Studie: Pandemie zeigt negative Auswirkungen auf psychische Gesundheit sächsischer Studierender
Fast zwei Drittel nennen behandlungsbedürftige Krankheitszeichen
Depressionen, Angststörungen und Suizidgedanken sind die häufigsten psychischen Symptome, von denen sächsische Studierende im dritten Jahr der Corona-Pandemie berichteten. Insgesamt 5500 Teilnehmer:innen von sechs Hochschulen nahmen an der Studie der Universitätsmedizin Leipzig in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Dresden teil. Die Ergebnisse wurden im wissenschaftlichen Journal „Frontiers in Psychiatry“ veröffentlicht.
Die Corona-Pandemie ist zwar offiziell für beendet erklärt, die Folgen der dreijährigen Ausnahmesituation sind aber gegenwärtig. „Wir konnten zeigen, dass die Pandemie nach wie vor negative Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Studierenden hat“, sagt Prof. Christine Rummel-Kluge, Studienleiterin der Universitätsmedizin Leipzig. Die meisten psychischen Erkrankungen beginnen vor dem 24. Lebensjahr. Insbesondere Studierende haben ein erhöhtes Risiko, psychische Probleme und Erkrankungen zu entwickeln. Sie befinden sich in einer sensiblen Phase des Lebens, in der Leistungs- und Erwartungsdruck, sowie finanzielle und Zukunftssorgen eine große Rolle spielen.
Knapp 5500 Studierende an sechs verschiedenen Hochschulen in Sachsen nahmen an der Online-Umfrage im Frühjahr 2022 teil. Fast zwei Drittel gab klinisch relevante, also behandlungsbedürftige Krankheitszeichen an, darunter Symptome von Depressionen (35,5 Prozent) oder Angststörungen (31,1 Prozent). Fast ein Fünftel der Studierenden berichtete über akute Suizidgedanken.
Suizidgedanken steigen an
Starker Stress und Einsamkeit wurden als signifikant negative Faktoren für depressive Symptome identifiziert, während Resilienz und soziale Unterstützung als Schutzfaktoren erkannt wurden. Im Vergleich zu 2020 und 2021 waren die Werte für eine depressive Symptomatik im Jahr 2022 signifikant gesunken. Besorgniserregend für die Wissenschaftler:innen der Universitätsmedizin Leipzig ist, dass die Häufigkeit von Suizidgedanken in der aktuellen Studie am höchsten und mit 19,6 Prozent deutlich höher als in den beiden Vorjahren (16,5 Prozent und 14,5 Prozent) ausgeprägt war. Die Forschenden vermuten, dass der Anstieg der Suizidalität unter den Teilnehmenden unter anderem mit vermehrter Einsamkeit sowie sozialer Isolation unter Pandemiebedingungen einhergeht.
Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow schätzt ein: „Die Befragungsergebnisse bestätigen unsere Erkenntnisse während der Pandemie. Die psychische Belastung von Studierenden als Folge der pandemiebedingten Einschränkungen war immer wieder Thema in zahlreichen Gesprächen mit den Hochschulen und Studierendenvertretungen. Deshalb war es richtig, die Angebote der psychosozialen Beratung der Studentenwerke zu stärken, um Studierenden in ihren individuellen Situationen Hilfestellungen geben zu können.“
Mit einmalig 300.000 Euro aus dem Corona-Bewältigungsfonds des Freistaats wurden 2022 die sozialen Dienste der Studentenwerke zusätzlich unterstützt. „Die Situation der Studentinnen und Studenten war und ist uns bewusst.“, so Gemkow weiter. „Um den vielfältigen Beratungsbedarf finanziell auch längerfristig abzusichern, wurden die Mittel für die Studentenwerke zudem für dieses und für nächstes Jahr um jeweils rund 250.000 Euro aufgestockt.“
Online-Angebot zur Förderung der psychischen Gesundheit im Studium
Zwei große Vorbefragungen bei Studierenden der Universität Leipzig während der ersten beiden Pandemiejahre bildeten den Grundstein für die jetzige Studie. „Die vorliegenden Ergebnisse erweitern die Faktenlage zu psychischer Gesundheit bei Studierenden während und nach der Pandemie um die Tatsache, dass sich einige psychologische Symptombereiche anscheinend schneller zu erholen scheinen, während andere in besorgniserregender Weise zunahmen. Die Forderung nach niedrigschwelligen und gut zugänglichen psychosozialen Unterstützungsangeboten für Studierende an Universitäten besteht wie zu Beginn der Pandemie fort und gerade hier können Online-Formate nutzbringend eingesetzt werden“, sagt Prof. Rummel-Kluge.
Die Leiterin der Forschungsgruppe E-Mental Health und ihre Mitarbeiter:innen der Universitätsmedizin Leipzig widmen sich seit mehr als fünf Jahren den Potenzialen von Online-Angeboten für psychische Probleme im Schul- und Hochschulbereich. Teile der aktuellen Ergebnisse konnten in ein Online-Angebot überführt werden: Das Projekt „enhance“ in Kooperation mit der Evangelischen Hochschule Dresden (ehs). Es dient der Förderung der psychischen Gesundheit im Studium an sechs Hochschulen in Sachsen. Studierende können sich anonym und kostenfrei anmelden, einen Fragebogen ausfüllen und Termine via Mail, Chat oder Video bei dem Team aus erfahrenen Psycholog:innen buchen oder eine App zur Förderung der psychischen Gesundheit nutzen.
Originalpublikation in Frontiers in Psychiatry: Two years COVID-19 pandemic: Development of university students‘ mental health 2020–2022: https://doi.org/10.3389/fpsyt.2023.1122256
Die Forschungsarbeit und das enhance-Projekt wurden vom Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus (SMWK) finanziert.