Querschnittslähmung verhindert: Lendenwirbel nach Kletterunfall wiederhergestellt
Was als ein fröhlicher Ausflug mit Freunden in einer Kletterhalle begann, endete in einem Albtraum. Beim Abseilen versagt plötzlich die Sicherung von Anhelina Vehera – der tiefe Fall resultiert in einer Fersenbein-Fraktur und einem Lendenwirbelbruch. Letzteres bedeutet oft schwere Dauerfolgen: auch die Querschnittslähmung. Durch mehrere aufwändige Operationen und dank des Einsatzes vieler Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden sowie der Teams aus Radiologie, Anästhesie und Physiotherapie der Unfallchirurgie am UKM konnte das bei Anhelina verhindert werden.
Wenn die 16-jährige Ukrainerin Anhelina Vehera an den Sturz in der Kletterhalle Ende Mai zurückdenkt, kommt es ihr wie ein böser Traum vor: Ganz oben an der Kletterwand angekommen, will sie sich wieder abseilen. Doch im entscheidenden Moment versagt die Sicherung und Anhelina stürzt aus elf Meter Höhe. „Ich lag mit dem Rücken auf dem Boden, schaute die Decke und die Menschen um mich herum an. Meine Freunde sagten zu mir, ich solle mich nicht bewegen und haben versucht, mich zu beruhigen. In dem Moment spürte ich kein Schmerz – ich war im Schock.“ An das, was danach passierte, erinnere sich die 16-Jährige nicht mehr. Sie wurde mit einer extrem instabilen Wirbelkörperfraktur im zweiten Lendenwirbel sowie einem komplexen Fersenbein-Bruch ins UKM (Universitätsklinikum Münster) eingeliefert.
Im Schockraum der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie sind in solch einem Moment alle Handgriffe aufeinander abgestimmt: Ärztinnen und Ärzte werden durch das Pflegefachpersonal sowie durch medizinisch-technische Radiologieassistentinnen und -assistenten unterstützt, um die 16-Jährige möglichst schnell zu stabilisieren. „Beispiel wie dieses zeigen, wie wichtig es ist, dass wir sieben Tage pro Woche und 24 Stunden pro Tag hochausgebildete Teams hier am UKM haben, die solch eine komplexe Versorgung zu jeder Zeit garantieren können“, sagt Klinikdirektor Prof. Michael Raschke. Im Anschluss wurde die 16-Jährige von einem spezialisierten Team aus operations-technischen Assistentinnen und Assistenten, OP-Pflegenden sowie dem ärztlichen Personal operiert und erstversorgt: „Wir haben die Wirbelsäule der Patientin im ersten Schritt von hinten – also vom Rücken her – stabilisiert. Dabei wurden Spezialschrauben im betroffenen Lendenwirbel verankert, welche über ein Stangensystem miteinander verbunden sind“, erklärt Priv.-Doz. Dr. Elmar Herbst, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, der die Operationen vorgenommen hat. „Aufgrund der Schwere des Lendenwirbel-Bruchs war eine zweite OP notwendig, bei der wir die Wirbelsäule von vorne stabilisiert haben. Die zerstörten Lendenwirbel wurden dabei entfernt und ersetzt. So wollten wir sicherstellen, dass ein späteres Versagen der Stabilisierung eintritt“, sagt Herbst. In der dritten und vorerst letzten Operation wurde das gebrochene Fersenbein versorgt.
Dank des gut eingespielten Teams der Ärztinnen und Ärzte, Pflegenden und der Physiotherapeutinnen und -therapeuten haben sich die hochkomplexen und stundenlangen Eingriffe ausgezahlt: „Anfänglich sind wir aufgrund der Höhe der Verletzung in der Wirbelsäule davon ausgegangen, dass Anhelina querschnittsgelähmt sein wird. Das Glück steht aber an ihrer Seite – sie wird wieder laufen können“, berichtet Assistenzarzt Lucas Palma Kries, der ebenfalls zum versorgenden Team gehört, „wir haben zwar Sensibilitätsstörungen festgestellt, diese sind jedoch rückläufig.“ Das Trauma an der Wirbelsäule ist von beiden das schwerwiegendere, zunächst wird aber das gebrochene Fersenbein Anhelinas Mobilität stark einschränken. Der Fuß muss jetzt zwölf Wochen entlastet werden, erst danach kann mit der ambulanten Rehabilitation begonnen werden, sagt Palma Kries.
Das Team der Unfallchirurgie zusammen mit den Pflegenden der Station 1 setzt alles daran, dass Anhelina wieder heilen und in ihrem Alltag zurückfinden kann. Denn in ihrem jungen Alter musste die Ukrainerin bereits genug Schicksalsschläge durchmachen: Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ist sie zusammen mit ihrer Mutter und Schwester nach Deutschland geflüchtet – ihr Vater musste dableiben. „Meine Heimat fehlt mir sehr – eines Tages, wenn wieder Frieden herrscht, möchte ich wieder zurückgehen. Aber erstmal will ich mich auf meine Zukunft hier konzentrieren: Gesund werden, mein Abitur machen und studieren“, erklärt Anhelina hoffnungsvoll.