Diabetes Typ 1 ist kein Hindernis für eine erfolgreiche Karriere im Profisport
Menschen mit Diabetes Typ 1 erhalten häufig schon im Kindes- und Jugendalter die Diagnose ihrer chronischen Stoffwechselerkrankung. Viele betreiben zu diesem Zeitpunkt bereits Leistungssport und fürchten zunächst, ihn aufgrund des Diabetes aufgeben zu müssen. Andere wiederum würden gerne perspektivisch in den Hochleistungssport einsteigen, zweifeln aber, ob dies mit der Diabetestherapie möglich ist. Erfolgreiche Profisportlerinnen und -sportler aus vielfältigen Disziplinen wie Gewichtheben, Triathlon, Fußball, Tennis oder Boxen zeigen jedoch, dass Diabetes Typ 1 kein Hindernis für eine Karriere im Leistungssport sein muss. Auch Hockey-Weltmeister Timur Oruz hat Diabetes und spielt ab Freitag in der deutschen Nationalmannschaft bei den Men’s EuroHockey Championship. Die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) und diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe klären zu den Möglichkeiten im Bereich Sport für Menschen mit Diabetes Typ 1 auf und geben Tipps.
Menschen mit Diabetes Typ 1 oder Typ 2 profitieren von regelmäßiger Bewegung und sportlicher Aktivität: Dadurch können sie ihren Stoffwechsel verbessern und das Risiko von Folgeerkrankungen senken. Trotzdem meiden nach wie vor viele Menschen mit Typ-1-Diabetes sportliche Aktivitäten, oftmals aus Sorge vor Unterzuckerungen und Stoffwechselschwankungen. „Moderne sportwissenschaftliche und diabetologische Erkenntnisse sowie pharmakologische und technologische Entwicklungen bilden jedoch eine gute Grundlage, um sicher Sport auszuüben“, macht Dr. med. Stephan Kress, Diabetologe und Vorsitzender der DDG-AG „Diabetes, Sport & Bewegung“, Mut. Er rät allen sportlich Interessierten, Unterstützung bei qualifizierten Diabetesteams und in der Sporttherapie zu suchen. Die Arbeitsgemeinschaft der DDG informiert, unterstützt und begleitet sowohl Sporttreibende selbst als auch medizinisches Fach- sowie Trainingspersonal.
Der Traum vom Profisport ist auch mit Diabetes möglich
Doch während beim Freizeitsport neben der Stoffwechselregulation eher Freude und Entspannung im Vordergrund stehen, zeichnet sich Profisport durch ein hohes Leistungsniveau aus. „Leistungssport als Beruf erfordert ein hohes Maß an Hingabe und Disziplin“, sagt Ulrike Thurm, Diabetesberaterin und Sportlehrerin. „Vor allem Menschen mit Diabetes Typ 1 verlangt Profisport nochmal deutlich mehr ab als Freizeitsport. Sie können aber auch trotz der Stoffwechselerkrankung sportlich ein sehr hohes Leistungsniveau erreichen“, weiß die Erste Vorsitzende der „IDAA Deutschland – Vereinigung diabetischer Sportler“ aus ihrer Beratungstätigkeit. „Wichtig ist, dass sie sensibel auf die besonderen Bedingungen von beispielsweise Wettkämpfen, intensiven Trainingsperioden oder vermehrten Reisen achten, denn damit einhergehender Stress oder Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf sowie im Ernährungsverhalten muss bei der Insulintherapie berücksichtigt werden.“
Diabetes Typ 1 und Profisport galten lange als unvereinbar
Dass Profisport und Diabetes Typ 1 vereinbar sind, schien lange Zeit ausgeschlossen. Noch in den 1980er und 1990er Jahren wurde Sport für Menschen mit Typ-1-Diabetes kritisch betrachtet. „In einer DDG Leitlinie aus Anfang der 1980er Jahre wurde ihnen noch geraten, nur allein, in Innenräumen, immer zur gleichen Uhrzeit und mit der gleichen Intensität Sport zu betreiben“, erinnert sich Ulrike Thurm.
Als Matthias Steiner mit 17 Jahren seine Diabetes-Diagnose erhielt, rief die Erkrankung zunächst Bedenken auf den Plan. „Ärzte rieten mir sofort, das Gewichtheben und überhaupt Leistungssport aufzugeben“, denkt der Olympiasieger von 2008 zurück. „Heute weiß man, dass gerade intensives Krafttraining einen erheblichen Einfluss auf den Blutzuckerspiegel hat und jedes zusätzliche Prozent mehr Muskelmasse für eine Reduzierung der Insulinresistenz sorgen kann. Daher mache ich nach wie vor Krafttraining, um genug Muskelmasse zu haben.“ Tennis-Star Alexander Zverev, der seit seinem 4. Lebensjahr mit Diabetes Typ 1 lebt, wurde in seiner Jugend mit dem Vorurteil konfrontiert, nie Profisportler werden zu können. Gleiches erzählt auch Sandra Starke, die zum Zeitpunkt ihrer Diabetes-Diagnose 24 Jahre alt war. Sie war ebenfalls zunächst ratlos, ob das weiterhin möglich sei: „Das mich behandelnde Diabetesteam kannte sich zwar gut mit Breiten- und Freizeitsport aus, hatte aber keine Erfahrung mit Profisportlern.“
Grenzen überwinden: Challenge-D als Brücke zum Profisport
Zu diesem Zeitpunkt nahm Starke den Kontakt zum Projekt „Challenge-D“ und Ulrike Thurm auf. Das Projekt von Professor Dr. med. Othmar Moser und der sportmedizinischen Hochschule Bayreuth unterstützt Athletinnen und Athleten sowie ihre betreuenden Diabetesteams, indem sie eine Schnittstelle zwischen der diabetologischen Therapie und der sportlichen Seite bildet. „Wir kennen die Anforderungen und Besonderheiten, mit denen Profisportlerinnen und -sportler mit Diabetes Typ 1 konfrontiert sind“, berichtet Thurm. „Im telemedizinischen Konsil werden mit Hilfe von Datenanalyse die CGM-Profile gemeinsam mit den Sportlern ausgewertet, interpretiert und die Therapie angepasst.“ Für viele Betroffene war das ein Türöffner, berichtet die Expertin, und machte eine Karriere auf nationaler sowie internationalen Ebene möglich. Profifußballerin Starke hat es bis in die deutsche Frauen-Fußball-Nationalmannschaft geschafft. Inzwischen ist „Challenge-D“ ein Spendenprojekt von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe geworden.
Weitere Informationen:
Informationen zu „Challenge-D“: https://www.diabetesde.org/challenge-d oder persönlich bei thurm@idaa.de
Informationen zum Angebot der IDAA: https://www.diabetesde.org/idaa-deutschland-sport-diabetes-na-klar sowie https://www.idaa.de/
Angebot der DDG-Arbeitsgemeinschaft „Diabetes, Sport & Bewegung“: https://www.diabetes-bewegung.de/