Lucas läuft und läuft: erfolgreiche Herz-OP bei einem 13-Jährigen
OP-Methode erstmals weltweit bei einem Jugendlichen in Erlangen durchgeführt
„Er hat schon viel mitgemacht. Wir haben uns diesen nächsten Schritt deshalb besonders gut überlegt“, sagt Lucas’ Vater. Viermal wurde sein Sohn bereits am Herzen operiert. Im Sommer 2022 hatte der damals 13-Jährige aus dem Raum Stuttgart schließlich seine fünfte OP – in der Kinderherzchirurgischen Abteilung des Uniklinikums Erlangen unter Leitung von Prof. Dr. Oliver Dewald. Der Kinderherzchirurg baute Lucas’ defekte Aortenklappe mit biologischem Ersatzgewebe wieder auf – mit großem Erfolg, wie die Werte des Jungen jetzt, knapp ein Jahr nach dem Eingriff, zeigen.
Zehn Tage nach Lucas’ Geburt hatten seine Eltern Gewissheit: Ihr Sohn war mit einem Herzfehler zur Welt gekommen – einer verengten Aortenklappe. Diese Klappe liegt in der linken Herzhälfte zwischen der Körperschlagader (Aorta) und der linken Herzkammer. Wegen des Defekts brauchte Lucas schon als Baby einen ersten Kathetereingriff am Herzen. Im Lauf seiner Kindheit folgten drei Herzoperationen. „Es kam vor, dass Lucas auf der Intensivstation starke Schmerzen hatte“, berichtet sein Vater. „Das waren schwierige Erfahrungen für uns. Und trotz aller Eingriffe behielt sein Herz immer eine bestimmte Insuffizienz. Es erreichte nie die volle Leistungsfähigkeit.“
Herzklappenimplantate müssen bei Kindern und Jugendlichen häufig getauscht werden, wenn sie aufgrund des Wachstums irgendwann nicht mehr zum umliegenden Gewebe passen. Bei Lucas war zuletzt eine spezielle humane Aortenklappe eingesetzt worden. Doch eine Entzündung hatte zum Versagen der Herzklappenprothese geführt, und Lucas’ Zustand verschlechterte sich zusehends. „Beim Basketballspielen kam ich total schnell aus der Puste, wurde allgemein schnell müde“, sagt der sportbegeisterte Jugendliche. „Trotzdem haben wir uns mit der Entscheidung für eine weitere OP viel Zeit gelassen, mehrere Meinungen eingeholt und Rücksprache mit verschiedenen Ärzten gehalten“, ergänzt sein Vater. „Wir wollten nichts überstürzen. Prof. Dewald ist mit uns alle Optionen ausführlich im Detail durchgegangen. Er hat die Vorteile der Verfahren verdeutlicht, aber auch die Risiken sehr offen angesprochen. Auch in der Kinderkardiologie, bei Prof. Dittrich und seinem Team, haben wir uns sehr gut aufgehoben gefühlt. Wir durften uns die Intensiv- und die Normalstation vorher ansehen und beobachten, wie die Pflegekräfte dort arbeiten. Alles lief sehr ruhig und gewissenhaft ab und bekräftigte unsere Entscheidung, Lucas am Uniklinikum Erlangen operieren zu lassen. Das habe ich leider alles auch schon ganz anders erlebt“, berichtet der Vater, der sich durch die Erkrankung seines Sohnes mittlerweile selbst sehr viel medizinisches Wissen angeeignet hat.
OP erstmals weltweit bei einem Jugendlichen
Die kinderherzchirurgischen OP-Techniken, die derzeit für Kinder und Jugendliche wie Lucas zur Verfügung stehen, sind allesamt mit komplexen Re-Operationen in der Zukunft verbunden – in absehbarer Zeit müssen die Aortenklappe und die benachbarte Hauptschlagader erneut ersetzt werden. Prof. Dewald schlug deshalb ein alternatives Rekonstruktionsverfahren vor, das erst seit ca. zehn Jahren überhaupt im Einsatz ist und in dieser Form noch nie bei einem Jugendlichen durchgeführt wurde. „Die Klappenrekonstruktion, die wir bei Lucas vorgenommen haben, ist bei 60- bis 70-Jährigen nach zehn Jahren noch in 90 Prozent der Fälle intakt“, erklärt Operateur Prof. Dewald. „Für Jugendliche haben wir noch keine Zahlen, aber wir sind sehr zuversichtlich, dass das Verfahren auch für Lucas mittelfristig die beste Prognose bietet.“ Weil der Junge keine mechanische Herzklappe aus Kunststoff und Metall bekam, sondern eine biologische, kann sein Implantat das noch zu erwartende Wachstum kompensieren und Nachoperationen werden hinausgezögert. Zudem muss Lucas nicht lebenslang blutverdünnende Medikamente einnehmen, so wie es bei einem mechanischen Implantat der Fall wäre. „Wir wollten das OP-Risiko bei Lucas senken und auch die Anzahl der chirurgischen Eingriffe so gering wie möglich halten“, erläutert Prof. Dewald. „Im Idealfall müssen wir uns jetzt frühestens dann wieder Gedanken über eine weitere OP machen, wenn Lucas Mitte zwanzig ist“, sagt der Kinderherzchirurg zuversichtlich. „Ich hatte etwas Angst vor Schmerzen“, gibt Lucas zu, „weil ich früher schlechte Erfahrungen gemacht habe. Aber nach der OP in Erlangen tat mir nichts weh. Auch der starke Pulsschlag im Hals, den man vorher sogar sehen konnte, war plötzlich weg“, so der heute 14-Jährige – ein Zeichen für die Entlastung seines Herzens. Prof. Dewald beschreibt es so: „Das kranke Herz lief vorher sozusagen einen Dauermarathon. Um seine sinkende Leistung zu kompensieren, vergrößerte sich der Herzmuskel und die Herzfrequenz stieg an. Nach der OP konnten wir beobachten, wie sich das Herz innerhalb von drei bis sechs Monaten wieder verkleinerte.“
Herzcheck bei 13 km/h
„Wenn ich es nicht wüsste, würde ich keine Veränderung an der operierten Herzklappe erkennen. Das Ergebnis ist toll“, beurteilt Kinderkardiologin PD Dr. Dr. Isabelle Schöffl das OP-Resultat, während sie Lucas’ Herz per Ultraschall untersucht. Entlang des Brustbeins zeugt eine etwa zehn Zentimeter lange rosafarbene Narbe von Lucas’ Herz-OPs; innen, am Organ selbst, sieht alles normal aus. Doch hält das Herz auch körperlicher Belastung stand? Das untersucht Oberärztin Dr. Schöffl im Rahmen der Sport-Sprechstunde der Kinderkardiologischen Abteilung (Leiter: Prof. Dr. Sven Dittrich) des Uniklinikums Erlangen. Bei der Spiroergometrie auf dem Laufband ist Lucas an ein EKG-Gerät angeschlossen. Mithilfe einer speziellen Maske werden zusätzlich seine Atemgase gemessen. Dr. Schöffl verfolgt am Monitor die Reaktion von Herz, Kreislauf, Atmung und Stoffwechsel, während der Junge zunächst locker geht, dann joggt und schließlich immer schneller rennt: erst 6, irgendwann 8, dann 10 km/h. „Das schaffst du, noch zehn Sekunden so! Ganz klasse machst du das“, feuert Isabelle Schöffl Lucas an. Er gibt nicht auf, sprintet schließlich mit 13 km/h. „Sein Herz ist sehr leistungsfähig, alle Werte sind im Normbereich. Es gibt keine Hinweise auf Rhythmusstörungen oder eine Minderdurchblutung des Herzens“, versichert Isabelle Schöffl. Damit ist Lucas’ Sporttauglichkeit offiziell mit objektiven Messwerten belegt. „Du kannst ohne Gefahr Basketball spielen, joggen und auch alles andere machen, worauf du Lust hast“, so die Kinderkardiologin. Das erste Mal in seinem Leben hat Lucas nun ein voll funktionsfähiges Herz. „Es arbeitet besser als je zuvor“, freut sich sein Vater. „Die OP machen zu lassen, war die richtige Entscheidung.“