Start einer Phase-1-Studie mit neuartigen thermosensitiven Liposomen bei Patienten mit Weichgewebesarkom
Bösartige Tumore der Muskeln und Weichteile (Sarkome) sind schwer zu behandeln. Eine neue Therapie am LMU Klinikum könnte die Prognose betroffener Patient:innen deutlich verbessern. In einer klinischen Studie wird jetzt ein Krebsmedikament (Doxorubicin) in kleine Fettpartikel (Liposomen) verpackt, damit es im Blutkreislauf nicht freigesetzt wird, sondern erst im Tumor selbst, wenn dieser mittels gezielter Mikrowellen-Hyperthermie auf 40 Grad Celsius erwärmt wird.
Erstmals wurden am LMU Klinikum neuartige thermosensitive Liposomen (THE001), die mit dem Krebsmedikament Doxorubicin beladen sind, zur Therapie von Patienten mit bösartigen Tumoren der Weichteile (Weichgewebesarkome) eingesetzt. Dabei handelt es sich um mikroskopisch kleine Vesikel mit einer hitzeempfindlichen Lipiddoppelschicht als Hülle, in der Doxorubicin eingeschlossen ist.
THE001 wird intravenös verabreicht. Das im Liposom eingeschlossene Doxorubicin zirkuliert, zunächst von der Lipiddoppelschicht abgeschirmt, im Blutkreislauf. Erst wenn die Liposomen den Tumor erreichen, der zuvor mit Hilfe eines Mikrowellen-Hyperthermie-Systems auf Temperaturen von über 40 Grad Celsius erhitzt wurde, erfolgt eine schlagartige Freisetzung des Wirkstoffs. Die mit Hilfe dieser Technologie erreichbaren hohen Wirkstoffkonzentrationen im Tumor sollen dazu beitragen, die Wirksamkeit von Doxorubicin, dem wichtigsten Medikament in der Sarkomtherapie, deutlich zu verbessern. Auf diese Weise sollen auch schlecht durchblutete Tumorbereiche besser erreicht und die Entwicklung einer Chemotherapie-Resistenz vermieden werden. Dies ist durch die Verabreichung von herkömmlichem Doxorubicin aufgrund systemischer Nebenwirkungen bei höherer Dosierung nicht möglich. Die Wirksamkeit von THE001 könnte durch eine Immunreaktion, die durch die regionale Hyperthermie in Verbindung mit den absterbenden Tumorzellen ausgelöst wird, synergistisch weiter verstärkt werden.
Interdisziplinäre Grundlagenforschung
Die Entwicklung von THE001 basiert auf Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Phospholipidsynthese am Max-Planck-Institut für Biophysika-lische Chemie (Prof. Dr. Hansjörg Eibl), zu thermosensitiven Liposomen (Prof. Dr. Lars Lindner, Dr. Martin Hossann) und zum klinischen Einsatz der regionalen Tiefenhyperthermie bei Weichgewebesarkomen (Prof. Dr. Lars Lindner, Prof. Dr. Rolf Issels), letztere beide in der Medizinischen Klinik III des LMU Klinikums (Direktor: Prof. Dr. Dr. Michael von Bergwelt). Grundlegend für die Entwicklung von THE001 war die Entdeckung, dass sogenannte Phosphatidyloligoglycerine die Zirkulationszeit von Liposomen im Blutkreislauf verlängern und gleichzeitig die wärmeinduzierte Freisetzung von Wirkstoffen verstärken. In präklinischen Untersuchungen konnten mittels THE001 bis zu 15-fach höhere Doxorubicin-Konzentrationen im Tumorgewebe erreicht werden.
Der Weg in die Klinik wurde maßgeblich durch erfolgreiche Heilversuche an Hauskatzen gefördert, die an einem Weichteilsarkom erkrankt waren und deren Besitzer zur Behandlung die Medizinische Kleintierklinik der LMU München aufgesucht hatten. Ein weiterer Kooperationspartner war das Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München (TUM). Es folgte im Jahr 2015 die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderte Ausgründung der Thermosome GmbH mit Sitz in Martinsried. Gleichzeitig wurden weitere Forschungsmittel eingeworben, die das LMU Klinikum und Thermosome seither für die weitere gemeinsame Erforschung dieser Technologie nutzen. Für THE001 erhielt die Thermosome im März 2023 die behördliche Genehmigung zur klinischen Prüfung. Die Phase-1-Studie wird am Sarkomzentrum des LMU Klinikums sowie am Helios Klinikum Berlin-Buch durchgeführt (Leiter der klinischen Studie: PD Dr. Peter Reichardt, Co-Leitung: PD Dr. Dorit Di Gioia).
Unverzichtbar für den Therapieeffekt: regionale Hyperthermie
Grundlage des Einsatzes von THE001 ist die für die Behandlung von Weichgewebesarkomen inzwischen etablierte regionale Hyperthermie. Dabei wird mit Hilfe von Mikrowellen das Tumorgewebe über 60 Minuten parallel zur verabreichten Chemotherapie auf Temperaturen von 40 bis 43 Grad Celsius erwärmt. Über eine am LMU Klinikum initiierte Phase-3-Studie konnte der Stellenwert der Hyperthermie in Verbindung mit einer Doxorubicin-basierten Chemotherapie für Weichgewebesarkome gezeigt werden. Patienten mit lokal fortgeschrittenen Tumoren und erhöhtem Risiko für das Auftreten von Metastasen, die zusätzlich zur Operation auf diese Art und Weise behandelt wurden, zeigten ein um 27 Prozent verbessertes Überleben im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie. Neben einer Wirkungsverstärkung der Chemotherapie wird auch die Auslösung einer Immunantwort durch die kombinierte Behandlung angenommen.
Trotz dieser Erfolge zeigen bisher nur weniger als 30 Prozent der behandelten Tumoren ein objektives Ansprechen auf die Therapie. Bis zu 50 Prozent der Patienten versterben an einem Krankheitsrückfall, sodass eine Verbesserung der Therapie dringend erforderlich ist.
Prof. Lars Lindner:
Wir sind glücklich und stolz, nach intensiven präklinischen Forschungs-arbeiten zu unseren thermosensitiven Liposomen sowie der über die Thermosome erfolgten weiteren Optimierung, arzneimittelkonformen Herstellung und notwendigen Sicherheitsprüfungen, nun den Schritt zur klinischen Prüfung geschafft zu haben. Ziel der Phase-1-Studie ist die Beurteilung der Sicherheit und Verträglichkeit von steigenden Dosierungen von THE001 bei Patienten mit Weichgewebesarkomen nach Versagen der Standardtherapie.
Prof. Dr. Lars Lindner ist Leiter des Sarkomzentrums (SarKUM), der Hyperthermie sowie der AG Liposomen am LMU Klinikum
Prof. Markus M. Lerch:
Für das LMU Klinikum ist diese Studie aus drei Gründen ein Meilenstein:
1) Das Medikament wurde in enger Zusammenarbeit zwischen Forschenden des LMU Klinikums und des Max-Planck-Instituts für Biophysikalische Chemie entwickelt. Ein Vorbild für die immer stärkere Zusammenarbeit zwischen LMU Klinikum und Max-Planck-Gesellschaft.
2) Zur Umsetzung in die Praxis wurde eine Firma in Martinsried vor den Toren des LMU Klinikums ausgegründet. Eine weitere der 19 Ausgründungen aus der LMU Medizin oder der Max-Planck-Gesellschaft, die sich der Umsetzung wissenschaftlicher Erkenntnisse und Erfindungen in die Patientenversorgung verschrieben hat.
3) Die klinische Phase-1-Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit des neuen Medikaments wird am LMU Klinikum mit spezialisierten Kooperationspartnern in ganz Deutschland durchgeführt. Zu diesem Punkt zu kommen, dauert Jahre der Entwicklung und die Entschlossenheit aller Beteiligten. Nirgendwo in Deutschland sind die Chancen für eine solche Entwicklung so gut wie am Campus Großhadern/Martinsried. Das Ziel dabei ist immer die Zukunft zum Nutzen der Erkrankten zu gestalten und zu verbessern. In diesem Fall von Patient:innen mit einer sehr bösartigen Tumorerkrankung.
Prof. Dr. Markus M. Lerch ist Ärztlicher Direktor und Vorsitzender des Vorstands des LMU Klinikums München.