Corona-Impfung: Körper baut Immungedächtnis in Organen auf

Eine Impfung in den Oberarm – und der ganze Körper ist geschützt. Wie geht das? Zum einen produziert das Immunsystem Antikörper und Zellen, die im Blut durch den ganzen Organismus patrouillieren. Zum anderen, so zeigt es eine aktuelle Studie der Charité – Universitätsmedizin Berlin am Beispiel der Corona-mRNA-Impfstoffe, baut der Körper ein lokales Immungedächtnis in verschiedenen Organen auf. Der im Journal of Clinical Investigation* veröffentlichten Arbeit zufolge sind die Immungedächtniszellen in den Organen zahlreicher als im Blut und verfügen über verstärkte antivirale Abwehrfunktionen.

Die Forschenden hatten es vermutet: Erkenntnisse aus dem Tiermodell deuten seit einiger Zeit darauf hin, dass die meisten Zellen des Immungedächtnisses nach einer Infektion nicht im Blut zirkulieren, sondern in den Organen ansässig werden und diese vor Ort schützen. Angenommen wird, dass das auch nach einer Impfung geschieht. Dies beim Menschen zu belegen, ist jedoch nicht trivial. „Dafür benötigt man Gewebe von vielen Personen mit bekannter und vergleichbarer Impfhistorie, die von dem Erreger möglichst noch nie infiziert wurden“, erklärt Prof. Dr. Katja Kotsch, Leiterin der Studie von der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie der Charité. Die Corona-Pandemie mit vielen durchgeführten Impfungen ermöglichte es nun, die nötigen Proben gewinnen zu können.

Gedächtniszellen in Leber, Niere und Lunge

Für die Studie untersuchten die Forschenden Gewebe aus unterschiedlichen Organen, das bei medizinisch notwendigen Operationen, beispielsweise zur Entfernung eines Tumors, anfiel. Die Proben stammten von 61 Menschen, die sich unabhängig von der OP einige Monate vor dem Eingriff zwei- bis dreimal mit einem mRNA-Vakzin gegen das Coronavirus hatten impfen lassen, die Infektion aber in der Mehrheit noch nicht durchgemacht hatten.

Durch eine spezifische Stimulation und Anfärbung von Immunzellen gelang dem Forschungsteam in mehreren Geweben der Nachweis von sogenannten CD4-positiven T-Helferzellen, die gegen SARS-CoV-2 gerichtet waren. Diese Zellen des Immungedächtnisses sorgen dafür, dass andere Immunzellen passende Antikörper gegen den Erreger produzieren, sobald er im Körper entdeckt wird. Außerdem tragen sie vermutlich auch zur direkten Bekämpfung des Virus bei.

Die Wissenschaftler:innen fanden die Immungedächtniszellen nicht nur in der Milz und dem Knochenmark, also Geweben, in denen Immunzellen standardmäßig reifen oder produziert werden, sondern auch in der Leber, Niere und Lunge. „Diese Daten bestätigen unsere Vermutung, dass der Körper nach einer Impfung ein über Monate stabiles Immungedächtnis auch in Geweben anlegt, die weit von der Injektionsstelle entfernt liegen“, sagt Dr. Arne Sattler, Immunologe im Team von Prof. Kotsch. Zusammen mit ihr hat er die korrespondierende Autorenschaft der Studie inne. „Gezeigt haben wir dies jetzt für die mRNA-Impfstoffe gegen das Coronavirus, wir nehmen aber an, dass ähnliche Prozesse auch nach anderen Impfungen stattfinden. Der Beleg dafür steht jedoch noch aus, hierzu sind weitere Studien nötig.“

Organ-Immungedächtnis wird weitgehend unabhängig vom Alter angelegt

Ein Vergleich mit Blutproben der Patient:innen ergab: In Niere, Leber und Lunge siedelten sich deutlich mehr Immungedächtniszellen an, als durch das Blut patrouillierten. Die Botenstoffe, die die organständigen Zellen ausschütteten, ließen außerdem auf besonders ausgeprägte antivirale Eigenschaften schließen. Dr. Sattler resümiert: „Unsere Daten zeigen, dass das Immungedächtnis in den Organen dem im Blut funktionell überlegen ist. Was das exakt für den Immunschutz der Organe bedeutet, ist nicht einfach abzuleiten, weil sich die genaue Schutzwirkung einzelner Immunzellen beim Menschen nicht gut bestimmen lässt. Beobachtungen im Tiermodell deuten aber darauf hin, dass solche lokal verankerten, potenten T-Zellen Erreger besser abwehren können.“

Und noch ein Unterschied zeigte sich zwischen dem Immungedächtnis in den Organen und dem Blut: Die Anzahl der schützenden Immunzellen, die sich in den Organen niederließen, war unabhängig vom Alter der geimpften Person ähnlich hoch. Im Gegensatz dazu zirkulierten bei Älteren im Blut weniger Immungedächtniszellen als bei jüngeren Patient:innen. „Bei alten Menschen legt der Körper also nach der Corona-Impfung ein zahlenmäßig ähnlich aufgestelltes Immungedächtnis in den Organen an wie bei jungen Menschen“, sagt Prof. Kotsch. „Nach unseren Daten überdauern die organständigen Gedächtniszellen mindestens einige Monate. Ob das Immungedächtnis sogar über Jahre im Gewebe stabil bleibt, ist Gegenstand weiterführender Untersuchungen.“

*Proß V, Sattler A, Lukassen S et al. SARS-CoV2 mRNA-vaccination-induced immunological memory in human non-lymphoid and lymphoid tissues. JCI 2023 Oct 10. doi: 10.1172/JCI171797

Über die Studie

Unter Federführung von Prof. Dr. Katja Kotsch, Leiterin der AG Experimentelle Tumor- und Transplantationsimmunologie, ist die Arbeit in enger Kooperation mit dem Berlin Institute of Health in der Charité (BIH, Dr. Sören Lukassen und Prof. Dr. Christian Conrad) entstanden. Vanessa Proß ist neben Dr. Lukassen und Dr. Sattler gleichberechtigte Erstautorin der Studie. Gefördert wurden die Untersuchungen hauptsächlich durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

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Originalpublikation
Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie