Leukämie

CAR-T-Zell-Therapie auch bei jüngsten B-ALL-Patienten einsetzbar

Original Titel:
Tisagenlecleucel therapy for relapsed or refractory B-cell acute lymphoblastic leukaemia in infants and children younger than 3 years of age at screening: an international, multicentre, retrospective cohort study

Kurz & fundiert

  • CAR-T-Zell-Therapie: Körpereigene T-Zellen gentechnisch verändert, um Krebszellen zu markieren
  • Kinder mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL)
  • Unter 3 Jahren bislang nicht in klinischen Studien mit CAR-T-Immuntherapie
  • Multizentrische, restrospektive Kohortenstudie in Europa
  • Tisagenlecleucel-Infusion für 35 Kinder bis 3 Jahren

 

MedWiss – Bei der CAR-T-Immuntherapie werden T-Zellen des Immunsystems aus dem Blut eines Patienten gewonnen und gentechnisch so verändert, dass sie Krebszellen für das Immunsystem des Patienten sichtbar machen können. Die CAR-T-Zell-Therapie Tisagenlecleucel zeigte sich nun in einer multizentrischen Kohortenstudie auch bei sehr jungen Kindern bis 3 Jahren effektiv und mit einem akzeptablen Sicherheitsprofil.


Kinder im Alter von unter 3 Jahren wurden in der Phase-2-Studie zum Einsatz der CAR-T-Zell-Therapie Tisagenlecleucel bei Kindern mit akuter lymphoblastischer Leukämie (ALL) ausgeschlossen. Daher ist bislang unklar, wie machbar, wie sicher und wie wirksam eine solche Therapie bei Kleinkindern ist. Die Mehrzahl von Kleinkindern mit ALL leidet an einer Hochrisiko-Form (KMT2A-rearranged) und hat historisch eher schlechte Prognosen, selbst bei intensivierter Chemotherapie. Neuere Therapien werden daher für diese Patientengruppe dringend benötigt. Experten untersuchten nun die Echt-Welt-Ergebnisse von Behandlungen mit Tisagenlecleucel bei sehr jungen Kindern und Babies mit akuter lymphoblastischer Leukämie.

Kleinkinder bislang nicht in klinischen Studien zur CAR-T-Immuntherapie

CAR-T-Zell-Therapie steht für autologe chimerische Antigenrezeptor-T-Zell-Therapie. Bei der CAR-T-Immuntherapie werden T-Zellen des Immunsystems aus dem Blut eines Patienten gewonnen und gentechnisch so verändert, dass sie das künstliche Oberflächenmerkmal CAR (chimeric antigen receptor) tragen. Diese neuen CAR-T-Zellen werden dann im Labor vermehrt und dem Patienten als Infusion verabreicht. Sie heften sich an das Oberflächenmerkmal CD19 von Krebszellen und machen es so für das Immunsystem des Patienten sichtbar.

Multizentrische, retrospektive Kohortenstudie in 10 europäischen Ländern

Die retrospektive Kohortenstudie wurde multizentrisch und international durchgeführt. 15 Kliniken in 10 europäischen Ländern nahmen an der Studie teil. Kleine Patienten bis 3 Jahre wurden zwischen 1. September 2018 und 1. September 2021 in die Studie aufgenommen, wenn sie an einem Rückfall mit oder einer refraktären Vorläufer-B-Zell-ALL litten. Die Kinder erhielten eine einzelne intravenöse Infusion mit Tisagenlecleucel. Die Ergebnisse der CAR-T-Zell-Therapie verfolgten die Wissenschaftler anhand des Anteils der Kleinkinder, die insgesamt ihre schwere Erkrankung überlebten und die ohne weitere Krankheitsereignisse überlebten. Darüber hinaus wurde ermittelt, wie häufig es zu einer B-Zell-Aplasie sowie zu Unverträglichkeiten gegenüber der Behandlung kam. Eine B-Zell-Aplasie, also Zerstörung auch gesunder B-Lymphozyten, kann eine Folge der CAR-T-Zell-Therapie sein, da auch gesunde B-Zellen das Oberflächenmerkmal aufweisen und so durch die Therapie angreifbar sind.

Tisagenlecleucel-Infusion für 35 Kinder bis 3 Jahren

In den teilnehmenden Kliniken wurden 38 junge Patienten auf eine mögliche Behandlung mit Tisagenlecleucel überprüft. 35 (92 %) erhielten eine Tisagenlecleucel-Infusion. 29 Kinder (76 %) von anfangs 38 Patienten hatten eine KMT2A-rearranged-ALL, 25 Kinder (66 %) hatten einen Rückfall nach einer vorherigen, allogenen hämatopoietischen Stammzelltransplantation (HSCT) erlitten. Die Patienten hatten im Schnitt (Median) zuvor 2 verschiedene Therapien (ohne Stammzelltransplantation) erhalten. Dies umfasste Inotuzumab bei 7 Kindern (18 %) und Blinatumomab bei 14 Kindern (37 %). Nach einem Median von 14 Monaten (Interquartilbereich, IQR: 9 – 21 Monate) betrug der Anteil des Gesamtüberlebens über 12 Monate nach Tisagenlecleucel 84 % (IQR: 64 – 93 %; 5 Kinder verstarben). Ereignisfrei überlebten 69 % (IQR: 47 – 83 %; 9 Krankheitsereignisse). In einer strikteren Betrachtung des ereignisfreien Überlebens betrug der Anteil 41 % (IQR: 23 – 58; 18 Ereignisse). Die Wahrscheinlichkeit für eine anhaltende B-Zell-Aplasie betrug 70 % (95 % Konfidenzintervall, KI: 46 – 84; 7 Ereignisse) nach 12 Monaten.

Zu einem kompletten Ansprechen ohne nachweisbare Resterkrankung, mit oder ohne hämatologischer Erholung, kam es bei 24 von 28 Kindern (86 %), die die Infusion erhalten hatten und bei denen zu Behandlungsbeginn die molekulare Untersuchung die Erkrankung bestätigt hatte. 7 Patienten hatten vor der Infusion und nach einer Bridging-Therapie keinen Hinweis auf Resterkrankung im Knochenmark aufgewiesen und konnten so nicht als komplettes Ansprechen auf die CAR-T-Zell-Therapie gewertet werden. Die 4 Kinder, die nicht auf die CAR-T-Zell-Infusion ansprachen, verstarben innerhalb von 3 Monaten nach der Infusion infolge des Krankheitsfortschritts.

Komplettes Ansprechen ohne nachweisbare Resterkrankung bei 86 %

Unerwünschte Ereignisse im Rahmen der Behandlung umfassten zudem ein Zytokine-Release-Syndrom, zu dem es, in jedwedem Schweregrad, bei 21 Patienten (60 %) von 35 Patienten mit CAR-T-Zell-Therapie kam. Zu einem Zytokine-Release-Syndrom Grad 3 oder schwerer kam es bei 5 Kindern (14 %), eine Neurotoxizität jedweden Grades, jedoch nie schwerwiegend, trat bei 9 Kindern (26 %) auf.

Antitumor-Aktivität bei Vorläufer-B-Zell-ALL im Kleinkindalter

Die Analyse der Echtwelt-Behandlungsdaten legt nahe, dass Tisagenlecleucel Antitumor-Aktivität bei Vorläufer-B-Zell-ALL im Kleinkindalter hat und auch bei sehr jungen Patienten ein akzeptables Sicherheitsprofil aufweist.

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