Das Virus in eine Falle locken
Heidelberger Forscher beschreiben Mechanismen, die bei der Verhinderung von Infektionen durch Influenza-A- und Ebola-Viren eine Rolle spielen könnten
Viren wie Influenza A und Ebola gelangen über verschiedene Schritte in menschliche Zellen. Die letzten Stadien ihres Eindringens haben Forschungsteams der Universität Heidelberg und des Universitätsklinikums Heidelberg in einem interdisziplinären Ansatz mittels Elektronentomographie und Computersimulationen untersucht. Für Influenza-A-Viren konnten sie klären, wie das Immunsystem diese mittels eines kleinen Proteins abwehrt. Für Ebola-Viren haben sie herausgefunden, dass für eine erfolgreiche Infektion eine bestimmte Proteinstruktur aufgelöst werden muss. Eine zentrale Rolle spielen dabei sogenannte Fusionsporen, durch die das virale Genom in die Wirtszelle entlassen wird. Gelingt es, deren Bildung zu verhindern, wird auch das Virus geblockt. Die Heidelberger Wissenschaftler beschreiben bislang unbekannte Mechanismen, die zu neuen Ansätzen für die Verhinderung von Infektionen führen könnten.
Viele Viren, die den Menschen befallen, sind mit einer Lipidmembran umhüllt. Dort befinden sich Glykoproteine, mit denen sie an menschliche Zellen andocken können. Bei Viren wie dem Influenza-A-Virus, die über die Atemwege übertragen werden, sind dies die Spike-Proteine, die hauptsächlich an Epithelzellen in Nase und Lunge binden. Das hoch ansteckende Ebola-Virus dagegen verbreitet sich durch direkten Kontakt mit infizierten Körperflüssigkeiten und kann in ein breites Spektrum von Zelltypen eindringen. Nach dem Eindringen in menschliche Zellen müssen diese Viren eine Fusionspore zwischen der Virusmembran und der Wirtsmembran öffnen, um ihr Genom durch diese Pore in die Wirtszelle freizusetzen und sich zu vermehren.
Um das Virus abzuwehren, versucht das menschliche Immunsystem in einem mehrstufigen Prozess die Bildung der Fusionspore zu blockieren. Infizierte Zellen spüren die Anwesenheit des fremden Genoms und senden ein Signal in Form des Moleküls Interferon an noch nicht infizierte Zellen. Dort führt dieses Signal zur Produktion eines kleinen zellulären Proteins namens Interferon-induziertes Transmembranprotein 3 (IFITM3). „Dieses Protein mit spezieller Funktion kann das Eindringen von Viren wie Influenza A, aber auch SARS-CoV-2 sowie Ebola wirksam verhindern, aber die zugrundeliegenden Mechanismen waren bislang unbekannt“, so der Virologe Dr. Petr Chlanda, dessen Arbeitsgruppe am BioQuant-Zentrum der Universität Heidelberg sowie am Center for Integrative Infectious Disease Research des Universitätsklinikums Heidelberg angesiedelt ist. Die Forscherinnen und Forscher konnten nun zeigen, dass IFITM3 bei Influenza-A-Viren die Lipide in der Membran lokal und selektiv sortiert. Damit wird verhindert, dass sich die Fusionsporen bilden. „Die Viren sind gewissermaßen in einer Lipidfalle gefangen. Unsere Forschungen deuten darauf hin, dass sie schließlich zerstört werden“, erklärt Dr. Chlanda.
Für die Analyse der strukturellen Details von Viren nutzten Dr. Chlanda und sein Team die Ausstattung des Kryo-Elektronenmikroskopie-Netzwerks an der Ruperto Carola. In einem interdisziplinären Ansatz haben die Forschungsgruppen von Prof. Dr. Ulrich Schwarz, angesiedelt am BioQuant-Zentrum und am Institut für Theoretische Physik, und von Prof. Dr. Walter Nickel vom Biochemie-Zentrum der Universität Heidelberg diesen Vorgang mittels Computersimulationen vorausgesagt. Im Rahmen einer antiviralen Therapie ist es nach Meinung der Wissenschaftler denkbar, Lipid-sortierende Peptide zu entwickeln, die sich in die Virusmembran einfügen und so die Viren für eine Membranfusion unfähig machen. „Solche Peptide könnten zum Beispiel in einem Nasenspray eingesetzt werden“, sagt Petr Chlanda.
In einer zweiten Studie haben die Heidelberger Forscherinnen und Forscher das Eindringen und die Fusion des Ebola-Virus untersucht. Die fadenförmige Morphologie des Virus wird durch eine flexible Proteinhülle bestimmt – die sogenannte VP40-Matrixproteinschicht. „Wie dieses lange Virus in die Zelle eindringen, mit der Membran fusionieren und sein Genom freisetzen kann, war uns immer ein Rätsel“, sagt Dr. Chlanda. Mit ihrer strukturellen Analyse infizierter, aber inaktiver Zellen, die Kollegen des Friedrich-Loeffler-Instituts in Greifswald zur Verfügung gestellt haben, fanden die Wissenschaftler heraus, dass sich diese Virusproteinhülle bei niedrigem pH-Wert – in einer sauren Umgebung – auflöst. Dieser Schritt ist nicht zuletzt für die Bildung der Fusionspore entscheidend, wie weitere Computersimulationen von Prof. Schwarz und Prof. Nickel gezeigt haben. Während dieses Prozesses werden die elektrostatischen Wechselwirkungen der VP40-Matrix mit der Membran geschwächt und damit die Energiebarriere für die Bildung von Fusionsporen gesenkt. Die Ergebnisse der Heidelberger Grundlagenforschung legen nahe, dass eine Blockade der Auflösung dieser Schicht eine Möglichkeit wäre, Ebola-Viren in einem Zustand zu halten, der die Bildung einer Fusionspore nicht zulässt. Ähnlich wie im Fall der Influenza-A-Viren wäre das Ebola-Virus dann in eine Falle gelockt, die es nicht mehr verlassen kann.
Die Untersuchungen waren Teil des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Sonderforschungsbereichs „Integrative Analyse der Replikation und Ausbreitung pathogener Erreger“ (SFB1129). Die Forschungsergebnisse wurden in den Fachzeitschriften „Cell Host & Microbe“ sowie „EMBO Journal“ veröffentlicht.
Originalpublikation:
S. Winter, G. Golani, F. Lolicato, M. Vallbracht, K. Thiyagarajah, S. Sid Ahmed, C. Lüchtenborg, O. Fackler, B. Brügger, T. Hoenen, W. Nickel, Ulrich Schwarz, P. Chlanda: The Ebola virus VP40 matrix layer undergoes endosomal disassembly essential for membrane fusion. EMBO Journal e113578 (21 April 2023); DOI: 10.15252/embj.2023113578