Gefährliche UV-Strahlung: Wie können wir uns schützen? Hautkrebsrisiko steigt durch Klimawandel
Interview mit Prof. Dr. Carola Berking
In Deutschland wird es immer sonniger, der Klimawandel schreitet voran. Die Hautkrebs-Zahlen steigen, denn UV-Strahlung ist der wichtigste Risikofaktor für Hautkrebs. Gefährdet sind alle, vor allem aber Sportler, sogenannte Draußenarbeiter und Menschen über 70. Die Zahl der Krankenhausbehandlungen wegen Hautkrebs hat laut Statistischem Bundesamt stark zugenommen – mit 105.700 Fällen im Jahr 2021 fast 75 Prozent mehr als 20 Jahren vorher. Wenn die natürlichen Reparatursysteme des Körpers überlastet sind, kann die DNA der Hautzellen nicht mehr fehlerfrei repariert werden, geschädigte Zellen können zu Krebszellen entarten. Die Folge: bösartige Tumorerkrankungen wie Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom oder Malignes Melanom, die am häufigsten tödlich verlaufende Form von Hautkrebs. Mit welchen Strategien können wir uns vor der verstärkten UV-Belastung schützen? Wie lässt sich das Hautkrebsrisiko minimieren? Dazu die Expertin Prof. Dr. Carola Berking, Direktorin der Hautklinik am Universitätsklinikum Erlangen:
Das Thema UV-Schutz tritt immer mehr in den Vordergrund. Mit jedem weiteren Sonnentag steigt die Zeit, an denen Menschen UV-Strahlung ausgesetzt sein können. 2022 waren es 161 Sonnenstunden mehr. Steigt mit der erhöhten Strahlenbelastung das Hautkrebsrisiko? Wie können wir uns im Alltag wirkungsvoll vor zu viel UV-Strahlung schützen?
Frau Prof. Berking: Wir müssen uns der Schädlichkeit von UV-Strahlung bewusster werden. Einen Hinweis gibt der UV-Index, der tagesaktuell vom Deutschen Wetterdienst veröffentlicht wird. Je höher die Zahl, desto mehr Strahlenbelastung. Wir würden uns wünschen, das Bewusstsein zu verstärken, in dem der UV-Index noch sichtbarer gemacht wird, beispielsweise durch Anzeigen auf öffentlichen Plätzen, Stränden oder Freibädern. Die erste Maßnahme, sich vor der UV-Strahlung zu schützen, ist es, Aktivitäten in der Sonne zwischen 11 und 15 Uhr zu vermeiden und Freizeitsport besser in die Morgen- oder Abendstunden zu verlegen. Eine andere Möglichkeit ist die Sonnenschutzcreme. Hier rate ich tatsächlich zu Präparaten mit Lichtschutzfaktor 50plus. Ob diese nun als Spray oder Gel aufgetragen werden, ist weniger wichtig als das flächige Einschmieren, beispielsweise auch die Ohrmuscheln nicht vergessen. Die Unterlippe wird auch sehr gerne nicht beachtet. Außerdem darf nicht vergessen werden, sich nachzucremen. Durch Schwitzen oder Wasserkontakt schwindet die Schutzwirkung.
Menschen können die UV-Strahlung nicht wahrnehmen. Damit wir wissen, wann wir uns schützen müssen, wird versucht, den UV-Index sichtbar zu machen und anzuzeigen. Welche Maßnahmen sind sinnvoll?
Frau Prof. Berking: Die UV-Schutz-Erziehung in den Kindergärten muss verstärkt werden. Schon den Kindern müssen die schädlichen Effekte der Sonnenstrahlen beigebracht werden, so dass auch die Jüngsten verstehen, dass sie sich bei einem Sonnenbrand nichts Gutes tun. Am besten schützt man sich durch Kleidung, Sonnenhut oder Kappe, die möglichst auch Nacken und Ohren bedecken. Wichtig ist auch eine Sonnenbrille mit UV-Schutz 400, um das Auge vor UV-Schäden zu bewahren, speziell der Linse und des Augenhintergrundes.
Der Schutz vor Sonne in den meisten Städten und Gemeinden muss dringend verstärkt werden, wie eine repräsentative Forsa-Umfrage im Auftrag des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) von 2023 zeigt. Wie kann das Bewusstsein für UV-Schutz-Maßnahmen besonders in Kommunen gestärkt werden?
Frau Prof. Berking: Politik und Stadtplaner sind gefordert, der Bevölkerung mehr Möglichkeiten zu geben, einen Platz im Schatten zu finden. Was bringt ein schöner Brunnen, der zwar kühlt, aber ringsherum kein Schatten ist. Man wiegt sich vor allem im Wasser, das angenehm kühlt, in falscher Sicherheit, dabei wird die Sonnenstrahlung noch einmal intensiviert. Aus diesem Grund verweise ich auch gern noch einmal auf die Kampagne des Bundesamtes für Strahlenschutz UV-sicher. Hier gibt es viele Tipps und Empfehlungen zum UV-Schutz im privaten wie auch im öffentlichen Bereich.
Zuviel UV-Strahlung erhöht das Risiko für Hautkrebs. Gleichzeitig wird mit Hilfe von Sonnenstrahlen auf der Haut Vitamin D im Körper gebildet. Wie können wir für einen ausreichenden Vitamin-D-Spiegel im Blut sorgen und uns gleichzeitig vor Sonne schützen?
Frau Prof. Berking: Unser Körper braucht ein gewisses Maß an UV-Strahlung, um Vitamin D produzieren zu können. Vitamin D wiederum ist wichtig für den Knochenstoffwechsel. Es ist aber ein Trugschluss, deswegen ins Solarium zu gehen oder ungeschützt in die direkte Sonne aus Angst vor Vitamin D-Mangel. Um seinen Speicher aufzufüllen, reicht es, in der Woche etwa dreimal mit ungeschützten Unterarmen oder Gesicht in die Sonne zu gehen. Auf keinen Fall aber, bis eine Rötung eintritt, für einen hellen Hauttyp sind maximal 5 Minuten ausreichend. Diese Hauttypen entwickeln keinen Eigenschutz durch Bräunung. Selbst im Schatten sind wir nicht komplett abgeschirmt von UV-Strahlung. Besonders helle Böden reflektieren bis zu 30 Prozent der UV-Strahlung, am extremsten sind Schnee, Wasser oder auch Sand. Aus diesem Grund ist Schutz an sonnenreichen Tagen so wichtig, selbst wenn man sich vornehmlich im Schatten aufhält.
Zu Verunsicherung in der Bevölkerung führt häufig auch die Rede von gefährdenden UV-Filtern wie Octocrylene. Wie schädlich sind diese wirklich?
Frau Prof. Berking: Die festgelegten Grenzwerte werden in unseren Sonnencremes deutlich unterschritten. Das bedeutet, eine Sonnencreme besteht meistens aus mehreren Filtern und nicht einem einzigen in sehr hoher Dosis, sondern vielen Filtern in sehr geringer Dosis, was die Gefahr von toxischen Schäden reduziert. Die Summe der verschiedenen gering dosierten UV-Filter macht dann wiederum den Schutz aus. Da wir aber die Sonnencreme nur auftragen und nicht etwa essen oder gar unter die Haut spritzen, besteht auch kaum eine Gefahr für die Zellen. Die Haut selbst besteht aus mehreren Schichten, so dass überhaupt nur sehr wenig von den Inhaltsstoffen tatsächlich in unser System kommen und es gefährden können.
Zu den Urlaubsfreuden gehören oft lange Aufenthalte im Freien. Lässt sich die Haut vernünftig an die Sonne gewöhnen? Früher hieß es immer, man solle viel Möhren essen…
Frau Prof. Berking: Der Konsum von carotinhaltigen Lebensmitteln, allen voran Karotten oder Möhren, ist zwar gesund, aber unwirksam beim UV-Schutz. Besser ist der bewusste Umgang mit der Sonne, um besser vorbereitet zu sein. Personen mit einem Beruf unter freiem Himmel wie beispielsweise Bauarbeiter, Dachdecker oder Bademeister, die noch viel mehr der UV-Strahlung ausgesetzt sind, erreichen trotz der stetigen Gewöhnung an die Sonne nur einen Lichtschutzfaktor von 1,5. Wir empfehlen also auch hier Lichtschutz-Präparate und Kleidung. Niemals sollte die Haut rot werden, dann hat man schon ganz viel für seinen UV-Schutz und Hautkrebs-Prävention getan.
Herzlichen Dank für das Interview!
Weitere Informationen gibt es unter www.ado-homepage.de/patienten/basisinformation-hautkrebs.html
Hintergrund:
Hautkrebs ist immer noch die häufigste Krebserkrankung in Deutschland mit der größten Steigerungsrate – trotz der immensen medizinischen Fortschritte der letzten Jahre. Die Zahl der Neuerkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren auf jährlich rund 240.000 verdoppelt. Dafür werden UV-bedingte Hautschäden aufgrund intensiver Sonnenexposition in der Kindheit und Jugend mit verantwortlich gemacht. An erster Stelle steht das Basalzellkarzinom mit jährlich rund 140.000 Fällen, gefolgt vom kutanen Plattenepithelkarzinom mit rund 70.000 Neuerkrankungen und dem malignen Melanom mit rund 28.000 Fällen.
Die ADO (Arbeitsgemeinschaft Dermatologische Onkologie der DKG und der DDG) organisiert Fortbildungen, Forschungsprojekte und klinische Studien, um die Qualität der dermato-onkologischen Patientenversorgung in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu verbessern und die wissenschaftliche Zusammenarbeit zu fördern. Die Ein wichtiger Fokus liegt auf der Erarbeitung diagnostischer und therapeutischer Leitlinien zu verschiedenen Hautkrebsarten wie zum malignen Melanom, Basalzellkarzinom, Plattenepithelkarzinom, Merkelzellkarzinom, Kaposi-Sarkom und zu kutanen Lymphomen. Zum Austausch neuer Erkenntnisse und zur Unterstützung der Zusammenarbeit der dermatologischen Onkologie mit benachbarten Fachgebieten wird als ADO-Jahrestagung der Deutsche Hautkrebskongress durchgeführt.