Fallbericht: Kopfschmerztage nicht immer wichtigster Wirksamkeitparameter bei Migräne-Antikörpern

Original Titel:
A case report of a chronic migraine patient treated with three different anti-CGRP monoclonal antibodies: which parameters better represent the efficacy?

Kurz & fundiert

  • Fallbericht: Patientin mit chronischer Migräne und Antikörper-Therapie
  • Detailliertes Kopfschmerztagebuch erlaubt gute Einschätzung der Wirksamkeit
  • Erenumab: wirksam, aber Konstipation; Fremanezumab effektiv und gut verträglich; Galcanezumab aufgrund von Lebensumständen, weniger effektiv als Fremanezumab; Rückwechsel zu Fremanezumab: exzellente Verträglichkeit über nun 21 Monate
  • Kopfschmerztage von 13 (Baseline) auf 8,9 mit Fremanezumab reduziert
  • Attackendauer (Stunden) von 12 (Baseline) auf 4,8 (Fremanezumab) reduziert
  • Lebensqualität signifikant verbessert durch drastisch reduzierte Migränedauer
  • Antikörpertherapie individuell anhand patientenzentrierter Wirksamkeitsaspekte optimierbar

 

MedWiss – Zentraler Aspekt bei der Einschätzung der Wirksamkeit einer Migräneprophylaxe ist bislang die Zahl der monatlichen Kopfschmerztage. Ein Fallbericht einer schwedischen Patientin mit chronischer Migräne zeigt jedoch, dass die Optimierung der Therapie mit den neuen Migräne-Antikörpern individuell auch andere Wirksamkeitsparameter berücksichtigen sollte.


Die neuen Antikörper gegen Migräne, die an CGRP (calcitonin-gene related peptide) oder den CGRP-Rezeptor binden, haben als erste, gezielt für Migräne entwickelte, Prophylaktika eine grundlegende Veränderung der Migränetherapie erreicht. In mehreren Studien zeigte sich eine gute Verträglichkeit und Wirksamkeit der mittlerweile 4 zugelassenen Antikörper. Der Wirkmechanismus der Substanzen ähnelt sich grundsätzlich, da alle auf CGRP abzielen, die Wirksamkeit und Nebenwirkungen können sich aber dennoch unterscheiden. Daher kann, wenn die Wirksamkeit oder Verträglichkeit nicht optimal sind, ein Wechsel innerhalb der Antikörper-Klasse sinnvoll sein.

Welche Faktoren dabei eine Rolle spielen können, beschrieben schwedische Kopfschmerzexperten nun in einem Fallbericht. Zentraler Aspekt bei der Einschätzung der Wirksamkeit einer Migräneprophylaxe ist bislang die Zahl der monatlichen Kopfschmerztage. In Kopfschmerztagebüchern und in der regelmäßigen Einschätzung der Belastung durch die Migräne (MIDAS) werden allerdings neben der Häufigkeit auch die Dauer der Migräneattacken und Intensität der Kopfschmerzen dokumentiert.

Fallbericht: Patientin mit chronischer Migräne und Antikörper-Therapie

Eine 45-jährige Patientin mit Kopfschmerz, seit ihrer Kindheit, und Migräne, seit sie 22 Jahre alt war, litt seit ca. 10 Jahren an chronischer Migräne mit zuletzt monatlich 13 Kopfschmerztagen (+/- 2,3), einer durchschnittlichen Dauer der Migräneattacken von 12 Stunden (+/- 2,9) und mittlerer Schmerzintensität von 9,0 (+/- 1) auf einer Schmerzskala von 0 bis 10. Sie führte ein gründliches Kopfschmerztagebuch, das die Beurteilung der Behandlungseffekte rückblickend ermöglichte.

Vorherige Prophylaxetherapien mit Metoprolol, Verapamil und Topiramat brachten keine Verbesserung. Akutbehandlungen mit Sumatriptan und Ibuprofen konnten die Attacken nicht ausreichend kontrollieren.

Detailliertes Kopfschmerztagebuch erlaubt gute Einschätzung der Wirksamkeit

Die Patientin erhielt Erenumab (70 mg) als neue Antikörper-Prophylaxe. Die monatlichen Kopfschmerztage sanken nach 2 Monaten Behandlung auf 6,5 Tage (+/- 2,1), die Attacken dauerten im Schnitt 8,9 Stunden (+/- 1,5) bei einer Intensität von 8,5 (+/- 0,7). Die Wirksamkeit war somit gegeben, allerdings litt die Patientin unter Konstipation als Nebenwirkung des Antikörpers. Die Akuttherapie wurde von Sumatriptan zu Zolmitriptan-Nasenspray (2,5 mg) geändert. Zudem wechselte die Prophylaxe zu Fremanezumab (675 mg). Diese Behandlung wurde 6 Monate ohne Nebenwirkungen beibehalten und erreichte durchschnittlich 7,4 monatliche Kopfschmerztage (+/- 1,5) mit durchschnittlicher Migränedauer von 6,7 Stunden (+/- 1,8) und -stärke von 6,8 (+/- 1,2).

Aufgrund eines zeitweiligen Umzugs in ein anderes Land, konnte sie Fremanezumab nicht weiter erhalten und musste zu Galcanezumab (120 mg) wechseln. Diese Behandlung wurde für 7 Monate beibehalten, erreichte aber eine geringere prophylaktische Wirksamkeit als Fremanezumab mit 8,9 monatlichen Kopfschmerztagen (+/- 2,0), mittlerer Attackendauer von 7,0 Stunden (+/- 1,3) und einer Intensität von 7,3 (+/- 1,2).

Nach ihrer Rückkehr nach Schweden wechselte die Patientin wieder zu Fremanezumab (225 mg) und ist aktuell seit 21 Monaten bei dieser Medikation. Die Wirksamkeit hat sich mit der Zeit, speziell mit Blick auf Dauer der Attacken und Intensität, verbessert. Die letzte Schätzung monatlicher Kopfschmerztage betrug 8,9 (+/- 2,2), mit einer durchschnittlichen Dauer von 4,8 Stunden (+/- 1,0) und Intensität von 6,4 (+/- 1,0).

Prophylaxenwechsel bewirkt Halbierung der Attackendauer

Die Autoren berichten, dass, obwohl die Wirksamkeit mit Blick auf die Zahl der Kopfschmerztage moderat scheint, speziell die drastisch reduzierte Dauer der Attacken, von 12,0 Stunden auf 4,8 Stunden, eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität für die Patientin bedeutete. An Migränetagen konnte demnach der Tag nach 5 Stunden Behandlung normal weitergehen, statt wie zuvor vollständig verloren zu sein. Darüber hinaus berichtete die Patientin, nicht mehr die stärksten Schmerzspitzen zu erleben. Die Verträglichkeit von Fremanezumab ist in diesem Fall bislang exzellent.

Die Experten schreiben, dass aktuell meist die Zahl der Kopfschmerztage zentral zur Einschätzung betrachtet wird. Individuell können allerdings andere Aspekte, wie Dauer der Attacken oder die damit einhergehende Schmerzstärke, von größerer Bedeutung sein und sollten entsprechend für die Therapiewahl herangezogen werden. Der Fallbericht zeigt zudem die Bedeutung eine gründlichen Migränetagebuchs auf, das ermöglichte, die Therapie nach und nach, auch über größere Veränderungen der Lebensumstände hinweg, zu optimieren.

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