Depression
Antidepressive Therapie nach bariatrischer Chirurgie
Original Titel:
Plasma concentrations of SSRI/SNRI after bariatric surgery and the effects on depressive symptoms
Kurz & fundiert
- Prospektive multizentrische Studie aus der Schweiz
- Signifikante SSRI/SNRI-Plasmakonzentrationssenkung nach bariatrischer Operation
- Keine Auswirkungen auf depressive Symptome
- Postoperative Arzneimittelüberwachung sinnvoll
Depression gilt als die häufigste präoperative psychische Erkrankung. Insbesondere Menschen mit morbider Adipositas werden vor und nach einer bariatrischen (gewichtsreduzierenden) Operation häufig mit Psychopharmaka behandelt. Dabei sind Selektive-Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahme-Inhibitoren (SNRI) die am häufigsten verwendeten Antidepressiva. Es ist jedoch nur wenig darüber bekannt, wie sich eine bariatrische Operation auf die Konzentrationen von Psychopharmaka auswirkt und damit potenziell die Wirksamkeit und Sicherheit beeinflusst, einschließlich potenzieller psychiatrischer Folgen (z. B. Rückfall oder Verschlechterung der Symptome).
Prospektive multizentrische Studie
Wissenschaftler in der Schweiz haben eine prospektive multizentrische Studie mit 63 Patienten mit morbider Adipositas und Therapie mit fest dosierten SSRI/SNRI durchgeführt. Ziel war es, die Pharmakokinetik verschiedener SSRI/SNRI über einen sechsmonatigen Verlauf bei Personen mit morbider Adipositas, die sich einer bariatrischen Operation unterzogen haben, zu untersuchen und die Auswirkungen auf depressive Symptome (bestimmt durch den Fragebogen „Beck-Depressions-Inventar“ (BDI)) zu definieren. Dafür wurden die SSRI/SNRI-Plasmaspiegel von vor der bariatrischen Operation sowie 1 und 6 Monate nach der Operation gemessen und mit den Plasmakonzentrationen bei Patienten unter konservativer Therapie verglichen, die als Kontrollgruppe dienten. Die Ausgangscharakteristika der Teilnehmer waren in Bezug auf anthropometrische Daten (z. B. Gewicht, Körpergröße), Komorbiditäten, BDI-Score und Antidepressiva-Behandlung ähnlich.Signifikante postoperative SSRI/SNRI-Plasmakonzentrationssenkung um ca. 25 % in 6 Monaten
Die Plasmakonzentrationen von SSRI/SNRI sanken in der bariatrisch-chirurgischen Gruppe signifikant anschließend an die Behandlung:- Vor OP bis 6 Monate: -24,7 %; 95 % Konfidenzintervall (KI): -36,8 bis -16,6; p = 0,0027
- Vor OP bis 1 Monat: -10,5 %; 95 % KI: -22,7 bis -2,3; p = 0,016
- 1 Monat bis 6 Monate: -12,8 %: 95 % KI: -29,3 bis 3,5, p = 0,123
Schweregrad der depressiven Symptome unverändert
Der Schweregrad der depressiven Symptome blieb bei den Studienteilnehmern unverändert und es gab keine Korrelation zu den signifikant niedrigeren postoperativen SSRI/SNRI-Spiegeln oder dem Gewichtsverlust. Die Tatsache, dass in der konservativen Gruppe beide Variablen unverändert blieben, lässt vermuten, dass es möglicherweise weitere Variablen gibt, die die geringere Resorption von SSRI/SNRI nach bariatrischen Eingriffen kompensieren.Postoperative Arzneimittelüberwachung sinnvoll
Die anatomischen und physiologischen Veränderungen im Magen-Darm-Trakt nach einer bariatrischen Operation können die Bioverfügbarkeit, die Pharmakokinetik und die Medikamentendosierung verändern. Es gibt eine Reihe von Faktoren, die dazu beitragen, wie z. B. Veränderungen der Magenentleerungszeit, ein verändertes Säure- und Gallensäuremilieu, eine verkürzte Dünndarmtransitzeit, eine reduzierte Oberfläche sowie eine Modulation des lokalen Mikrobioms. Welcher dieser Mechanismen genau die orale Bioverfügbarkeit postoperativ einschränkt, konnte nicht festgestellt werden. Es sind weitere Studien erforderlich, um die Rolle der verschiedenen klinischen, entzündlichen und neurohormonellen Faktoren zu klären, die den Verlauf der depressiven Symptome nach einer bariatrischen Operation beeinflussen. Aufgrund der schwankenden Plasmakonzentrationen von SSRI/SNRI nach bariatrischen Operationen kann jedoch eine postoperative therapeutische Arzneimittelüberwachung von Nutzen sein. Im Falle einer Malabsorption sind eine Erhöhung der Tagesdosis, die Umstellung auf flüssige, orale Darreichungsformen und die Aufteilung der Tagesdosis auf mehrere Tagesdosen mögliche Strategien, die die stabile Therapie unterstützen können, schließen die Autoren.© Alle Rechte: HealthCom