Augenheilkunde als Vorreiterin der Ambulantisierung DOG warnt: „Mehr ginge zu Lasten der Patientinnen und Patienten“
Ambulantisierung ist ein wichtiger Eckpunkt der großen Krankenhausreform, die derzeit von der Krankenhauskommission der Bundesregierung erarbeitet wird. Auf dem skizzierten Weg sieht die Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG) ihr eigenes Fach bereits weit fortgeschritten: Einer aktuellen Umfrage zufolge finden in Augenkliniken heute bereits 80 Prozent der Behandlungen ambulant statt. Im Hinblick auf die Ambulantisierung nehme die Ophthalmologie daher eine Vorreiterrolle ein, so die DOG. Die Fachgesellschaft warnt zugleich davor, den stationären Anteil noch wesentlich abzusenken – ein weiterer radikaler Schritt in der Augenheilkunde ginge auf Kosten der Patientinnen und Patienten.
Knapp über 84 Prozent – so hoch ist bereits jetzt der Anteil der ambulanten Leistungen an Deutschlands Augenkliniken. Das ist das Ergebnis einer Online-Umfrage, die die DOG gemeinsam mit der Vereinigung der Ophthalmologischen Lehrstuhlinhaber (VOL) und der Vereinigung Deutscher Ophthalmologischer Chefärzte (DOCH) durchgeführt hat. „Entsprechend werden nur knapp 16 Prozent der Patienten stationär behandelt“, sagt Professor Dr. med. Claus Cursiefen, Generalsekretär der DOG, der die Umfrage mit initiiert hat.
Die Daten beziehen sich auf das Jahr 2019 und markieren den vorläufigen Endpunkt einer jahrelangen Entwicklung hin zu mehr ambulanten und weniger stationären Behandlungen. „Mit dieser Entwicklung hat unser Fach die aktuelle Forderung nach Ambulantisierung quasi bereits vorweggenommen“, so Cursiefen. Hauptursache für den Trend hin zur ambulanten Augenheilkunde sei die beeindruckende Entwicklung minimalinvasiver Operationstechniken in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten.
Hierdurch habe sich zum einen das Behandlungsspektrum vergrößert, zum anderen liefen die Eingriffe deutlich schonender ab und machten so eine ambulante Versorgung überhaupt erst möglich. „Das lässt sich sehr gut an einer der häufigsten Augenoperationen überhaupt, der Operation des Grauen Stars, demonstrieren“, erklärt Cursiefen. Während jährlich mindestens 700.000 Kataraktoperationen in Deutschland erfolgen, wurden davon im Jahr 2021 laut Statistischem Bundesamt nur 93.922 im stationären Bereich erbracht – das entspricht etwa 13 Prozent. „Der Eingriff findet nur noch relativ selten stationär statt“, so Cursiefen.
An der Umfrage nahmen 56 der insgesamt 102 deutschen Augenkliniken teil, in die Auswertung konnten 51 davon einbezogen werden. „Damit stand uns – mit Ausnahme der Versorgung in Belegabteilungen – eine große, repräsentative Stichprobe zur Verfügung“, sagt Dr. Philip Gass, Geschäftsführer der DOG. In den einzelnen Kliniken seien im Index-Jahr 2019 zwischen 813 und 70.000 Behandlungen dokumentiert worden – durchschnittlich rund 21.400 pro Klinik –, die sich rechnerisch zu einer Gesamtzahl von knapp 1,1 Millionen addierten. „Bei 915.836 ambulanten Behandlungen ergibt sich die erwähnte Quote von 84,1 Prozent“, erläutert Gass. Augenkliniken erbringen somit nicht nur die gesamte stationäre ophthalmologische Versorgung, sondern auch einen erheblichen Teil der ambulanten.
Die stationäre zugunsten einer ambulanten Behandlung zu reduzieren, wie es die Reformpläne vorsehen, ist für die Augenheilkunde damit kein Neuland. „Wir begrüßen diese Tendenz prinzipiell“, sagt Cursiefen. Eine leichte Erhöhung der ambulanten Versorgungsquote sei vermutlich auch im Bereich der Ophthalmologie noch möglich. „Allerdings ist das Potenzial in unserem Fach weitgehend ausgeschöpft“, merkt der DOG-Generalsekretär an.
Die DOG drängt daher darauf, bei der konkreten Ausgestaltung der Reform Augenmaß walten zu lassen und zumindest in Hinblick auf die Augenheilkunde zu differenzieren. „Patientinnen und Patienten mit stationärem Behandlungsbedarf müssen auch weiterhin stationäre Leistungen in Anspruch nehmen können“, betont Cursiefen. Dazu zählten unter anderem Kinder und Personen mit dementiellen Erkrankungen, aber auch Menschen mit schweren Allgemeinerkrankungen oder Komplikationen. „Eine weitere deutliche Absenkung des stationären Anteils ginge letztlich zulasten dieser besonders vulnerablen Gruppen“, warnt der DOG-Generalsekretär.