlegen können», so Marx.

Die Erkenntnisse könnten helfen, die Behandlung chronischer Infektionen wie beispielsweise Hepatitis C zu verbessern. Denkbar wäre, IL-33 zuzuführen, um eine effiziente Immunantwort zu unterstützen. Analog könnte IL-33 ein Schlüssel sein, um Krebsimmuntherapien zu verbessern, damit T-Zellen einen effizienten und langanhaltenden Angriff gegen Tumorzellen vollziehen können.

Originalpublikation

Anna-Friederike Marx, Sandra M. Kallert, Tobias M. Brunner et al.
The alarmin interleukin-33 promotes the expansion and preserves the stemness of Tcf-1+ CD8+ T cells in chronic viral infection
Immunity (2023), doi: 10.1016/j.immuni.2023.01.029

Weiterführender Link

Forschungsgruppe Prof. Dr. Daniel Pinschewer