Jeder Patient ist einzigartig: Umfangreiche Metagenom-Analyse der Atemwege bei Mukoviszidose
DZL-Wissenschaftler des Standorts BREATH in Hannover haben die Atemwege von Patienten mit Mukoviszidose untersucht und dabei die Erbinformation aller dort lebenden Mikroorganismen, das sogenannte mikrobielle Metagenom, analysiert. Sie konnten zeigen, dass sich das mikrobielle Metagenom von Patienten schon sehr früh von dem gesunder Personen unterscheidet und sich bei jedem Patienten individuell weiter verändert.
Bereits ab dem vierten Lebensjahr lässt sich bei Patienten mit Mukoviszidose eine spezifische Zusammensetzung des Lungenmetagenoms beobachten, obwohl die Kinder noch eine normale Lungenfunktion aufweisen und keinen der üblichen Mukoviszidose-Erreger beherbergen. Mit zunehmendem Alter siedeln sich dann die krankheitstypischen Erreger wie Staphylococcus aureus, Pseudomonas aeruginosa und Stenotrophomonas maltophilia in der Lunge an, und der Anteil der bei Gesunden vorkommenden Mikroben nimmt ab. Diese Verarmung geschieht je nach Patient unterschiedlich und führt dazu, dass jede Person mit Mukoviszidose ein individuelles mikrobielles Metagenom besitzt, das in Anzahl und Zusammensetzung der dort lebenden Mikroorganismen einzigartig ist.
„Unsere Studie zeigt zum ersten Mal, dass das Ungleichgewicht des Mikrobioms bei Lungenerkrankungen an einem Mangel von bestimmten Mikroorganismen erkennbar ist“, sagt Prof. Dr. Burkhard Tümmler, Koordinator des Krankheitsbereichs „Cystische Fibrose (Mukoviszidose)“ am DZL-Standort Hannover. „Diese Erkenntnis könnte ein Ansatzpunkt für neue Therapien bei Mukoviszidose schaffen.“
Daten zum Mikrobiom aller Altersgruppen
Zusammen mit seinem Team hat Tümmler für die aktuelle Studie das mikrobielle Metagenom der Mundhöhle sowie der oberen und unteren Atemwege von 65 Personen mit Mukoviszidose im Alter von 7 bis 60 Jahren untersucht und erstmals mit den mikrobiellen Gemeinschaften von Gesunden verglichen. Dafür führten die Wissenschaftler eine umfassende Tiefensequenzierung aus Nasenspülproben, Nasen- und Rachenabstrichen sowie Sputumproben durch. Sputum bezeichnet das Sekret der tiefen Atemwege, das beim Husten in den Rachenraum gelangt. Über ein speziell entwickeltes Verfahren konnten sie auch nur selten vorkommende und schlecht kultivierbare Organismen eindeutig identifizieren. Gemeinsam mit einer vorherigen Studie zu Metagenom-Datensätzen bei Kleinkindern bilden die nun veröffentlichten Daten eine umfangreiche und repräsentative Darstellung zum Mikrobiom aller Altersgruppen innerhalb der aktuellen Mukoviszidose-Patientenpopulation.
Teufelskreis aus Infektion, Entzündung und Umbau der Atemwege
Mukoviszidose, auch Cystische Fibrose (CF) genannt, ist eine angeborene Stoffwechselerkrankung, die durch Gendefekte entsteht, welche den Salzhaushalt der Betroffenen beeinträchtigen. Dadurch bildet sich zäher Schleim, der die Atemwege der Lunge und innere Organe wie den Darm verstopft. In der Lunge behindert der Schleim die Atmung und dient zudem als Nährboden für Bakterien, Pilze, Viren oder Parasiten. Hierdurch kommt es zu chronischen Infektionen, Entzündungen und Umbauprozessen in den Atemwegen, welche den Verlauf der Erkrankung maßgeblich beeinflussen.
„Es bleibt abzuwarten, ob die lebenslange Einnahme von CFTR-Modulatoren die zeitliche Entwicklung des Metagenoms in den Atemwegen verändern wird“, so Tümmler mit Blick auf die aktuelle Dreifachtherapie mit CFTR-Modulatoren bei Mukoviszidose. Aktuelle Studien zeigen, dass diese Behandlung bei Patienten mit Mukoviszidose dazu führt, dass das Atemwegssekret weniger zäh ist und die Entzündung und die bakterielle Infektion in der Lunge abnehmen.
Originalpublikation: Pienkowska K, Pust MM, Gessner M, Gaedcke S, Thavarasa A, Rosenboom I, Morán Losada P, Minso R, Arnold C, Hedtfeld S, Dorda M, Wiehlmann L, Mainz JG, Klockgether J, Tümmler B. The Cystic Fibrosis Upper and Lower Airway Metagenome. Microbiol Spectr. 2023 Mar 9;11(2):e0363322. doi: 10.1128/spectrum.03633-22.