Mit Strahlen gegen Herzrhythmusstörungen
Innovative Behandlungsmethode lässt Betroffene mit nicht behandelbaren Kammerrhythmusstörungen hoffen. Team der Strahlentherapie arbeitet mit Rhythmologen des Herzzentrums Dresden zusammen. Dresdner tragen mit Beteiligung an RAVENTA-Studie zur Etablierung der Methode in der Patientenversorgung bei.
Medizinerinnen und Mediziner aus der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden haben erstmals einen Patienten mit schweren Herzrhythmusstörungen mittels Strahlentherapie behandelt. Bei dem 72-Jährigen, der an einer strukturellen Herzerkrankung – der sogenannten nicht-ischämischen Kardiomyopathie – leidet, konnte mithilfe der Photonen die für die Störungen kritischen Areale im Herzen lahmgelegt werden. „Es gab für den Patienten keine andere Therapieoption mehr“, sagt Prof. Esther Troost, Direktorin der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie. „Innerhalb von wenigen Tagen haben wir den Fokus für die Herzrhythmusstörung in Absprache mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Herzzentrum an unserem hochmodernen Linearbeschleuniger bestrahlt.“ Seitdem hat sich der Zustand des Patienten insoweit stabilisiert, dass er keine lebensgefährlichen Kammerrhythmusstörungen mehr hat. Nun hoffen die Medizinerinnen und Mediziner, dass sich die in der Literatur beschriebenen positiven Auswirkungen der experimentellen Behandlungsmethode auch bei ihm dauerhaft einstellen. Weltweit haben bislang nur um die 300 Patientinnen und Patienten eine solche Therapie erhalten, hier in Dresden war es die erste Bestrahlung ihrer Art.
Mit Strahlen gegen Herzrhythmusstörungen – dieses innovative Verfahren hat ein Team aus der Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie und Radioonkologie am Uniklinikum Dresden jetzt erstmalig angewendet. Der Patient leidet seit Langem an einer strukturellen Herzerkrankung, der sogenannten nicht-ischämischen Kardiomyopathie. Diese ist von einer ausgeprägten Herzschwäche begleitet, was zu lebensgefährlichen Kammerrhythmusstörungen führen kann. „Sein implantierter Defibrillator löste deshalb mehrfach aus, um das Herz wieder in Takt zu bringen – bei teilweise vollem Bewusstsein. Das ist ein mitunter sehr traumatisches Ereignis für die Betroffenen“, sagt Dr. Micaela Ebert, Oberärztin der Klinik Innere Medizin und Kardiologie im Herzzentrum Dresden der Universitätsklinik. Eine medikamentöse Behandlung der Störungen konnte ihm ebenso wenig helfen, wie die Verödung der für die Störungen verantwortlichen Bereiche im Herzmuskel per Katheterbehandlung. „Das Zielgebiet der Störung liegt bei dem Patienten sehr tief in der muskulären Wand der Herzbasis, also dort, wo die Herzkammer häufig am dicksten ist. Mit konventionellen Therapien konnten wir hier nicht helfen“, sagt Prof. Sergio Richter, Sektionsleiter der Rhythmologie im Herzzentrum.
An dieser Stelle haben die Expertinnen und Experten aus dem Herzzentrum Rat in der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie gesucht. Denn schon seit längerem wird an Möglichkeiten geforscht, Strahlentherapie neben der Tumorbehandlung auch zur Therapie anderer Erkrankungen einzusetzen. Die Hochschulmedizin Dresden ist unter anderem eins von sieben Studienzentren in Deutschland, die sich an der RAVENTA Studie beteiligen. Gemeinsam wollen sie die Durchführbarkeit und Sicherheit einer Hochpräzisionsbestrahlung (die sogenannte stereotaktische Strahlentherapie) für Patientinnen und Patienten mit anhaltenden und austherapierten Herzrhythmusstörungen im Bereich der Herzkammern (ventrikuläre Tachykardien) untersuchen. Weltweit wurde diese Methode erst bei 300 Menschen angewandt. In der Studie sollen Behandlungsergebnisse von 20 Patientinnen und Patienten berücksichtigt und ausgewertet werden. In Dresden wurde nun der erste Patient im Rahmen dieser Studie behandelt.
Bisher wird diese Form von Herzrhythmusstörungen entweder mit Medikamenten, einem eingesetzten Herzschrittmacher mit der Fähigkeit zur Schockabgabe oder der Verödung der betroffenen Herzmuskelareale über spezielle Katheter behandelt. Dennoch kommt es bei bis zu 50 Prozent der Betroffenen auch danach noch zu wiederholten Rhythmusstörungen. „Im vorliegenden Fall war die Behandlung der Herzrhythmusstörungen mit Bestrahlung die letztmögliche Therapieoption“, sagt Prof. Esther Troost. Ziel des experimentellen Verfahrens ist ähnlich wie bei einer Katheterablation, die Stellen im Herzen „lahmzulegen“, von der die fehlerhaften Erregungssignale ausgehen, die zu den potentiell tödlichen Kammerrhythmusstörungen führen. Während der vorherigen Katheterablation wurde von den Rhythmologinnen und Rhythmologen eine hochauflösende 3-D-Darstellung der Herzkammer (Mapping) erzeugt, um diese Stelle genau zu lokalisieren und zu markieren. Diese Daten wurden in das anschließend durchgeführte 4-D-Planungs-CT integriert. Auf dieser Grundlage konnten die Strahlentherapeutinnen und -therapeuten Prof. Esther Troost, Dr. Annika Lattermann und Dr. Fabian Lohaus – ähnlich wie bei der Bestrahlungsplanung von zum Beispiel bösartigen Tumoren – ihre strahlentherapeutische Planung und letztlich die Therapie durchführen. „Dabei galt es vor allem, das umliegende sehr sensible Gewebe wie Herz, Herzmuskel oder die Herzklappen nicht zu beschädigen. Das ist uns gelungen. In der regelmäßigen Nachsorge begleiten wir den Patienten weiterhin und wünschen alles Gute für die weitere Genesung“, sagt die behandelnde Ärztin Dr. Annika Lattermann.
„Wissenschaft und Patientenversorgung gehen an der Hochschulmedizin Dresden Hand in Hand. Der vorliegende Fall verdeutlicht dies erneut hervorragend. Nicht nur, dass wir mit innovativer, moderner Therapie dem Patienten helfen konnten. Wir leisten damit auch einen großen Anteil für die Forschung. Die RAVENTA Studie hilft dabei, die Methode in der Patientenversorgung zu etablieren“, sagt Prof. Esther Troost, Dekanin der Medizinischen Fakultät an der TU Dresden.
„Das Beispiel zeigt: Die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizinerinnen und Medizinern aus dem Universitätsklinikum und der Klinik für Innere Medizin und Kardiologie des Herzzentrums Dresden des Universitätsklinikums funktioniert und ist im Sinne der Patientinnen und Patienten erfolgreich“, sagt Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand am Universitätsklinikum. „Enge Absprachen, kurze Wege und eine räumliche Nähe auf dem Campus in der Johannstadt bedingen dieses Erfolgsmodell.“
„Insbesondere bei einem hochkomplex erkrankten Patienten zeigt sich der Mehrwert der interdisziplinären Versorgung an einer Exzellenzuniversität. Diese neue Behandlungsmethode, die wir im Team anbieten können, müssen wir Hilfesuchenden durch entsprechende Öffentlichkeitsarbeit bewusstmachen“, sagt Prof. Axel Linke, Ärztlicher Direktor des Herzzentrums Dresden