Bakterien-Wirkstoff eröffnet neue Therapieoption gegen Kupferspeicherkrankheit

Ein Molekül aus Methan-oxidierenden Bakterien könnte sich für die Therapie gegen die Kupferspeicherkrankheit anbieten. Das haben Forschende um Helmholtz Munich Forscher Hans Zischka in einer neuen Studie herausgefunden. Im Rattenmodell senkte das Molekül namens ARBM101 das Kupfer in der Leber innerhalb einer Woche auf normale physiologische Werte – erheblich effizienter als herkömmliche Arzneien. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift Gastroenterology veröffentlicht.

Die Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson ist eine seltene, erbliche Störung des Kupferstoffwechsels in der Leber. Durch eine defekte Ausscheidung über die Galle kommt es bei Patient:innen zur Anreichung von Kupfer vor allem in Leber und Gehirn. Die Krankheit führt unbehandelt oft zum Tod. Doch bei frühzeitiger Diagnose und konsequenter medikamentöser Therapie können Betroffene mit einer normalen Lebenserwartung, oft ohne erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen, rechnen.

Bei den derzeitigen Behandlungen der Krankheit kommen verschiedene Wirkstoffe zum Einsatz. Chelat-Bildner, beispielsweise, sollen das überschüssige Leberkupfer binden und die Ausscheidung, zumeist über den Urin, fördern. Dies kann zwar die Menge an Kupfer allmählich reduzieren, doch die Werte kommen nicht in die Nähe normaler physiologischer Werte. Folglich sind lebenslange tägliche Dosierungen erforderlich, um das Fortschreiten der Krankheit zu verhindern. Mangelnde Therapietreue der Patient:innen oder unerwünschte Arzneimittelreaktionen können jedoch zu schwerwiegenden Problemen und schließlich auch zum Scheitern der Behandlung führen.

Wirkstoff aus Bakterien als neue Therapieoption

Im Vergleich zu den synthetischen Chelat-Bildnern, sind Methan-oxidierende Bakterien wahre Kupferjäger. Durch ihren lebensnotwendigen Bedarf an Kupfer, haben sie ihre Methode der sicheren und wirksamen Kupfermobilisierung optimiert: Sie produzieren und scheiden das Molekül „Methanobactin“ (MB) aus, das Kupfer sehr effizient bindet und nachfolgend aufgenommen wird. Dabei produzieren die unterschiedlichen Bakterienstämme jeweils ihr „typisches“ Methanobactin, sodass es sich mittlerweile um eine ganze Familie sogenannter „Chalkophore“ (altgriechisch χαλκός chalkós für Kupfer) handelt. Trotz struktureller Unterschiede sind alle Vertreter hochgradig kupferspezifisch und mobilisieren das essenzielle Übergangsmetall. Folglich könnten sie für die Kupfermobilisierung und -ausscheidung zur Behandlung von Morbus Wilson geeignet sein, und somit neue Therapieoptionen eröffnen.

Ein internationales Forscherteam aus Deutschland, Dänemark, Portugal, der Republik Korea und den USA um Hans Zischka, Leiter der Arbeitsgruppe „Mitochondriale Toxikologie“ am Institut für Molekulare Toxikologie und Pharmakologie bei Helmholtz Munich und am Institut für Toxikologie und Umwelthygiene der Technischen Universität München (TUM), hat nun Vertreter aus unterschiedlichen Gruppen der Methanobactine im Hinblick auf eine effiziente Kupferausscheidung im Rattenmodell für Morbus Wilson untersucht. Die Forschenden legten einen besonderen Fokus auf das MB mit dem Namen ARBM101. Um die Behandlungssicherheit und Wirkungsdauer zu testen, entwickelte das Forschungsteam eine neue Behandlung aus wöchentlichen Anwendungen, gefolgt von monatelangen Behandlungspausen. Die Ergebnisse zeigten: Der Wirkstoff ARBM101 senkte das Kupfer in der Leber innerhalb von acht Tagen auf normale physiologische Werte und machte somit eine kontinuierliche Behandlung überflüssig. Zudem war der Wirkstoff im Modell sehr gut verträglich und negative Effekte in anderen Organen konnten nicht beobachtet werden.

Kurze Behandlung, Lange Pausen

Die Forschungsergebnisse sind von besonderer Bedeutung, da sie neue Behandlungsmöglichkeiten der sogenannten Kupferspeicherkrankheit eröffnen. Der untersuchte Wirkstoff ARBM101 scheidet überschüssiges Leberkupfer den Forschenden zufolge nicht nur sicher und effizient aus, sondern kürzt den Therapiezeitraum erheblich und ermöglicht somit sogar Ruhepausen zwischen den Behandlungen.
„Eine Schlüsselerkenntnis unserer Arbeit ist, dass Moleküle zur Behandlung von Metallüberschuss Erkrankungen, eben nicht „nur“ sehr spezifisch für das jeweilige Metall sein müssen, sondern diese nach Bindung auch mobil halten, ihre Reaktivität abschirmen und sie sicher zur Ausscheidung bringen müssen. Das zeigt uns die Natur meisterhaft in Form der Methanobactine!“ so der Leiter der Studie Hans Zischka.

Originalpublikation:

Einer et al. (2023): ARBM101 (Methanobactin SB2) drains excess liver copper via biliary excretion in Wilson Disease rats. Gastroenterology. DOI: https://doi.org/10.1053/j.gastro.2023.03.216