Beliebte Heilpflanzen
Heilkraft der Pflanzen
Heilpflanzen helfen gegen vielfältige Beschwerden und werden oft als Alternative zu „chemischen“ Medikamenten angesehen. Tatsache ist, dass die Wirkweise aller Arzneimittel, auch der pflanzlichen, auf chemischen Prozessen beruht. Heilpflanzen sind deshalb auch nicht generell harmlos oder sanft, darauf weist die Apothekerkammer Niedersachsen hin. Beispielsweise müssen Allergiker und Allergikerinnen aufpassen. Menschen mit einer Allergie gegen Korbblütler sollten zum Beispiel von der Kamille Abstand nehmen. Dennoch gehört die Kamille wohl zu den am meisten geschätzten Heilpflanzen. Die Apothekerkammer Niedersachsen stellt einige beliebte Heilpflanzen vor.
Weinrebe: Hilfe bei geschwollenen Beinen
Der Weinstock, aus dessen Fruchtsaft Rotwein hergestellt wird, enthält vielseitige Stoffe in allen Pflanzenteilen. Traditionell verwendet man die getrockneten roten Laubblätter als Tee oder Extrakte bei chronisch venöser Insuffizienz (CVI). Dieses Venenleiden äußert sich durch schwere Beine, Schwellungen und Krampfadern. Aber auch Juckreiz, Krämpfe und Spannungsgefühl können auftreten. Für die Anwendung bei Schwangeren und Stillenden liegen noch nicht genügend Daten vor, daher sind Weinreben-Präparate für diese Patientengruppen als ungeeignet anzusehen. Die rote Weinrebe wurde vom NHV Theophrastus, einem Verein für eine natürlich-gesunde Lebensweise, zur Heilpflanze des Jahres 2023 gekürt.
Thymian: Gewürz als Hustenlöser
Thymian kennen viele als Gewürz für Fleischgerichte, aber das Kraut kann mehr. Die innerliche Anwendung mit einem frisch zubereiteten Thymiantee hilft bei Bronchitis, Keuchhusten und anderen Infektionen der oberen Luftwege. Thymianfluidextrakt auf die Mundschleimhaut aufgetragen bekämpft Entzündungen im Mund und auch Mundgeruch. Thymian wird von den meisten Menschen gut vertragen und Wechselwirkungen mit anderen Arzneimitteln sind nicht bekannt.
Salbei: krampflösend, schweißhemmend, antibakteriell
Salbei ist ein ausgesprochen vielseitiges Kraut. Ein Tee aus Salbeiblättern lindert Verdauungsbeschwerden wie Schmerzen, Völlegefühl, Sodbrennen und Übelkeit. Außerdem hilft er gegen übermäßiges Schwitzen. Bei Infektionen in Mund- und Rachenraum empfiehlt sich das Gurgeln mit Salbei. Dazu reichen wenige Tropfen eines alkoholischen Auszugs oder des ätherischen Salbeiöls auf ein Glas Wasser. Beliebt sind auch Hustenbonbons mit Salbei. Eine Zahnfleischentzündung kann man bekämpfen, indem man eine Salbei-Tinktur unverdünnt aufträgt. Der echte Salbei wurde vom interdisziplinären Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde an der Universität Würzburg zur Arzneipflanze des Jahres 2023 ernannt.
Pfefferminze: beliebt als Öl oder Tee
Pfefferminzöl ist eines der am besten untersuchten Mittel gegen Darmbeschwerden und hilft gegen Bauchschmerzen, Krämpfe und Blähungen, vor allem bei Patientinnen und Patienten mit Reizdarmsyndrom. Pfefferminzöl kann im Magen allerdings auch Probleme auslösen. Es entspannt den Schließmuskel am Mageneingang und der Speisebrei kann in die Speiseröhre zurückgelangen, was zu Aufstoßen und Sodbrennen führen kann. Durch Pfefferminzöl in Kapseln wird diese Hürde umgangen, da der Wirkstoff erst im Darm freigesetzt wird. Im Aufguss als Tee verfliegen die ätherischen Öle, sodass Pfefferminztee wohltuend für Hals, Rachen und Magen wirkt.
Kamille: Heilmittel aus der Antike
Das Wissen über die heilende Wirkung der Kamille ist bereits aus der Antike überliefert. Drei bis vier Tassen Kamillentee pro Tag helfen gegen entzündliche Erkrankungen und Krämpfe im Magen-Darm-Bereich. Man kann ihn auch als Mundspülung und zum Gurgeln gegen Entzündungen der Mundschleimhaut verwenden. Gibt man eine Handvoll Kamillenblüten oder einige Tropfen Kamillenöl in heißes Wasser, werden ätherische Öle freigesetzt, die man bei Erkrankungen der Atemwege sowie der Stirn- und Nebenhöhlen inhalieren kann. Das ätherische Öl der Kamillenblüten hat zudem eine angstlösende und beruhigende Wirkung.
Johanniskraut: ein gut erforschtes Mittel
Johanniskraut wurde bereits im alten Rom verwendet und ist gut erforscht. Es hat eine stimmungsaufhellende Wirkung bei leichten depressiven Störungen oder leichten bis mittelschweren depressiven Episoden. Vorsicht ist geboten bei der hormonellen Verhütung, denn Johanniskraut interagiert mit einem bestimmten Enzym, das am Hormonstoffwechsel beteiligt ist. Auch mit zahlreichen anderen Arzneimitteln kann es zu Wechselwirkungen kommen. Johanniskraut ist rezeptfrei erhältlich, dennoch sollten Wirkungen und Dosierungen unbedingt mit dem Fachpersonal in der Apotheke vor Ort besprochen werden.
Fenchel: Comeback des Fenchelhonigs
Fenchelhonig ist ein Hausmittel, das fast schon in Vergessenheit geraten war, aber im vergangenen Winter plötzlich Beliebtheit erlangte. Diese Mischung aus Fenchelsirup und Honig unterstützt die Schleimlösung bei Erkältungshusten. Warme Milch mit Fenchelhonig eignet sich sogar für Kleinkinder. Allerdings dürfen Kinder unter einem Jahr keinen Honig essen, da er bei Säuglingen Botulismus auslösen kann. Botulismus bei Säuglingen ist eine seltene Vergiftungserscheinung, die durch das Botulinumbakterium ausgelöst wird, welches im Honig enthalten sein kann. Fencheltee hingegen ist oft das erste pflanzliche Arzneimittel, das Menschen in ihrem Leben einnehmen, denn er lindert Blähungen schon bei Neugeborenen. Der beliebte Tee wird in jeder Altersgruppe getrunken und kommt auch in Mischungen mit anderen Kräutern zum Einsatz: Zusammen mit Thymian, Spitzwegerich und Eibischblättern ist Fenchel in Hustentees enthalten. Mit Anis und Kümmel wird er zur besseren Verdauung verwendet.
Baldrian: beruhigt und hilft beim Einschlafen
Baldrianpräparate gehören zu den besten rezeptfrei erhältlichen Schlafmitteln. Trockenextrakte aus der Baldrianwurzel wirken beruhigend und lindern sowohl nervöse Unruhe als auch Schlafstörungen. Sie können bei Erwachsenen und Jugendlichen ab 12 Jahren eingesetzt werden. Geduld ist gefragt, denn die Wirkung tritt erst nach zwei bis drei Wochen ein. Baldrian ist auch in beruhigenden Teemischungen zusammen mit Hopfen, Passionsblume und Melisse, aber auch mit Lavendel und Johanniskraut enthalten.
Augentrost: der Name ist Programm
Augentrost, lateinisch Euphrasia, ist in der Augenheilkunde beliebt, denn Augentropfen mit diesem Wirkstoff sind für die Langzeitanwendung bei trockenen Augen geeignet. Sie wirken auch beruhigend bei akuten Augenreizungen, jedoch sollte die Ursache der Reizung ärztlich abgeklärt werden. Überempfindlichkeitsreaktionen gegen Augentrost wie Brennen und Rötungen sind selten.
Arnika: lindert Prellungen und Gelenkschmerzen
Bei rheumatischen Muskel- und Gelenkschmerzen und bei Sportverletzungen wie Blutergüssen, Prellungen oder Verstauchungen helfen Salben oder Roll-Ons mit Arnika. Kühlende Umschläge mit Arnika kann man selbst herstellen: Einfach 2 g Arnikablüten aus der Apotheke in 100 ml heißem Wasser fünf bis zehn Minuten ziehen lassen, durch ein Sieb gießen und erkalten lassen. Das mit dem Wasser getränkte Tuch wird auf die schmerzende Stelle gelegt und mit einem weiteren Tuch abgedeckt. Der Wirkstoff darf nur äußerlich angewendet und nicht eingenommen werden. Er darf nicht auf offene Wunden gelangen oder bei einer Schwangerschaft eingesetzt werden. Menschen mit einer Korbblütler-Allergie können unter Umständen allergisch auf Arnika reagieren.
Qualitätsgarantie bei Arzneitees aus der Apotheke
Die Kräutertees mit Pfefferminze, Kamille oder Fenchel und viele wohlschmeckende Mischungen sind auch als Lebensmitteltees erhältlich. Arzneitees aus der Apotheke unterliegen strengeren Kontrollen auf Schwermetalle, Pestizide und Mirkoorganismen als Lebensmitteltees. Ihr Gehalt an den wirksamen Inhaltsstoffen wird im Arzneibuch, das Qualitätsstandards regelt, vorgeschrieben.
Der Einsatz von Heilpflanzen ist wissenschaftlich fundiert
Die Geschichte der heilenden Wirkung von Pflanzen ist lang und bereits im alten Ägypten bekannt. In der Gegenwart wird der medizinische Nutzen weiter wissenschaftlich erforscht. Die komplexen Inhaltsstoffgemische werden nach Anwendungsbereichen geordnet, gezielt extrahiert und in eine pharmazeutische Darreichungsform gebracht, zum Beispiel Tabletten oder Tropfen. Viele Heilpflanzen sind in Arzneibüchern im Aussehen, mit Identitätsprüfungen, Reinheits- und Gehaltsanforderungen beschrieben.
Die richtige Darreichungsform
Nicht immer ist ein Aufguss als Tee die beste Methode, die Inhaltsstoffe zu extrahieren und dem Körper zugänglich zu machen. Ätherische Öle gehen durch Kochen verloren, sie verfliegen mit dem Wasserdampf. Diese Tatsache macht man sich wiederum bei der Inhalation zunutze. Salben mit Pflanzenextrakten wirken nur auf der Haut. Soll ein Wirkstoff in die Blutbahn gelangen, muss ein höher konzentrierter Extrakt geschluckt werden. Apothekerinnen und Apotheker besitzen das Wissen, welche Art der Anwendung im Einzelfall angebracht ist.
Öffentliche und private Apothekergärten
Wer Heilpflanzen selbst sammeln will, muss sich damit auskennen. Das Wichtigste: Nur Sammeln, was man wirklich kennt. Hilfreich sind spezielle Pflanzenbestimmungsbücher oder entsprechende Apps. Expert:innen bieten auch Führungen an, bei denen die Teilnehmenden lernen, die Pflanzen zu bestimmen. Zahlreiche Heilkräuter sind in Arznei- und Apothekergärten innerhalb von botanischen Gärten zu sehen, die es meist in Universitätsstädten gibt. Im Arzneigarten des Schulbiologiezentrums Hannover liegt ein übergroßes Mosaikpflaster mit dem Umriss eines Körpers und der Darstellung der Organe. Um diesen Platz herum sind die Heilpflanzen in Themenbeeten den Organen zugeordnet, in welchen sie hauptsächlich ihre Wirkung entfalten. In Oldenburg ist der Arzneigarten des botanischen Gartens blütenförmig angeordnet, wobei die einzelnen Beete mit Arzneipflanzen bestückt sind, die chemisch ähnliche Inhaltsstoffe besitzen. Für den Anbau in privaten Gärten werden Heilpflanzen häufig modifiziert, denn hier steht nicht der hohe Gehalt der Wirkstoffe im Vordergrund, sondern das Aussehen, eine lange Blühphase und die richtige Größe.
Der Apothekerkammer Niedersachsen gehören mehr als 8.000 Mitglieder an. Die Apothekerin und der Apotheker sind fachlich unabhängige Heilberufler:innen. Der Gesetzgeber hat den selbstständigen Apotheker:innen die sichere und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln übertragen. Der Beruf erfordert ein vierjähriges Pharmaziestudium an einer Universität und ein praktisches Jahr. Dabei erwerben die Studierenden Kenntnisse in pharmazeutischer Chemie und Biologie, Technologie, Pharmakologie, Toxikologie und Klinische Pharmazie. Nach dem Staatsexamen erhalten die Apotheker:innen eine Approbation. Nur mit dieser staatlichen Zulassung können sie eine öffentliche Apotheke führen. Als Spezialist:innen für Gesundheit und Prävention beraten die Apotheker:innen die zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen kompetent und unabhängig über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte. Apotheker:innen begleiten Patient:innen fachlich, unterstützen menschlich und helfen so, die Therapie im Alltag umzusetzen.