Prothesenlockerung frühzeitig erkennen
Die Hochschule Coburg und Regiomed forschen gemeinsam an der Entwicklung einer innovativen Messtechnik, durch die eine Lockerung von Hüftprothesen bald im Frühstadium erkannt werden soll. Zukünftig soll es möglich sein, Veränderungen basierend auf einer Lockerung oder Entzündung von außen durch ein spezielles Ultraschallverfahren zu entdecken.
Unsere Gesellschaft altert. Somit steigt auch die Zahl derer, die zum Beispiel ein künstliches Hüftgelenk benötigen. Das kann langfristige Folgen für das Gesundheitssystem haben. „In mehr als zehn Prozent der Fälle kommt es innerhalb von 15 Jahren nach einer Hüftoperation zu einer Lockerung der implantierten Prothese“, sagt Dr. med. Alexander Franck, Oberarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Regiomed Klinikum Coburg. Der Zeitpunkt der Erkennung spielt eine entscheidende Rolle bei der Planung einer unter Umständen notwendigen erneuten Operation: Je früher eine Lockerung erkannt wird, desto geringer sind die Komplikationen im Falle eines Prothesenwechsels. „Das Vorliegen einer mechanischen oder einer aufgrund einer Infektion entstandenen Lockerung beeinflusst maßgeblich die Behandlung und Prognose“, erklärt Dr. Franck.
Früherkennung ohne Eingriff
Gerade im Frühstadium einer Lockerung kann diese mit konventionellen Diagnoseverfahren, wie beispielsweise einem normalen Röntgenbild, häufig nur schwer oder gar nicht erkannt werden. Auch problematisch ist die Unterscheidung zwischen mechanisch bedingter Prothesenlockerung und einer Lockerung, die durch Bakterien verursacht wird. „Für den Prothesenwechsel ist in diesem Fall ein wesentlich komplexeres Verfahren notwendig als im Fall einer mechanischen Lockerung“, sagt der Mediziner.
Jan Lützelberger, der Technische Physik an der Hochschule Coburg studiert hat, forschte im Rahmen seiner Bachelorarbeit am Institut für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) der Hochschule Coburg in enger Zusammenarbeit mit dem Mediziner an einem ultraschallbasierten Messverfahren zur Vermessung eines sehr dünnen Spalts zwischen Knochen und einliegender Prothese. Basierend auf den erhobenen Messdaten erhofft sich das Team, zukünftig eine Aussage über eine frühzeitige Lockerung treffen zu können. Zusätzlich bietet das Verfahren prinzipiell die Möglichkeit, die Bildung eines Bakterienfilms auf der Prothese zu erkennen. „Das spezielle Ultraschall-Messverfahren, das wir am ISAT entwickelt haben, ist nicht-invasiv. Das heißt, dass im Optimalfall kein Gewebe verletzt werden muss und der Patient bei der Anwendung keine Schmerzen hat“, sagt der Physikingenieur. Die Ergebnisse der Bachelorarbeit waren so vielversprechend, dass diese im Juni in einer namhaften Fachzeitschrift für Sensorik veröffentlicht wurden.
Für die Früherkennung ist das Messverfahren vor allem deshalb interessant, weil die Grenzschicht zwischen Knochen und Implantat ohne Eingriff ins Gewebe untersucht und charakterisiert werden kann – so kann unter Umständen eben auch festgestellt werden, ob sich dort Bakterien angesiedelt haben, die zu schmerzhaften und gefährlichen Infektionen führen können. Erste Tests wurden bereits am ISAT durchgeführt. „Die Messmethode wurde an verschiedenen idealisierten Testsystemen, aber auch bereits an einem theoretischen (Echt-)Knochen-Implantat-System erfolgreich erprobt“, sagt Prof. Dr. Klaus Stefan Drese, Leiter des ISAT und Betreuer der Bachelorarbeit von Jan Lützelberger.
Die nächsten Schritte
Bis das Verfahren am Patienten zum Einsatz kommt, sind noch viele weitere Tests notwendig. „Der nächste Entwicklungsschritt besteht darin, die Technologie an einem realistischen Knochen-Implantat-System zu erproben und Vergleichsmessungen durchzuführen, damit die Genauigkeit der Ergebnisse bewertet werden kann“, erklärt Jan Lützelberger, der im Rahmen seiner Masterarbeit im Studiengang Simulation und Test die Weiterentwicklung der Sensorik anstrebt, das weitere Vorgehen. Bis zur klinischen Erprobung am menschlichen Körper werden wir sicher noch sehr viele Stunden im Labor stehen müssen“, kommentiert Prof. Drese.
Dr. Alexander Franck wird das ISAT-Team mit seiner medizinischen Expertise bei dieser Forschung weiter intensiv unterstützen. „Mit Dr. Franck haben wir einen Fachmann an Bord, der mit großer Leidenschaft seine medizinische Expertise in die Entwicklung neuer Technologien zur orthopädischen Frühdiagnostik einbringt. Dadurch soll den oftmals betagten Patienten unnötiges Leiden erspart und ihre Lebensqualität verbessert werden“, sagt Professor Drese.
Die Kooperation zwischen der Hochschule und den Medizinern von Regiomed im Bereich der medizintechnischen Forschung wird durch die weitere Erforschung des ultraschallbasierten Messverfahrens kontinuierlich vertieft. Dies verspricht weitere Fortschritte in der Früherkennung und Behandlung von orthopädischen Erkrankungen, was letztendlich auch dem Wohlbefinden der Patienten in der Region zugutekommt.
Die Forschungsaktivitäten wurden von der Technologieallianz Oberfranken (TAO) unterstützt.
Text: Cindy Dötschel