Darmmikrobiom spielt Schlüsselrolle beim Ansprechen auf Krebs-Immuntherapie mit CAR-T-Zellen
Wissenschaftler im Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) haben zusammen mit Kollegen aus Deutschland, Israel und den USA herausgefunden, dass bei Patienten mit B-Zell-Lymphomen das Darmmikrobiom die Wirksamkeit der Immuntherapie mit CAR-T-Zellen beeinflussen kann. Individualisierte Informationen über die Zusammensetzung des Darmmikrobioms der Patienten vor Beginn der CAR-T-Therapie konnten das spätere Ansprechen auf die Behandlung genau vorhersagen. Das galt allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Patienten zuvor nicht mit Breitspektrum-Antibiotika vorbehandelt worden waren.
Immer mehr Belege aus Humanstudien und präklinischen Experimenten deuten darauf hin, dass das Darmmikrobiom die Wirksamkeit von T-Zell-basierten Krebsimmuntherapien wie der Immun-Checkpoint-Blockade beeinflussen kann. Die Immuntherapie mit CAR-T-Zellen hat Patienten mit bestimmten Formen von B-Zell-Leukämien oder -Lymphomen neue Behandlungsoptionen eröffnet. Dabei werden den Erkrankten eigene T-Zellen entnommen und im Labor mit dem Rezeptor gegen das Oberflächenmolekül CD19 ausgestattet, das auf bestimmten Lymphomzellen vorkommt. Die so aufgerüsteten T-Zellen, nun als CAR-T-Zellen beznet, werden den Patienten zurückübertragen und gehen im Blut auf die Jagd nach den Tumorzellen. Die Ergebnisse dieser Therapie fallen jedoch recht unterschiedlich aus. Nur bei 40 Prozent der Behandelten kann die Erkrankung vollständig und langfristig zurückgedrängt werden.
Ein Team unter der Leitung von Eran Elinav, Leiter einer Brückenabteilung am DKFZ und am Weizmann Institute of Science (Israel), hat nun herausgefunden, dass das Darmmikrobiom die Wirksamkeit der CD19-CAR-T-Zell-Immuntherapie bei Patienten mit B-Zell-Leukämien oder -Lymphomen beeinflussen kann.
An der Studie waren Wissenschaftler aus mehreren Forschungszentren und Kliniken in Deutschland und den USA beteiligt. In dieser größten prospektiven Untersuchung ihrer Art wurden 172 Lymphompatienten, bei denen mehrere onkologische Vortherapien versagt hatten, von Beginn der CAR-T-Immuntherapie an über zwei Jahre lang beobachtet. Etwa 20 Prozent der Studienteilnehmer hatten vor der Übertragung der CAR-T-Zellen bestimmte Breitspektrum-Antibiotika („Hochrisiko-Antibiotika“) erhalten (z.B. Meropenem, Piperacillin-Tazobactam oder Cefepime), um gefährliche Infektionen zu behandeln.
Im Vergleich zu Studienteilnehmern, die andere oder gar keine Antibiotika erhalten hatten, sprachen Patienten dieser Gruppe schlechter auf die anschließende CAR-T-Therapie an. Die Forscher führen dieses schlechtere Ansprechen jedoch auf die Tatsache zurück, dass Patienten, die vor Beginn der CAR-T-Therapie solche „Hochrisiko-Antibiotika“ erhalten hatten, im Vergleich zu den übrigen Studienteilnehmern eine tendenziell höhere Tumorlast hatten und unter Entzündungen litten. Diese ungünstigen Bedingungen vor der Behandlung machten die anschließende CAR-T-Therapie weniger wirksam.
Nach Ausschluss der „Hochrisiko-Antibiotika-Patienten“ aus der Analyse erkannten die Forscher starke und zuvor maskierte Zusammenhänge zwischen der Zusammensetzung des Darmmikrobioms vor der CAR-T-Therapie und dem späteren klinischen Ansprechen auf die Immuntherapie (einschließlich des Überlebens der Patienten).
Um die Zusammenhänge weiter zu vertiefen, setzten die Forscher Modelle des maschinellen Lernens ein, die in der deutschen Kohorte trainiert und dann zur Validierung auf die entsprechenden amerikanischen Patienten angewendet wurden. Die Modelle waren in der Lage, die Therapieergebnisse zuverlässig vorherzusagen, allerdings auch nur dann, wenn Patienten ausgeschlossen wurden, die „Hochrisiko-Antibiotika“ erhalten hatten.
Das Darmmikrobiom von Lymphompatienten vor der Therapie kann also dazu beitragen, das Ansprechen auf die anschließende CD19-CAR-T-Therapie vorherzusagen, sofern es nicht durch die Gabe von Breitspektrum-Antibiotika gestört ist. Die Forscher identifizierten mehrere Schlüsselspezies des Mikrobioms, die eine Vorhersage der CAR-T-Wirksamkeit ermöglichen. Darunter waren Bakterien wie Bacteroides, Ruminococcus, Eubacterium und Akkermansia.
Insgesamt deckt die Studie starke Assoziationen zwischen Mikrobiomen und CAR-T-Ergebnissen auf, die nach Ansicht des Erstautors Christoph Stein-Thoeringer (jetzt Professor für Infektiologie und Translationale Mikrobiomforschung an der Universitätsmedizin Tübingen) zur Entwicklung von Mikrobiom-basierten Vorhersagen über die Ergebnisse der CAR-T-Zell-Immuntherapie beitragen können. Aussagen zur Kausalität der Beziehung zwischen dem Darmmikrobiom und den Ergebnissen der Krebsimmuntherapie sind zum jetzigen Zeitpunkt allerdings nicht möglich und müssen in weiteren Studien untersucht werden.
„Diese Ergebnisse zeigen, dass dieeinzigartigen Mikrobiomsignaturen das Potenzial haben, als Marker für Krankheiten und für das Ansprechen auf Behandlungen genutzt zu werden“, sagt Eran Elinav. „Mit unserer weiteren Forschung wollen wir dazu beitragen, dass die Mikrobiom-basierte Diagnostik und Therapien in die Präzisionsonkologie Eingang finden.“
Christoph K. Stein-Thoeringer, Neeraj Y. Saini , Eli Zamir, Viktoria Blumenberg, Maria-Luisa Schubert, Uria Mor, Matthias A. Fante, Sabine Schmidt, Eiko Hayase, Tomo Hayase, Roman Rohrbach, Chia-Chi Chang, Lauren McDaniel, Ivonne Flores, Rogier Gaiser, Matthias Edinger, Daniel Wolff, Martin Heidenreich, Paolo Strati, Ranjit Nair, Dai Chihara, Luis E. Fayad, Sairah Ahmed, Swaminathan P. Iyer, Raphael E. Steiner, Preetesh Jain, Loretta J. Nastoupil, Jason Westin, Reetakshi Arora, Michael L. Wang , Joel Turner, Meghan Menges, Melanie Hidalgo-Vargas, Kayla Reid, Peter Dreger, Anita Schmitt, Carsten Müller-Tidow, Frederick L. Locke, Marco L. Davila, Richard E. Champlin, Christopher R. Flowers, Elizabeth J. Shpall, Hendrik Poeck, Sattva S. Neelapu, Michael Schmitt, Marion Subklewe, Michael D. Jain, Robert R. Jenq & Eran Elinav: A non-antibiotic-disrupted gut microbiome is associated with clinical responses to CD19-CAR-T cell cancer immunotherapy.
Nature Medicine 2023, https://doi.org/10.1038/s41591-023-02234-6.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.300 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Beim Krebsinformationsdienst (KID) des DKFZ erhalten Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise individuelle Antworten auf alle Fragen zum Thema Krebs. Gemeinsam mit Partnern aus den Universitätskliniken betreibt das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) an den Standorten Heidelberg und Dresden, in Heidelberg außerdem das Hopp-Kindertumorzentrum KiTZ. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums an den NCT- und den DKTK-Standorten ist ein wichtiger Beitrag, um vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik zu übertragen und so die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.